Justiz kann alle Anzeigen neu prüfen
In seinen rund 30 Jahren als Abgeordneter (mit kurzer Unterbrechung) konnte sich Pilz mehrmals vor Strafverfolgung schützen – etwa wegen übler Nachrede oder der Weitergabe von Informationen. Verliert Pilz sein Mandat, könnte die Staatsanwaltschaft den Faden wieder aufnehmen, etwa in der Causa Kampusch oder zum Missbrauch einer Polizeidatenbank.
Im Prinzip könnte die Justiz alle Anzeigen gegen ihn neu prüfen: die Immunität schiebt ein Verfahren nur auf. Während der Tätigkeit im Nationalrat kann nichts verjähren, bestätigt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien. Pilz meint dazu nur, er mache sich keine Sorgen: „Die Verfahren sind harmlos.“
Ganz straffrei ist nur, was Abgeordnete direkt im Plenum und in Ausschüssen sagen oder tun. Für Verbalattacken gibt es Ordnungsrufe, oder das Wort wird entzogen. Dann gibt es die „außerberufliche Immunität“. Darüber entscheidet der Immunitätsausschuss im Parlament und schließlich das Plenum (siehe Kasten unten).
Das Verfassungsgesetz hat sich seit Einführung der Immunität kaum verändert, sagt Parlamentarismus-Experte Werner Zögernitz – aber die gelebte Praxis: „In den 70er-Jahren hat ein Politiker nicht einmal einen Strafzettel bezahlen müssen. Ende der 90er-Jahre, in der Ära Jörg Haider, lieferte man häufiger aus. Mittlerweile wird der Schutz durch Immunität wieder ernster genommen.“
Acht Auslieferungen beantragt
In der laufenden Legislaturperiode hat die Staatsanwaltschaft acht Mal eine Auslieferung beantragt. Genehmigt wurde die Auslieferung etwa bei Kira Grünberg (ÖVP) wegen Geschenkannahme – sie stellte sich sogar selbst. Die Ermittlungen wurden aber kurz darauf eingestellt.
Aktuell wird gegen FPÖ-Mandatar Markus Tschank in der Ibiza-Affäre wegen möglicher illegaler Geldflüsse an parteinahe Vereine ermittelt. Er wurde vom Nationalrat ausgeliefert, weil man der Ansicht war, er habe mutmaßlich nicht als Mandatar gehandelt.
Geschützt wurde hingegen Neos-Mandatar Gerald Loacker, der digital seinen Wohnort fälschte, um Fehler in einer Behörden-App aufzudecken. Auch FPÖ-Mann Johann Gudenus genoss Immunität, als die Staatsanwaltschaft gegen ihn in der Causa Ali-Video (zu eCard-Missbrauch) wegen Verhetzung ermitteln wollte. Nach seinem Rücktritt ist er kein Abgeordneter mehr, jetzt kann die Justiz ermitteln.
Und das blüht nun auch Pilz, sollte er die nötigen vier Prozent für den Parlamentseinzug nicht erreichen.
Im Immunitätsausschuss werden am Donnerstag noch zwei Anträge behandelt: Die Staatsanwaltschaft will gegen Peter Pilz ermitteln, weil er im Justiz-Streit um die Causa Eurofighter Protokolle weitergegeben haben soll. Entschieden wird auch über die Auslieferung des früheren ÖVP-Mannes Efgani Dönmez wegen gefährlicher Drohung.
Die Grüne Sigrid Maurer hat übrigens keinen Immunitätsschutz, wenn ihr Verfahren wegen übler Nachrede in der Causa Bierwirt nach der Wahl fortgesetzt wird: Zum Zeitpunkt, als sie den Bierwirt wegen sexueller Belästigung anprangerte, war sie keine Abgeordnete. Zieht sie im Herbst wieder in den Nationalrat ein, könnte das Gericht der guten Form halber dennoch im Nationalrat anfragen.
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