ÖVP-Minister Karner: "Es muss weitere Abschiebungen nach Syrien geben"

Am Rande seines Besuchs in Bulgarien sprach der KURIER mit dem Innenminister über die Handy-Überwachung, den Schutz der Grenzen und Abschiebungen.
KURIER: Ich habe mich für dieses Interview mit meinen Kollegen über Messenger-Dienste ausgetauscht. Also wissen Sie vielleicht schon, was ich Sie fragen werde?
Gerhard Karner: Sie haben auch schon bessere Scherze gemacht. Selbstverständlich weiß ich es nicht.
Die Messenger-Überwachung kommt. Wo ziehen Sie persönlich die Grenze zwischen dem Sicherheitsanspruch des Staates und der Freiheit des Einzelnen?
Das ist keine persönliche Frage, und schon gar keine ideologische. Es ist eine Frage, was ist notwendig, speziell für den Verfassungsschutz, um zeitgemäß arbeiten zu können. Der Verfassungsschutz und die Polizei haben schon seit Jahrzehnten die gesetzliche Befugnis, Briefe zu öffnen und Telefongespräche mitzuhören. Nur kommunizieren Terroristen nicht mehr per Brief oder Telefon. Sondern eben über Messenger-Dienste. Daher braucht der Verfassungsschutz auch diese Möglichkeit.
Wie sehr stört es Sie, dass zumindest zwei Neos-Abgeordnete nicht bei der Messenger-Überwachung mitstimmen wollen?
Es ist jedenfalls gut und wichtig, dass im Innenausschuss vor wenigen Tagen die Koalition geschlossen dafür gestimmt hat.
Sie haben sich jetzt ein Bild gemacht von der Grenzsicherung an der bulgarisch-türkischen Grenze, die jetzt eine Schengen-Außengrenze ist. Österreich hat genau das lange blockiert, was ist heute besser als im Vorjahr?
Zunächst: Österreichs Veto damals war kein einfacher, aber der völlig richtige Schritt. Wir sehen heute, zweieinhalb Jahre später, dass sich die Situation deutlich verändert hat. Bulgarien hat mithilfe der Europäischen Kommission massiv aufgerüstet, technisch und personell. Das war also notwendig im Sinne von ganz Europa.

Sie denken, unser Veto hat den Bulgaren geholfen?
Ja, ich bin überzeugt, dass dem so ist. Weil die Kommission jetzt intensiv Geld investiert. Wir haben heute Autos für die Grenzwache übergeben, neue Grenztechnik, alles finanziert von der Kommission. Weil es im Interesse von Österreich ist, und allen anderen EU-Staaten.
Der Grenzübergang hier zur Türkei ist einer der größten der Welt. Kann man so eine stark frequentierte Grenze überhaupt ausreichend überwachen?
Wenn man sich das bei den Bulgaren jetzt anschaut, kann man und muss man das. Gerade weil es so eine wichtige Grenze Richtung Asien ist.
Dennoch: Ist für Sie das Schengen-System kaputt, wie Sie das einst bezeichnet haben?
Also wir sehen jedenfalls partielle Fortschritte, nicht nur an dieser EU-Außengrenze. Aber es wird auch allen klar sein, dass wir noch einen weiten Weg haben und viele Schritte setzen müssen. Aber was auch stimmt, wir haben heute mehr Grenzkontrollen an Europas Binnengrenzen als noch vor zwei Jahren. Das ist für die Sicherheit unserer Länder derzeit einfach notwendig.
Führt das nicht das Schengensystem ad absurdum?
Nein. Schengen wird wieder voll funktionieren, wenn alle EU-Außengrenzen entsprechend gesichert sind. Das wird auch notwendig sein, wenn 2026 das neue europäische Asylsystem startet, wo ja ein wesentlicher Punkt die Verfahren an den Außengrenzen und das Screening ist. Das muss robust sein, um die illegale Migration gegen null zu drängen. Da sind zuletzt gute Fortschritte gemacht worden.
Also ist ihr Ziel, dass irgendwann die Grenzkontrollen an unseren Grenzen aufhören?
Wenn der EU-Außengrenzschutz dicht ist – dann muss dies das Ziel sein. Nur sehe ich das derzeit noch nicht gegeben. Daher sind diese Binnengrenzkontrollen notwendig.
Am Donnerstag haben Sie erstmals seit Jahren einen straffälligen Syrer nach Syrien abgeschoben. Da hagelte es in den sozialen Medien Kritik, dass es nur einer war. Was ist Ihr weiterer Plan?
Ja, erstmals seit fast 15 Jahren, seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs. Das ist nur ein erster Schritt, aber vor allem ist es ein wichtiges Signal, dass wir hier mit aller Konsequenz an den Abschiebungen arbeiten. Wir sind das erste europäische Land, dem eine Abschiebung direkt nach Syrien gelungen ist. Bei Gesprächen in der syrischen Hauptstadt Damaskus mit dem dortigen Innenminister haben wir die Voraussetzungen dafür geschaffen. Und wenn wir nur ein Verbrechen in Österreich damit verhindert haben, dann ist es ein Erfolg. Eines ist aber auch klar: Es muss weitere Abschiebungen geben.
Die Asylzahlen sind stark gesunken, auch wegen des Stopps beim Familiennachzug. Liegt die eigentliche Herausforderung für Österreich jetzt bei der Integration von Familien?
Wenn Systeme überlastet sind, und so haben wir den Stopp beim Familiennachzug begründet, dann kommt es zu Problemen – in den Schulen, bei der Jugendkriminalität, und zu Problemen in der Integration. Wenn es zu viele sind, ist die Integration deutlich schwieriger. Also alles step by step.
Selbst das Thema Unterbringung von Asylbewerbern in den Bundesländern hat nicht funktioniert, manche haben ihre Quoten übererfüllt, manche kaum Flüchtlinge in ihr Bundesland gelassen. Wäre jetzt nicht die richtige Zeit, das grundlegend zu reformieren?
Ja, die Regelung ist sehr komplex. Die Länder und der Bund haben sich auf dieses System vor mehr als 2 Jahrzehnten verständigt, aber ich sehe noch kein besseres.

Sollte der Bund nicht diese Kompetenzen zu sich holen?
Ich bin kein Freund des Zentralismus, wo einer diktiert und die anderen zu springen haben. Es ist notwendig, miteinander Lösungen zu finden. Das haben wir auch - bei der Sachleistungskarte, wo viele Bundesländer sich anschließen, bei den Wertekursen und der Arbeitspflicht. Das ist der Weg, den wir gehen sollten.
Ein neues, großes Problem ist die Jugendkriminalität, die Systemsprenger, die rauben und verstanden haben, dass wir keine Handhabe haben, weil wir keine Kinder verurteilen und einsperren. Da braucht es doch rasch neue Lösungen für dieses Sicherheitsproblem?
Erste Maßnahmen wurden schon gesetzt, wie zum Beispiel polizeiliche Schwerpunktaktionen. Wir haben die Einsatzgruppe für Jugendkriminalität. Und wir haben auch im Regierungsprogramm vereinbart, dass es da verpflichtende Gespräche mit den Eltern oder dem Vormund geben muss, um unsere Regeln klarzumachen, was verboten ist. Und wenn dem nicht nachgekommen wird, gibt es Strafen dafür. Und ja, es gibt Möglichkeiten, nicht die Kinder einsperren, aber polizeilich anzuhalten, etwa durch ein neues Heimaufenthaltsgesetz.
Also kein Gefängnis?
Nein, das ist eine Gefängnis-ähnliche Unterbringung. Die Strafmündigkeit liegt in Österreich bei 14 Jahren und eine Änderung ist im Regierungsprogramm nicht vorgesehen.
Kommende Woche wird über den oder die nächsten beiden U-Ausschüsse entschieden, der jedenfalls das Innenministerium betrifft. Die FPÖ ortet hier einen Deep State, dass verborgene Kräfte Macht ausüben. Wie sehen Sie dem U-Ausschuss entgegen?
Sehr gelassen und die Freiheitlichen sagen sehr viel, wenn der Tag lang ist. Es ist schäbig, dass die Freiheitlichen der Polizei bei ihrer schwierigen Arbeit ständig Prügel vor die Füße werfen.
Hat nicht andererseits ein FPÖ-Innenminister eine Razzia beim Verfassungsschutz gemacht und der Institution massiv geschadet, aufgrund eines Tipps eines mutmaßlich russischen Agenten im Geheimdienst?
Erwiesen ist jedenfalls, dass die Hausdurchsuchung beim BVT rechtswidrig war, das ist nachgewiesen. Aber es sind noch weitere Verfahren im Laufen – man wird sehen, was hier noch alles ans Licht kommt.
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