Der VP-NÖ-Geschäftsführer Matthias Zauner hat gemeint, es sei „nun aber einmal wissenschaftlich belegt, dass sich unter Zuwanderern aus muslimisch geprägten Ländern besonders viele Holocaust-Verharmloser befinden und muslimische Jugendgruppen eine problematische Einstellung zu unseren westlichen Werten haben“. Ist das völlig falsch?
Ich bin dazu da, um Dinge, die religiös begründet sind, richtig zu stellen. Was Sie hier zitieren, ist nicht religiös begründet. Wir legen seit Jahren auf Aufklärungsarbeit wert, auf die Fortbildung unserer Imame und Religionslehrer. Wir arbeiten zum Teil auch mit der IKG zusammen – etwa die gemeinsame Reise nach Auschwitz im letzten Mai, die sehr beeindruckend war.
Aber wenn das stimmt, was Zauner sagt, dann hätte das schon etwas mit Religion zu tun …
Nein, da geht es um die Migrationsbiographie – das sind Menschen, die in einem sozialen Umfeld leben, wo Dinge begrifflich vermischt werden und historisch anders eingestuft werden. Ich leugne nicht, dass es problematische Einstellungen gibt und dass man sich dessen annehmen muss.
Aber glauben Sie, dass diese problematischen Einstellungen unter Muslimen verhältnismäßig häufiger vorkommen als bei anderen Bevölkerungsgruppen?
Dazu habe ich keine wissenschaftliche Expertise. Aber meine feste Überzeugung ist: es braucht Aufklärung – gerade auch in den Schulen, Gespräche, Begegnungen. Klar ist: Antisemitismus, Judenfeindlichkeit kann nicht religiös begründet sein – viele Gemeinsamkeiten verbinden unsere beiden Religionen.
Sie haben in Ihrer Replik auf Mikl-Leitner auch auf deren Koalitionspartner, die FPÖ, verwiesen und vom Bündnis mit einer Partei gesprochen, „die in der Vergangenheit mehrfach durch antisemitische Äußerungen und Handlungen aufgefallen ist“. Ist das sinnvoll, verschiedene Arten von Antisemitismus gegeneinander aufzurechnen?
Nein, überhaupt nicht. Es ging mir nur darum, dass sich jeder seiner Arbeit widmen soll. Wir kommen unserer als Religionsgemeinschaft nach und betonen, dass Antisemitismus nicht mit Religion vereinbar ist. Was aber Integration betrifft, hat die Politik alle Möglichkeiten, hier entsprechende Maßnahmen zu setzen.
Hat sich das Leben für Muslime in Österreich seit dem 7. Oktober geändert?
Das Leben aller Menschen hat sich geändert, vor allem das unserer jüdischen Mitbürger, bei denen dunkle Erinnerungen wachgerufen werden. Wovor ich aber auch warnen möchte, ist, dass die notwendige, berechtigte Bekämpfung von Antisemitismus zur Stigmatisierung anderer Minderheiten führt. Leider nämlich ist es zu einem Anstieg von antimuslimischem Rassismus gekommen. Da möchten wir alle Beteiligten aufrufen: Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der aktuelle Konflikt negativ auf unser Zusammenleben in Österreich auswirkt.
Sie haben von Aufklärungsarbeit gesprochen: Würde dazu nicht auch gehören, Terrororganisationen wie die Hamas als solche zu benennen. Der Botschafter Palästinas in Österreich konnte sich dazu nicht durchringen. Ist die Hamas für Sie eine Terrororganisation?
Ich finde sehr bemerkenswert, dass Sie es überhaupt für notwendig erachten, mir diese Frage zu stellen. Wir leben im selben Land, sind Teil der Gesellschaft. Die EU und Österreich haben die Hamas auf die Liste der Terrororganisationen gesetzt – und wir sind doch gut beraten, diesen Einschätzungen zu folgen. Abgesehen davon ist es doch völlig egal, ob dieser Angriff von einer Terrororganisation erfolgte oder von wem immer – er ist ganz klar zu verurteilen. Wir dürfen auch nicht das Leid der Israelis und der Palästinenser gegeneinander aufrechnen, das Leid der Menschen verbindet uns. Als Religionsgemeinschaften müssen wir dafür eintreten, dass dort eine Perspektive der Hoffnung im Rahmen des Völkerrechts geschaffen wird.
Auch jenseits von Krieg und Terror haben viele Menschen in Österreich und anderen europäischen Ländern Sorge vor einer zunehmenden Dominanz des Islams, Stichwort „Islamisierung“. Was sagen Sie diesen Menschen?
Das zeigt mir, dass es an Begegnungen fehlt, dass wir einander zu wenig kennen, dass wir übereinander sprechen, nicht miteinander. Wenn Sie die Geschichte Österreichs ansehen, dann haben wir eine lange Geschichte der Anerkennung des Islams. Wir haben ein Modell, in dem Staat und Religionen gut zusammenarbeiten. Wir leben in einem Rechtsstaat. Da gibt es klare Spielregeln, an die wir uns zu halten haben. Solange das alle tun, sehe ich überhaupt kein Problem. Wenn Menschen sich nicht an diese Regeln halten, wie etwa bei Demonstrationen, bei denen Gewalt verherrlicht wird, dann greift der Rechtsstaat ein.
Die IGGÖ gilt manchen auch als das „freundliche Gesicht“ des Islams – Angst und Sorge gibt es aber bezüglich islamischer Milieus abseits der öffentlichen Sichtbarkeit, Stichwort „Hinterhofmoscheen“ …
Ich kann nur für jene Einrichtungen sprechen, die zur IGGÖ gehören. Die anderen werden ihre Gründe haben, warum sie nicht bei uns sind. Vielleicht teilen Sie unser Verständnis des Islams, unsere Vorstellung von Zusammenleben nicht – ich weiß es nicht. Jedenfalls sind hier die Sicherheitsbehörden aufgefordert, entsprechende Arbeit zu leisten, damit diese Milieus zu keiner Gefahr für die Gesellschaft werden. Und hier ist auch die Frage zu stellen, wie es zu allfälligen Radikalisierungen überhaupt kommen kann – da ist Expertise gefragt.
Für wie viele Prozent der in Österreich lebenden Muslime können Sie sprechen?
Laut Statistik Austria sind es – Stand 2021 – 545.000 Musliminnen und Muslime von insgesamt etwa 750.000, also gut zwei Drittel.
Es gibt seit 2020 die Dokumentationsstelle Politischer Islam. Die IGGÖ hat sich damals sehr kritisch zu dieser Einrichtung geäußert. Haben Sie sich mittlerweile damit angefreundet, oder sehen Sie Ihre ursprüngliche Ablehnung bestätigt?
Die IGGÖ lehnt die Dokumentationsstelle weiterhin ab. Das beginnt schon bei der Bezeichnung: der ist unpassend, ich darf da auf den verstorbenen Erhard Busek verweisen, der bei einer Fachtagung den Begriff „politischer Islam“ als „schwammig“ bezeichnet und empfohlen hat, ihn zu vermeiden. Darüber hinaus kritisieren wir die Fokussierung auf eine bestimmte Art des Extremismus, während im Regierungsprogramm ja alle Formen des Extremismus gleichermaßen unter Beobachtung gestellt werden sollten. Wir haben aber mit unseren Ansprechpartnern, der Kultusministerin, dem Kultusamt, den entsprechenden Stellen auf Landes- und kommunaler Ebene einen guten und wertschätzenden Austausch.
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