Der neue, alte Minister für Landwirtschaft, Umwelt, Wasser und Regionen über seine neue Rolle als Klimaminister, neue Klimaziele, offene Fragen zur Renaturierung und die Zukunft der Rübenbauern.
Der Lienzer Norbert Totschnig (50) war fünf Jahre lange Direktor des Bauernbundes, ehe er im Mai 2022 Nachfolger von Elisabeth Köstinger (ÖVP) im Landwirtschaftsministerium wurde. Er behielt seinen Job in der neuen türkis-rot-pinken Regierung – erweitert um die Klimaagenden.
KURIER: Sie sind jetzt der neue Klimaminister. Freut Sie das eigentlich?
Norbert Totschnig: Natürlich, das ist eine große Verantwortung. Ich habe viel Respekt davor, das muss ich auch sagen. Die Themen Umwelt- und Klimaschutz habe ich schon vor über zehn Jahren als Klubreferent im Parlament begleitet.
Was ist denn Ihr Zugang zum Klimawandel, was denken Sie darüber?
Ich komme aus der Land- und Forstwirtschaft, hier zeigen sich hautnah die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels. Die Durchschnittstemperaturen steigen deutlich an, etwa in Gmünd um 4 Grad seit den 1950er Jahren. Das hat Auswirkungen auf die Art der Pflanzenproduktion, auf den Schädlingsdruck, auf invasive Arten. Auch im Waldbereich gibt es massive Zerstörungen, wie durch den Borkenkäfer. Klar ist: Wir müssen die Treibhausgas-Emissionen reduzieren und uns gleichzeitig an den Klimawandel anpassen. Beispielsweise müssen wir den Hochwasserschutz laufend optimieren, weil die Extremwetterereignisse zunehmen werden. All das ist mir bewusst und daraus resultieren auch meine Motivation und mein volles Engagement.
Sie sind jetzt für die Klimabilanz der Republik verantwortlich, haben aber anders als ihre Vorgängerin Leonore Gewessler relativ wenig Kompetenz in den wesentlichen Bereichen etwas zu tun, etwa bei der Energie oder beim Verkehr. Ist das gescheit?
Also ich sehe das anders. Erstens passen doch die Themen Land- und Forstwirtschaft sowie die Wasserwirtschaft sehr gut mit der Klima- und Umweltpolitik zusammen. Wer unter freiem Himmel wirtschaftet, spürt den Klimawandel unmittelbar. Allein wenn ich mir die Schäden im Wald anschaue: Fast die Hälfte des jährlich geernteten Holzes kommt aus Schadflächen, von Sturmereignissen bis zum Borkenkäfer. Wir sehen deutlich, was der Klimawandel anrichtet und dass es eine Klimawandelanpassung braucht, genauso im Wasserbereich. Zur Frage, wie Klima- und Umweltpolitik am Ende in den einzelnen Zuständigkeiten realisiert werden kann: Deshalb haben wir das Klimagesetz im Regierungsprogramm, in dem es darum geht, dass die zuständigen Minister sehr gut zusammenwirken.
Und da gibt es ein gemeinsames Verständnis mit Ihren Regierungskollegen?
Am Ende geht es darum, unionsrechtliche Ziele zu erfüllen und Strafzahlungen zu vermeiden. Ich bin zuversichtlich, dass wir sehr gut zusammenarbeiten werden - mit dem Wirtschaftsminister, mit dem Verkehrsminister und natürlich auch ganz entscheidend ist der Finanzminister.
Den Finanzminister brauchen Sie für die Klimaförderungen, die großteils ausgeschöpft sind? Womit können die Bürger rechnen, was wird wie gefördert werden? Photovoltaik mit Stromspeicher, Raus au Öl und Gas, thermische Sanierung?
Die Frage ist, ob die Förderungen richtig eingestellt waren, so dass sie auch die Wirkung erreichen, die sie erbringen sollten. Wir sind leider in der Situation, dass der Staatshaushalt konsolidiert werden muss, das ist alles andere als einfach. Der nächste Schritt ist dann zu schauen, was konkret noch alles in den Fördertöpfen verfügbar ist und wie die Maßnahmen bisher gestaltet wurden. Mein Ziel ist, für jeden geförderten Euro die maximale Wirkung zu erzielen. Dann kommen die Budgetgespräche, die in den nächsten Wochen mit dem Finanzminister erfolgen. Schließlich werden wir sehen, wieviel Geld da ist, welche Maßnahmen wir setzen wollen und was wir anpassen müssen, um die erwünschte Wirkung zu erzielen.
Das heißt, Sie können derzeit nicht sagen, ob und welche Förderungen bleiben?
Mir ist schon sehr wichtig, dass die Fördermöglichkeiten erhalten bleiben. Das Raus aus Öl und Gas-Programm ist etwa sehr wirkungsvoll, wenn es um Reduktion von Treibhausgasen geht.
Da wurde mit bis zu 75 Prozent der Kosten gefördert, das ist Ihnen aber zu hoch?
Dieser Fördersatz war einer der höchsten in Europa, das wird es in Zukunft nicht mehr geben. Einfach, weil das Geld nicht da ist und weil wir die Mittel, die wir haben, wirkungsvoller einsetzen müssen.
Die vorige Regierung hat sich auf kein Klimaschutzgesetz einigen können, warum soll das jetzt klappen? Wird das klare Klimaziele beinhalten?
Es gibt jetzt eine neue Regierung und mein Eindruck ist, dass es eine Entschlossenheit und einen Teamgeist gibt. Daher bin ich zuversichtlich, dass man das Klimagesetz zügig beschließt. Garantie gibt es keine, aber ich werde meinen Beitrag leisten. Das wird eines meiner ersten Projekte sein, wir werden einen Fahrplan festlegen, aber ich möchte jetzt nicht zu weit vorgreifen. Die Idee ist: klare Regelungen, klare Zuständigkeiten, klare Ziele.
Die USA sind unter Präsident Trump erneut aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen, sollte dieser Ausstieg nicht irgendwie sanktioniert werden, oder müssen wir das einfach schulterzuckend hinnehmen?
Das wird die EU sicher nicht tun. Amerika ist Amerika, die USA werden weiter ein starker und wichtiger Partner für Europa sein. Wir müssen trotzdem unseren Weg konsequent weitergehen, wir stehen zum Pariser Klimaabkommen, das ist völlig klar.
Nur agieren US-Betriebe jetzt im gemeinsamen Markt ohne jegliche Klima- oder Umweltauflagen, was für ein Wettbewerb soll das dann sein?
Das ist nicht fair, aber wir haben keine Wahl. Wir müssen unseren Weg im Klima- und Umweltschutz fortsetzen. Die negativen Konsequenzen des Klimawandels sind ja auch in den USA längst sichtbar.
Sollen wir der Mercosur-Freihandelszone beitreten?
Österreich hat eine klare Position: Es gibt einen Beschluss des Nationalrates und der sagt, keine Zustimmung zu diesem Abkommen. Das gilt für die Bundesregierung und natürlich auch für mich. Wir haben in der Landwirtschaft hier eine besonders sensible Situation, weil dadurch der Wettbewerbsdruck weiter steigen würde. Derzeit gibt es Verhandlungen der EU über ein neues Assoziierungsabkommen mit der Ukraine und weiteren Handelsabkommen. Also das sind schon große Herausforderungen, und der Grund, warum in der Landwirtschaft eine andere Sensibilität vorherrscht, wie zum Beispiel im Industriebereich.
Schlechte Nachrichten gab es zuletzt rund um die Zuckerrübe – die Agrana hat seine Fabriken in Leopoldsdorf und dem tschechischem Hrušovany geschlossen. Worum geht es da?
Da sind viele Umstände zusammengekommen: Ein generell sinkender Zuckerkonsum, eine Überproduktion in der EU, das Verbot eines speziellen Pflanzenschutzmittels, und dann wurde der Ukraine genehmigt, zusätzliche Zuckermengen in die EU zu exportieren. So ist der für die Agrana wichtige südeuropäische Markt weggebrochen, was dazu geführt hat, dass jetzt die Werke nicht mehr ausgelastet werden konnte. Uns ist jetzt wichtig, dass wir die Eigenversorgung mit heimischem Zucker sichern können.
Dann kommt auf Sie die EU-Renaturierung zu, Sie waren immer klar dagegen. Warum?
Grundsätzlich möchte ich klarstellen, dass Naturschutz in Österreich einen sehr hohen Stellenwert hat. Große Teile der Wald- und Landwirtschaftsflächen stehen bereits jetzt unter Schutz. Die Renaturierung haben wir immer kritisiert, weil die Verordnung viele Schwächen hat. Auch heute wissen wir noch nicht, welche Konsequenzen das haben wird, weil die dafür notwendigen Durchführungsverordnungen aus Brüssel fehlen. Dann die Frage der Kosten. Und nicht zuletzt die Frage, aus welchen Budgets das alles finanziert werden soll. Meine Aufgabe wird dann sein, die entsprechenden Pläne auszuarbeiten, die leistbar, finanzierbar und umsetzbar sind.
Eine letzte Frage an den Klimaminister: Wie stehen Sie zum Bau des Lobautunnels?
Im Regierungsprogramm steht, dass jene Autobahn- und Schnellstraßenprojekte, die im Bundesstraßengesetz vermerkt sind, so rasch wie möglich realisiert werden sollen, da geht es letztlich um unsere Wettbewerbsfähigkeit, und es geht darum, dass man Infrastrukturprojekte so gestaltet, dass sie auch die Bevölkerung, die in der Nähe lebt, entlastet. Also wenn die Entscheidung für den Bau fällt, werde ich das nicht verhindern.
Norbert Totschnig Der ÖVP-Politiker ist 1974 in Lienz (Osttirol) geboren. Er absolvierte eine Fachschule für Metallbearbeitung, danach einen Aufbaulehrgang für Automatisierung. 2021 absolvierte er ein Studium der Wirtschaftswissenschaften in Innsbruck.
Politik Erfahrungen sammelte er als parlamentarischer Mitarbeiter in Wien und im EU-Parlament, er war auch Referent in den Kabinetten von Spindelegger und Mitterlehner. Von 2017 bis 2022 war Totschnig Direktor des ÖVP-Bauernbundes, ehe er 2022 Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft wurde.
Privat Totschnig ist verheiratet und Vater zweier Söhne.
Kommentare