In Graz gehen die Uhren anders

Uhrturm auf dem Schlossberg in Graz
Warum am kommenden Sonntag die KPÖ einen Erfolg feiern könnte.

Am kommenden Sonntag wählt Graz einen neuen Gemeinderat. Wahlberechtigt ist eine neue Rekordzahl von 222.856 Personen – fast schon ein kleines Bundesland. Zum Vergleich: In ganz Vorarlberg gab es 2014 bei der Landtagswahl 267.104 Wahlberechtigte.

Graz wächst. Auf der Suche nach Jobs verlassen viele junge Steirer die strukturschwachen Randgebiete und ziehen in ihre Landeshauptstadt. Bei Frauen kommt oft das Motiv hinzu, dass sie dem immer noch patriarchal geprägten Landleben entfliehen. Sie suchen in der Stadt Unabhängigkeit und Selbstbestimmung, wie eine Studie der Universität für Bodenkultur heraus fand.

"Graz wird weiblicher und jünger", sagt auch Bernd Schönegger, ÖVP-Nationalratsabgeordneter und Geschäftsführer der Grazer ÖVP. Sein Parteichef, Siegfried Nagl, regiert Graz seit 2003. Und Nagl hat gute Chancen, bei der Wahl am Sonntag für weitere fünf Jahre bestätigt zu werden.

Nicht alle Parteien haben sich dem Strukturwandel in der Grazer Bevölkerung gleichermaßen angepasst. Als Graz noch als die Pensionistenstadt Österreichs galt, war sie eine Hochburg der SPÖ.

Doch das ist lange her, inzwischen taugt die SPÖ nicht einmal mehr als Mehrheitsbeschafferin für die ÖVP. Die Neuwahl am kommenden Sonntag wurde nötig, weil sich Nagl zuerst mit der FPÖ, dann mit den Kommunisten zerkracht hatte – und die SPÖ-Stimmen für den Beschluss eines neuen Stadtbudgets nicht reichten.

Der Niedergang der Grazer SPÖ ging einher mit anhaltenden Flügelkämpfen zwischen ideologischen Linken und altvaterischen (Gewerkschafts-)Funktionären. Der Konflikt bei den Grazer Roten ist den aktuellen Auseinandersetzungen in der SPÖ-Wien nicht unähnlich.

Während sich die SPÖ mit sich selbst beschäftigte, steckten andere Parteien das Terrain neu ab.

Die ÖVP stieg 2003 zur stärksten Stadtpartei auf. Ihr Erfolgsrezept liegt in der attraktiven Persönlichkeit des Bürgermeisters. Nagl ist gebildet und von enormer politischer Breite. Seine Politik oszilliert zwischen Law & Order, legerer Jugendlichkeit und Modernität, er verkörpert jene Vielfalt, für die die Grazer mit ihrem oft eigenwilligen Wahlverhalten bekannt sind.

Zum Lokal-Kolorit an der Mur gehört, dass die KPÖ eine fixe Größe in der Stadtpolitik ist. KPÖ-Chefin Elke Kahr leitet das Wohnressort, sie und ihre Mitstreiter kümmern sich um Bürgerbeschwerden und Alltagssorgen, und sie verteilen einen Großteil ihrer Polit-Bezüge an Bedürftige. Mit dieser Art von Kleine-Leute-Politik zieht die KPÖ Wähler an, die anderswo aus Politik-Frust der FPÖ die Stimme geben. Sozial Bedürftige wählen ebenso KPÖ wie Leute am anderen Ende des Einkommensspektrums, Bürgerliche, die etwas für Arme tun wollen. Diesmal könnte die KPÖ auch den Grünen zusetzen, indem sie aus Protest gegen ein neues Murkraftwerk Neuwahlen provozierte.

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