"Putin wird erst verhandeln, wenn der Preis für ihn zu hoch wird"

Großbrotanniens Botschafterin 
Die britische Botschafterin in Österreich über die größere Rolle des Vereinigten Königreichs in Europa, eine mögliche Friedenstruppe der "Willigen" für die Ukraine und Österreichs Rolle darin.

Besser als Dave, der Dackel  von Großbritanniens Botschafterin in Österreich, Lindsay Skoll, kann ein Hund nicht informiert sein. Beim Interview mit dem KURIER weicht er der britischen Spitzendiplomatin, die vor Wien in jahrelang in Moskau im Einsatz war, nicht von der Seite. Ein Gespräch mit der ausgewiesenen Russland-Kennerin über die neue, gewachsene Schlüsselrolle Großbritanniens bei den Spannungen zwischen Europa  und den USA im Ukraine-Krieg.

KURIER: Großbritannien hat in der Ukraine-Frage eine führende Rolle übernommen. Bedurfte es eines US-Präsidenten Trump mit seinen Drohungen, um Großbritannien aus der Reserve zu holen?

Lindsay Skoll: Nein, das würde ich nicht sagen. Großbritannien ist seit Beginn des Konflikts eine treibende Kraft bei der Unterstützung der Ukraine – militärisch, humanitär und wirtschaftlich. Wir haben bis heute fast 13 Milliarden Pfund an Hilfe bereitgestellt, davon etwa 7 bis 8 Milliarden für militärische Zwecke. Zudem haben wir uns verpflichtet, bis 2030 jährlich 3 Milliarden Pfund bereitzustellen.

Wir haben 220.000 Ukrainer aufgenommen und tausende Soldaten trainiert. Die gesamte britische Gesellschaft und alle politischen Parteien stehen hinter dieser Unterstützung. Für uns ist klar: Die Sicherheit der Ukraine ist unsere eigene Sicherheit.

Warum ist in Großbritannien so eindeutig klar, dass man auf der Seite der Ukraine steht?

Weil hier ein souveräner Staat völkerrechtswidrig angegriffen wurde. Das verstößt gegen die UN-Charta, die uns seit dem Zweiten Weltkrieg Frieden und Stabilität gebracht hat. Putin könnte diesen Krieg jederzeit beenden, tut es aber nicht. Es geht hier um moralische, sicherheitspolitische und demokratische Werte.

Gab es in den vergangenen drei Jahren diplomatische Kontakte zwischen London und Moskau?

Ja, wir unterhalten weiterhin eine Botschaft in Moskau, ebenso wie Russland eine in London. Diplomatische Gespräche sind wichtig. Aber unsere bilateralen Beziehungen sind seit 2014, mit der Annexion der Krim, stark belastet. Ein entscheidender Bruchpunkt war für uns 2018, als auf britischem Boden in Salisbury chemische Waffen eingesetzt wurden.

Der Mordversuche an Sergej Skripal? Damals haben viele europäische Staaten als Reaktion darauf russische Diplomaten ausgewiesen, Österreich jedoch nicht. Wie haben Sie das empfunden?

Das war sehr frustrierend. Ich verstehe aber, dass Österreich aufgrund seiner historischen Beziehungen zu Russland und seiner Neutralität eine andere Ausgangslage hat. Ich sehe jedoch, dass sich Österreich seit der russischen Invasion in der Ukraine klar positioniert hat. Vielleicht hat es einfach etwas länger gedauert, die strategische Bedrohung durch Russland zu erkennen.

Welche Rolle sehen Sie für Österreich in der sogenannten "Koalition der Willigen"? Wie ist das mit unserer Neutralität vereinbar?

Österreich wird keine Truppen entsenden, aber es kann humanitäre und wirtschaftliche Hilfe leisten. Der Wiederaufbau der Ukraine wird entscheidend für ihre langfristige Sicherheit sein, und hier kann Österreich mit seiner wirtschaftlichen Expertise einen wichtigen Beitrag leisten.

Und die Neutralität?

Die Neutralität ist keine Sicherheitsgarantie. Jeder europäische Staat muss darüber nachdenken und sich fragen, woher die Hilfe kommt, wenn seine Sicherheit bedroht ist.

Jetzt ist ein guter Zeitpunkt für Österreich, landesweit darüber zu diskutieren.

Großbritannien sieht sich also in einer führenden Rolle bei der Unterstützung der Ukraine?

Absolut. Wir glauben, dass Europa mehr für seine eigene Sicherheit tun muss. Deshalb haben wir unsere Bereitschaft signalisiert, in einer Koalition mit gleichgesinnten Staaten Verantwortung zu übernehmen.

Die "Koalition der Willigen" soll aber erst nach einem Waffenstillstand aktiv werden?

Genau. Der aktuelle Waffenstillstandsvorschlag liegt auf dem Tisch. Die Ukraine hat zugestimmt, und Russland hat seine übliche Verhandlungstaktik angewandt: Zeit gewinnen und eine Maximalforderung stellen, um später als kompromissbereit zu erscheinen. Das ist klassische russische Verhandlungstaktik.

Gibt es Hinweise darauf, wann Russland bereit sein könnte, ernsthafte Friedensgespräche zu führen?

Noch nicht. Die russische Wirtschaft leidet massiv unter den Sanktionen. Dennoch kann das Regime noch eine Weile durchhalten. Putin wird erst verhandeln, wenn der Preis für ihn zu hoch wird.

"Putin wird erst verhandeln, wenn der Preis für ihn zu hoch wird"

Deshalb müssen wir weiter Druck ausüben – durch Sanktionen und Unterstützung der Ukraine.

Wie schätzen Sie die Rolle von Premierminister Keir Starmer im Dialog mit US-Präsident Trump ein?

Er sieht sich als Brückenbauer, was sehr zur britischen Tradition passt. Unsere "Special Relationship" mit den USA bleibt ein zentraler Pfeiler unserer Außenpolitik, unabhängig davon, wer im Weißen Haus sitzt. Wir können auf eine Weise mit den USA sprechen, wie es wenige andere Länder können.

Trump wird sich für einen schnellen Frieden einsetzen – aber offensichtlich auf Kosten der Ukraine?

Nur die Ukraine kann über ihre Zukunft entscheiden. Frieden muss gerecht und nachhaltig sein, damit Putin nicht in wenigen Jahren einen neuen Krieg beginnt.

Was bedeutet "gerechter Frieden"?

Ein Frieden, der für die Ukraine akzeptabel ist und ihre langfristige Sicherheit garantiert. Alles andere wäre eine Einladung für Putin, es erneut zu versuchen.

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