Aus meiner Sicht: ja. Die Bundesländer haben sich entschieden, das nur als Lippenbekenntnis abzutun. Landesrat Achleitner war der Erste, der erklärt hat, dass Oberösterreich sich nicht dazu verpflichten will.
Welches Ziel steht nun in der Bodenstrategie?
Beim Bodenverbrauch nichts Konkretes, es gibt keine quantitativen Ziele. Aus meiner Sicht ist das ein gravierender Rückschritt zu den Zielen. Österreich hat sich international zu Bodenschutzzielen bekannt, auch gegenüber der EU, etwa dass es bis 2050 netto gar keinen Bodenverbrauch geben darf. Und jetzt gibt man zu, dass das alles nicht so gemeint war. Ohne Ziele schwebt diese Bodenstrategie im luftleeren Raum.
Das 2,5 Hektar-Ziel ist für Sie das Wichtigste gewesen?
Ja, das war ja eigentlich auch ein politisch akkordiertes Ziel. Es wäre so ein wichtiges Signal, dass wir wirklich auf einem nachhaltigen Pfad sind. Ich habe selber vor einigen Jahren eine Studie gemacht, welche Auswirkungen der Bodenverbrauch unter unterschiedlichen Bebauungsszenarien bis 2050 hat. Wir haben für jede Gemeinde geschaut, was bei stark eingeschränktem, etwas eingeschränktem oder kaum eingeschränktem Bodenverbrauch passieren würde. Die Kernbotschaft der Studie war, dass man in Ballungsräumen und stark wachsenden Städten wie Wiener Neustadt noch in den 2040er-Jahren, also vor 2050, nichts mehr übrig haben wird zu verbauen, wenn es so weitergeht.
Dabei haben wir ein Netto-Null-Verbauungsziel bis 2050 ...
Genau, und selbst 2,5 Hektar am Tag heißt, dass eben 2,5 Hektar verbaut werden. Aus wissenschaftlicher Sicht ist ganz klar, dass es eine ganz starke Reduktion des nicht-nachhaltigen Flächenfraß braucht. Unser Boden ist ja eine endliche Ressource.
Was heißt eigentlich Bodenverbrauch?
Versiegelung ist das Begräbnis des Bodens unter Asphalt. Diese Böden sind dann tot, und nur mehr schwer wieder revitalisierbar, selbst wenn man diese wieder entsiegelt. Die sind dann meist dermaßen stark verdichtet und tot, und kaum mehr für etwas nutzbar, sicher nicht für Lebensmittelanbau.
Ein Argument gegen das 2,5 ha-Ziel ist, dass jeder Garten oder ein Fußballfeld als versiegelte Fläche gilt. Warum ist das so?
Da geht es um die Flächeninanspruchnahme, da fällt alles hinein an Baulandkategorien wie auch Rasenflächen. Generell ist es so, dass auch Bauland nicht zu 100 Prozent verbaut wird. Aber es zeigt sich, dass der Anteil der versiegelten Fläche am Bauland deutlich zugenommen hat. Auch wenn ich ein Fußballfeld mache, muss man das planieren und das Gebäude rundherum bauen. Es ist aber auch klar, dass etwa ein Fußballrasen keinerlei Mehrwert für die Biodiversität hat. Er mag besser sein als eine Asphaltfläche, aber man kann das sicher nicht mit einer artenreichen Blumenwiese vergleichen. Also für die Bodenökologie ist es besser als Asphalt, aber für die Biodiversität ist es wertlos.
Unsere Bodenstrategie verlängert jetzt eine ungebremste Bodenversiegelung?
Ja, das ist politisch ein Rückschritt, man verabschiedet sich da von konkreten, messbaren Zielen. Doch ohne Ziele steuere ich nirgendswo hin.
Die Länder sagen aber auch, dass in dem Dokument zur Bodenstrategie 44 konkrete Maßnahmen festgelegt werden, wie beurteilen Sie das?
Die Maßnahmen decken ein breites Spektrum ab, von Bildungsmaßnahmen in Schulen bis konkreten Umsetzungsmaßnahmen. Die sind sicher nicht schlecht oder falsch, aber entscheidend ist doch, wie wirksam sie sind. Wie verändern sie die Bodennutzung in Zukunft? Und da greifen sie viel zu kurz. Aber ja, es gibt auch viele positive Beispiele, etwa die effektivere Nutzung des Leerstandes, die Wiedernutzung von Brachflächen in Städten. In Südtirol gibt es etwa ein Verbot, Einkaufszentren außerhalb der Ortsgebiete zu errichten. Das sind konkrete Maßnahmen, aber davon steht leider wenig in der beschlossenen Bodenstrategie. Es gibt schon auch positive Beispiele aus den Bundesländern, in Tirol etwa müssen Parkplätze von Supermärkten unter oder über dem Geschäft gebaut werden, das reduziert den Bodenverbrauch schon einmal um die Hälfte.
Das ist immer auch ein Konflikt Wirtschaft gegen Naturschutz?
Es geht ja nicht darum, die wirtschaftliche Entwicklung abzuwürgen, sondern die wirtschaftliche Entwicklung in Einklang mit den notwendigen Zielen von Biodiversität, Klimaschutz und Raumordnung zu bringen. Das muss sich alles gemeinsam ausgehen.
In Brüssel könnte das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur doch noch kippen. Ist das ein großes Problem?
Ein Kippen dieses Gesetzes wäre eine Katastrophe – es wäre wohl der Todesstoß für den Green Deal der EU. Zum Schaden der Natur, aber auch der Bauern. Und letztlich für alle, denn ohne eine intakte Natur wird es immer schwieriger werden, Nahrungsmittel in Europa ausreichend zu erzeugen. In Österreich blockieren besonders die Bundesländer, während die Klimaministerin das Gesetz unterstützt. Ich hoffe sehr, dass sich Österreich noch zu einer Unterstützung dieses Gesetzes entschließt. Und das insgesamt das Gesetz dann die nötige Mehrheit auf EU-Ebene findet.
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