IHS-Chef: "Möchte nicht in ihrer Haut stecken, Herr Bundeskanzler"

IHS-Chef: "Möchte nicht in ihrer Haut stecken, Herr Bundeskanzler"
Klimawandel, Inflation, Fachkräftemangel: Österreich steht vor einer Reihe an Herausforderungen. Bundeskanzler Nehammer fordert Optimismus.

Hohe Inflation, Fachkräftemangel und der Umstieg auf erneuerbare Energie sind die aktuellen Themen, die die österreichische Politik beschäftigen. Allerdings werden diese - aber auch weitere Themen - das Land auch über die nächsten Jahre hinaus beschäftigen, merkte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) im Rahmen des Bank Austria Forum 2023 zum Thema Quo Vadis Austria 2030 an. Aber die Probleme seien durchaus zu lösen - Österreich dafür gut gerüstet.

Durch die Herausforderungen könne es "zu einem Wohlstandsverlust kommen - die Aufgabe der Politik ist es, diesen zu vermeiden oder möglichst gering zu halten", sagte Holger Bonin, Chef des Instituts für höhere Studien (IHS) zuvor. "Ich möchte nicht in ihrer Haut stecken, Herr Bundeskanzler", so Bonin.

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Demografischer Wandel als Problem

Der demografische Wandel in Österreich sei, so wie der IHS-Chef zuvor ausgeführt hatte, tatsächlich ein Problem, merkte Nehammer an.

Schließlich würde bis 2050 die Zahl der Pensionistinnen und Pensionisten markant steigen. Das spiegle sich einerseits im Fachkräftemangel und andererseits bei den Pensionen wieder. "Wie ist das Problem entstanden? Vor etlichen Jahren, als es zu wenige Arbeitsplätze gab", so Nehammer, "Da hat man versucht, über Frühpensionen und Teilzeitarbeit aus einem Arbeitsplatz zwei zu machen". Und diese Maßnahmen würden sich noch heute auswirken.

200.000 offene Stellen

Das prognostizierte österreichische Bevölkerungswachstum sei vor allem auf Migration zurückzuführen, erklärte Bonin. Allerdings müsse darauf geachtet werden, die entsprechenden Migranten für Österreich zu gewinnen, so der Wirtschaftsforscher. Doch für viele jener Migranten, die Österreich benötige, sei das Land nicht unbedingt die erste Wahl. Dem widersprach Nehammer: Es gebe genügend Beispiele, etwa bei Osram und Infineon. Osram würde Mitarbeiter aus 40 Nationen beschäftigen, Infineon aus 72 Nationen. Problematischer wäre es mit Stellen, die eine österreichische Staatsbürgerschaft verlangen, etwa bei Polizei, Gericht oder Teilen der Verwaltung.

Mittlerweile gebe es hierzulande 200.000 offene Stellen und es sei gelungen, die Zahl der Altersarbeitslosen um die Hälfte zu reduzieren, sagte Nehammer. Und junge Arbeitsuchende hätten heutzutage viel mehr Chancen, den passenden Beruf zu ergreifen.

Inflation: Möglichkeiten für Regierung beschränkt

Der Wandel vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt führe jedoch zu einem Problem: "Der Arbeitnehmermarkt ist Inflationstreibend. Denn Arbeitnehmer können es sich aussuchen, wo sie arbeiten wollen, wer mehr bezahlt." Und die Möglichkeiten der Regierung, die Inflation zu reduzieren, seien beschränkt: "Wir haben uns zu Maßnahmen entschlossen, um die Inflation in kleinen Schritten zu reduzieren. Etwa durch Druck auf den Energiemarkt", merkte Nehammer an.

Aber auch der Tourismus, der sich spürbar erholt habe, heize durch die höhere Gewichtung die Inflation stärker an, als in anderen Ländern. Der Spielraum bei der Senkung der Inflation sei innerhalb des Euro-Raumes jedoch begrenzt.

Exportland Österreich

Österreich müsse sich seiner Bedeutung als Exportland bewusst werden. "In Afrika kommt man immer mehr auf europäische Unternehmen zurück, da die Produkte im Vergleich zu solchen aus Asien oft langlebiger sind und auf Dauer günstiger kommen", so das Resümee des Kanzlers.

Auf Dauer könne Österreich mit Innovationen glänzen. Um diese zu fördern, solle es weniger Regulierung geben. Aber auch die Produktion dürfe nicht vernachlässigt werden. Die von Bonin prognostizierte Abwanderung der energieintensiven Industrie sehe er kritisch. Schließlich würden sich daraus neue Abhängigkeiten ergeben.

Erneut äußerte Nehammer seine Kritik am Verbot der Verbrennungsmotoren. Schließlich hängen, so der Kanzler, rund 300.000 Arbeitsplätze an der Kfz-Industrie. "Und Europa ist der einzige Kontinent mit einem derartigen Verbot".

Ein Beschluss der EU sieht vor, dass ab 2035 keine mit fossilem Diesel oder Benzin betankten Pkw mehr neu zugelassen werden. Eine Ausnahme vom Verbrenner-Verbot soll es für E-Fuels geben. Auch vor 2035 zugelassene Autos dürfen weiterhin Benzin oder Diesel tanken. Weiters warnte der Kanzler vor überzogenen Erwartungen: Internationale Prognosen gingen davon aus, dass der Erdöl-Verbrauch bis 2030 weiter ansteige.

"Es muss nicht heißen: `Wohin gehst Du Österreich ́, sondern `Wohin gehen wir ́", merkte der Bundeskanzler an. "Wir müssen viel optimistischer werden", denn Angstmacherei sei nur politisches Kalkül.

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