Immo-Deals von Riedl und Nevrivy: "Unmoralisch, aber nicht strafbar"

Es ist einer der schlimmsten Vorwürfe, den man einem Politiker machen kann: Er bzw. sie missbraucht wissentlich das Amt, um sich persönlich zu bereichern.
In den vergangenen Tagen haben die Öffentlichkeit gleich zwei Fälle beschäftigt, bei denen dieser Eindruck entstehen konnte. Einmal in Grafenwörth, einmal in Wien. Beide Male ging es um Politiker, deren Immobiliengeschäfte zu enormen Wertsteigerungen geführt haben. Aber ist die Sache so simpel? Handelt es sich wirklich um Korruption?
Der KURIER hat die Causen Nevrivy und Riedl mit Korruptionsexperten besprochen und beantwortet die wichtigsten Fragen:
- Sind die bekannt gewordenen Umwidmungsgewinne Amtsmissbrauch?
Derzeit lautet die Antwort: Nein. Der Begriff „Amtsmissbrauch“ wird schnell verwendet – vielfach aber falsch. „Klassischer Amtsmissbrauch setzt die Absicht voraus, jemanden schädigen zu wollen“, sagt der frühere Chef der Antikorruptionsakademie Martin Kreutner. „Das ist in den bekannt gewordenen Causen nicht der Fall.“ Hubert Sickinger ist Politikwissenschafter und Experte für Parteienfinanzierung. Und auch er will keine strafrechtlichen Vorwürfe formulieren.
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Alfred Riedl.
„Wenn ein Bürgermeister oder Bezirksvorsteher weiß, dass Grundstücke dank bevorstehender Umwidmung im Wert steigen und sich zuvor günstig einkauft, handelt es sich um ein Insidergeschäft. Das Geschäft findet aber nicht an der Börse statt. Es ist unmoralisch, aber nicht strafbar.“ Das sehen auch die Juristen im Magistrat bzw. der Bezirkshauptmannschaft so: Sowohl in Breitenlee als auch in Grafenwörth gab es juristische Prüfungen: Formal ist Riedl und Nevrivy vorerst nichts vorzuhalten.
Es geht um Wälder, Wiesen und Baugründe, die „Wiener Zeitung“ berichtet von „Dutzenden“ auffallenden Geschäften, die Alfred Riedl gemacht haben soll. Der Präsident des Gemeindebundes und Bürgermeister von Grafenwörth muss sich den Vorwurf gefallen lassen, Grundstücke extrem günstig gekauft zu haben (z.B. 4.799 m² um 13 Cent/m², Anm.), die später dank Umwidmungen stark im Wert stiegen. Viele Liegenschaften verschenkte er an die Kinder, die Funktion im Gemeindebund ruht.
- Sollten Politikern Immo-Deals verboten werden?
Der Reflex liegt nahe, scheitert aber an der Praxis. „Man kann Amtsträgern nicht grundsätzlich verbieten, sich ein Haus oder einen Kleingarten zu kaufen“, sagt Ex-Staatsanwalt Georg Krakow. Abgesehen davon, dass dies mit dem Recht auf Eigentum kollidiert, würde es die Kommunalpolitik vor grundsätzliche Probleme stellen: Wer wird noch Gemeinde- oder Bezirksrat, wenn der Job ein Kaufverbot bedeutet?
- Muss also das Strafrecht verschärft werden?
„Der mittlerweile obligatorische Ruf nach einer Strafverschärfung ist nicht immer zielführend“, sagt Korruptionsexperte Kreutner. Was man sehr wohl tun könne und müsse sei, die Transparenz zu erhöhen. Das sieht auch Compliance-Experte Krakow so: „Man muss Interessenkonflikte definieren – und Verstöße dagegen scharf ahnden.“

Ernst Nevrivy.
- Welche Verbesserungen können sich die Experten konkret vorstellen?
Im Prinzip geht es darum, die „Anscheinsproblematik“ in den Griff zu bekommen. Damit erst gar nicht der Eindruck entsteht, ein Politiker würde es sich „richten“, empfehlen alle Experten mehr Transparenz. Krakow: „Im Idealfall sagt dann beispielsweise ein Bürgermeister: ,Ich enthalte mich der Entscheidung über die Umwidmung, weil ich da selbst etwas besitze und einen Interessenkonflikt habe’.“ Wichtig sei, dass in diesen Fällen klare Regeln existieren, wer anstatt des Befangenen die Entscheidung treffe bzw. an ihr mitwirke.“ Der frühere Staatsanwalt Gerhard Jarosch plädiert dafür, dass die Kommunalpolitik Anleihen an der Spitzenpolitik nimmt: „So wie Minister ihre Vermögensverhältnisse und mögliche Abhängigkeiten offenlegen, könnte man dies auch auf kommunaler Ebene tun.“
Der Donaustädter Bezirksvorsteher hat sich – ebenso wie drei Parteifreundinnen – in einen Breitenleer Kleingartenverein eingekauft. Durch eine spätere Umwidmung der Schrebergärten in Bauland hat sich der Wert verdoppelt. Nevrivy hat sich vergangene Woche in der Bezirksvertretung dazu geäußert. Ja, die Optik sei „nicht optimal“. Allerdings denke er nicht daran, sein Amt ruhend zu stellen oder zurückzutreten, denn: Er habe weder interveniert noch Einfluss auf die Umwidmung genommen.
Rechtlich wäre das im Beamtendienstrecht oder in Gemeindegesetzen möglich. Für den früheren Korruptionsfahnder Kreutner ist es ein wenig enttäuschend, dass es immer formale Regeln braucht. „In den konkreten Fällen ist die schiefe Optik mittlerweile ja unbestritten.“ In einer Zeit, in der Politik- und Politikerskepsis um sich greifen, seien Fälle wie in Grafenwörth oder Breitenlee schlichtweg „Gift für die Demokratie“.
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