"Mit Sicherheit nicht": Doskozil weist Wiener Asyl-Forderungen zurück
Die Wiener Stadtregierung will eine Residenzpflicht für Asylberechtigte, damit diese nicht aus den Bundesländern in die Hauptstadt ziehen können. Aus dem Burgenland kommt dazu ein klares Nein.
KURIER: Herr Landeshauptmann, zu Beginn eine persönliche Frage: Wie geht es Ihrer Stimme?
Hans Peter Doskozil: Die Probleme mit der Stimme nach Operationen sind für mich schon Routine. Das Blöde an der Situation ist immer die erste Phase, wenn der Luftröhrenschnitt zuwachsen muss. Das dauert natürlich seine Zeit. Aber ich arbeite schon in dieser Zeit. Es ist so wie es ist und man muss damit leben und es dennoch zuversichtlich sehen. Ich hoffe auch, dass ich vielen, die eine gewisse Beeinträchtigung haben, damit ein positives Beispiel bin.
Sie haben sich immer sehr stark beim Thema Asylpolitik eingebracht. Derzeit wird intensiv über den Familiennachzug von Flüchtlingen diskutiert. Vor allem Wien kann die Situation im Schulwesen kaum mehr bewältigen. Die Regierung will das jetzt mit DNA-Tests einbremsen. Was sagen Sie dazu?
Über die Stellungnahmen und Wortmeldungen der vergangenen Wochen habe ich innerlich schon lachen müssen. Auf der einen Seite eine ÖVP in der Person des Bundeskanzlers, die in den vergangenen Jahren in der Asylpolitik das, was uns von seinem Vorgänger Sebastian Kurz versprochen worden ist, nicht gehalten hat.
Wurde die Grenze zu Ungarn nicht dicht gemacht, wie Innenminister Gerhard Karner immer wieder sagt?
Wenn alles dicht wäre, hätten wir in den vergangenen Jahren nicht so viele Flüchtlinge gehabt. Jetzt gerade ist es vielleicht ein bisschen weniger. Aber die Aufgriffe des vergangenen Jahres etwa, die fallen nicht an der burgenländischen Grenze vom Himmel sondern zeigen, dass die Balkanroute eben nicht geschlossen ist.
Aber zurück zum Familiennachzug?
Ja, da gibt es auf der einen Seite den Bundeskanzler, der jetzt plötzlich die DNA-Tests verstärken will. Das ist der eine Pol. Der andere ist ein Wiener Stadtrat, der symbolisch dafür gestanden ist und noch immer für ungebremsten Zuzug steht. Man könnte fast sagen, das ist die Repräsentanz der Willkommenskultur. Der sagt jetzt auch plötzlich, er fordert DNA-Tests. Das ist für mich das Lustige an dieser Situation. Beide Seiten fordern jetzt das Gleiche, weil keiner mehr weiß, wie es weitergehen soll.
Es ist wegen des Nachzugs aber auch eine sehr schwierige Situation.
Natürlich haben wir eine angespannte Situation. Aber ein kleiner Bürgermeister am Land, der im Verhältnis – natürlich kann man es mit Wien nicht direkt vergleichen – genauso einen Zuzug bewältigen muss, wo wir teilweise auch 20 bis 30 Prozent an Bevölkerungszuwachs haben, muss sich damit auseinandersetzen. Mit der Frage, wie er seine Infrastruktur bewältigt, die er dazu benötigt. Vom Kindergartenbau bis zur Schule und den Arbeitsplätzen. Es ist im Kleinen eine Herausforderung wie im Großen. Aber im Verhältnis der Möglichkeiten und der Mittel, die einem zur Verfügung stehen, ist es immer die gleiche Herausforderung.
Das heißt, Wien muss das allein bewältigen können?
Ich kann nicht auf der einen Seite sagen, es sind uns alle willkommen, weil wir sind so weltoffen und liberal, und wenn es sich nicht mehr ausgeht – und das ist jetzt der Fall –, sollen die anderen eine Infrastruktur aufbauen, um Wien zu helfen.
Wien fordert ja eine Residenzpflicht, damit Asylwerber, wenn sie ihre Berechtigung erhalten haben, nicht sofort in die Bundeshauptstadt ziehen.
Es gibt gewisse Regeln, die wir uns gemeinsam auferlegt haben. Es gibt die Regeln bezüglich der Grundversorgung, die wir akzeptiert haben. Es gibt Regeln, die aus dem Finanzausgleich abgeleitet werden. Das ist der Gradmesser, an dem wir uns orientieren und ich werde davon nicht abweichen. Ich bin nicht bereit, darüber zu diskutieren, ob wir Kontingente von Flüchtlingen nach einem positiven Asylbescheid oder nach einem negativen Asylbescheid, wenn sie dennoch nicht abgeschoben werden können, über eine Residenzpflicht aufnehmen. Mit Sicherheit nicht.
Wegen der enormen Zuwanderung von Asylberechtigten in die Bundeshauptstadt Wien, fordert die Stadtregierung, dass eine sogenannte Residenzpflicht eingeführt wird. Demnach sollen Asylberechtigte für einige Jahre in jenem Bundesland bleiben müssen, in dem sie auch in der Grundversorgung gewesen sind. Von der Bundesregierung wird dieser Vorstoß abgelehnt. Verschärft wird das Problem durch den Familiennachzug, der das Wiener Schulsystem an seine Grenzen gebracht hat.
Ist das ein Teil der grundsätzlichen Spannungen mit Wien?
Ich verstehe ja auch, dass eine Stadt wie Wien zur Parkraumbewirtschaftung ein Parkpickerl einführt. Da will ich mich gar nicht einmischen. Aber der Effekt für die anderen Bundesländer wie das Burgenland ist, dass wir Hauptwohnsitzer verloren haben. Dass wir dadurch auch weniger Ertragsanteile für die Gemeinden erhalten, das wurde niemals ausgeglichen.
Und jetzt kommt auch noch die Zweitwohnsitzabgabe in Wien. Das wird das Burgenland wieder treffen.
Ich verstehe auch, dass über eine Zweitwohnsitzabgabe in Wien diskutiert wird. Der Effekt, dass wir dann wieder Hauptwohnsitzer verlieren werden, der wird aber gar nicht angesprochen. Im Gegenteil. Drei Tage, nachdem der Finanzausgleich unterschrieben war, wurde von Wien das Thema Zweitwohnsitzer auf den Tisch gelegt. Noch dazu ist der ländliche Raum im Osten Österreichs massiv benachteiligt, wenn es um die Ertragsanteile aus dem Steueraufkommen geht. Ich bin mittlerweile der Meinung, es ist nicht mehr gerecht, wie die Steuermittel verteilt werden. Wir werden uns das genau anschauen und ich bin nicht mehr bereit, irgendwelche Belastungen darüber hinaus in Zukunft zu übernehmen.
Mit anderen Worten: Sie finden es nicht gerecht, dass jetzt die Länder die Probleme von Wien lösen sollen?
Wenn wir einen Zuzug an Asylberechtigten hätten, muss ich mir mit den Gemeinden ausmachen, wie wir das lösen. Ich kann nicht wie Wien etwas bis zum Anschlag ausreizen und dann sagen, Bundesländer helft uns. Das geht nicht. Dieses Problem ist nicht vom Himmel gefallen, das hätte man schon lange sehen müssen. Das Burgenland hat in der Frage der Migration immer eine konsequente Linie vertreten.
Und zur Zweitwohnsitzerabgabe in Wien, die kommen wird. Wie wird das Burgenland reagieren?
Wenn man glaubt, dass man burgenländische Nebenwohnsitzer über diese Abgabe besteuern will oder sie zu Wiener Hauptwohnsitzern zu machen, dann werden wir das – wenn es tatsächlich so umgesetzt wird wie geplant – nicht reaktionslos hinnehmen. Aber darüber steht eine grundsätzlichere Thematik: Die Ungleichbehandlung der Bundesländer bei der Verteilung von Ertragsanteilen, die historisch gewachsen ist, ist nicht mehr vertretbar. Dass ein Gemeindebürger in einem anderen Bundesland mehr wert ist als beispielsweise im Burgenland. Dass Gemeinden in anderen Bundesländern bis zu 400 Euro jährlich mehr für einen Hauptwohnsitznehmer bekommen als im Burgenland. Das werden wir beim Verfassungsgerichtshof bekämpfen. Informativ werde ich das bei der nächsten Landeshauptleutekonferenz bereits vorbringen.
Wird es auch eine Zweitwohnsitzerabgabe für Wiener im Burgenland geben?
Das ist derzeit kein Thema, weil wir diesen Konflikt nicht auf dem Rücken der Bevölkerung austragen wollen. Es gibt ja auch Burgenländer, die wegen des Parkpickerls in Wien jetzt nur mehr einen Zweitwohnsitz in ihrem Heimatbundesland haben, dem Burgenland aber noch immer sehr verbunden sind. Denen wollen wir ein gewisses Maß an Verlässlichkeit signalisieren.
Zur Bundes-SPÖ: Es hat zuletzt Veranstaltungen der Bundespartei gegeben, zu denen Sie nicht gekommen sind. Ist das eine bewusste Absenz?
Ich habe keine Bundesfunktion mehr, ich musste deshalb auch nirgendwo mehr gewählt werden.
Sie konzentrieren sich voll auf das Burgenland und die Landtagswahl 2025?
Genau.
Als Sie in die Politik gegangen sind, haben Sie eine Messlatte für Politiker definiert. Wenn man bei Umfragen und Wahlen nicht mehr reüssieren kann, dann muss man gehen. Gilt das noch?
Ich habe immer gesagt, dass man in der Politik Erfolg haben muss. Und dass ein Spitzenkandidat die Partei ziehen muss und nicht umgekehrt. Wenn also meine Werte hinter jene der Partei fallen würden, würde ich mich zurückziehen.
Die Latte ist also nicht, wieder die absolute Mehrheit im Jänner zu schaffen?
Mein Ziel ist es, die Partei als Spitzenkandidat zu ziehen und nicht ein Klotz am Bein zu sein. Grundsätzlich haben sich die Rahmenbedingungen ja geändert und mehrere Landeshauptleute haben zuletzt stark verloren. Außerdem war die absolute Mehrheit mit nur ein paar hundert Stimmen abgesichert. Aber natürlich ist es mein politisches Ziel, das Ergebnis vom letzten Mal zu halten. Ich habe keine Angst, dieses politische Ziel zu definieren, weil ich ganz genau weiß, was das bedeutet. Und ich bin sehr zuversichtlich, dass die Bevölkerung honoriert, was wir erreicht und was wir begonnen haben – in einer Koalition mit den Bürgern und mit einer Politik, die in den wichtigsten Bereichen neue Lösungen andenkt und angeht.
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