Das Video mit Straches zahlreichen vollmundigen Aussagen wie „Novomatic zahlt alle“ oder seine Schilderung, wie versteckte Parteienfinanzierung in Österreich funktioniere, hat eine ganze Reihe an Ermittlungen und Hausdurchsuchungen nach sich gezogen.
Sogenannte Zufallsfunde auf den Handys von Thomas Schmid, Siegfried Wolf & Co. lösten eine Lawine an strafrechtlichen Folgen aus: Allein im Casinos-Akt wurden rund 90 natürliche und juristische Personen auf einen Anfangsverdacht überprüft. Viele davon wanderten in den Beschuldigtenstatus, nicht wenige Ermittlungen wurden aber auch wieder eingestellt.
Auch der damalige ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz, der 24 Stunden nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos die Koalition mit der FPÖ beendete, kam ins Visier der Justiz. 30 Monate nach dem Koalitionsende war Kurz dort angelangt, wo auch Strache ist: Beschuldigter im Casinos-Akt, Ex-Kanzler, Ex-Parteichef, Jungvater – allerdings hat Kurz beruflich durch sein weltweites Netzwerk weit bessere Karten.
Heinz-Christian Straches patschertes Leben
Anfang Juni nimmt er wieder Platz auf der ungemütlichen Anklagebank. Heinz-Christian Strache ist neuerlich wegen Bestechlichkeit angeklagt. Diesmal geht es um die Causa rund um den Unternehmer Siegfried Stieglitz. Er soll den damaligen Vizekanzler bestochen haben, um in den Aufsichtsrat der Asfinag und eines weiteren staatsnahen Unternehmens zu gelangen. Konkret geht es um eine Spende an einen FPÖ-nahen Verein über 10.000 Euro und eine angebotene Reise nach Dubai. Strache will die Vorwürfe vor Gericht entkräften.
Im Sommer 2021 wurde der Ex-Vizekanzler wegen Bestechlichkeit zu 15 Monaten bedingter Haft im Prozess um den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (Prikraf) verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
SpendenaufrufeDie zahlreichen Ermittlungen gegen Strache haben den einstigen Sonnyboy der Blauen zu einer fast tragischen Figur gemacht. Straches Erspartes wurde von der Justiz beschlagnahmt. Auf Facebook und über seinen neuen Youtube-Kanal startete der ehemalige Freiheitliche Spendenaufrufe, damit er die Rechtsanwaltskosten finanzieren könne.
Was Strache nun beruflich macht, will der Ex-Vizekanzler nicht verraten, denn sobald er einen Hinweis gibt, werde jedes Projekt von ihm „torpediert“. Auch die Gerüchte über die Trennung von seiner Ehefrau Philippa (sie sitzt als wilde Abgeordnete im Parlament) will Strache nicht kommentieren.
Johann Gudenus, Berater für den osteuropäischen Raum
Neues Leben aufbauen. Man hätte es Johann Gudenus nicht zugetraut, aber er hat im Abgang mehr Stil als Strache bewiesen. 24 Stunden nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos im Mai 2019 legte der ehemalige blaue Scharfmacher seine Parteimitgliedschaft und seine Funktion als FPÖ-Klubobmann zurück. Gudenus zog sich ins Privatleben zurück – seine Frau war im Mai 2019 gerade schwanger. „Ich musste damals schauen, dass ich meine Familie stabilisiere.“
Das scheint ihm gelungen zu sein. Anklage gibt es bis jetzt keine gegen ihn. In einem Wiener Italo-Restaurant ist er Stammgast. „Die Zeit der Politik ist für mich vorbei, aber ich bleibe ein politischer Mensch“, so Gudenus gegenüber dem KURIER. Politische Debatten beschränken sich nun auf „Stammtischdiskussionen“ beim Edelitaliener.
Beruflich bezeichnet sich der Ex-FPÖ-Klubobmann als EPU – steht für Ein-Personen-Unternehmen. „Ich begleite Projekte zu Investoren oder Investoren zu Projekten“, umschreibt Gudenus sein neues Business. „Most Connectiv Solutions“ nennt er seine Firma. „Das Wort Most steht im Slawischen für Brücke“, erklärt Gudenus das Wortspiel im Firmennamen.
Investoren zu Projekten bringen – das wollte er damals im Sommer 2017 auch. Das Endergebnis war das Ibiza-Video. Vertrauen ihm überhaupt Investoren? „Ich bin auch skeptischer geworden und arbeite nur mit Vertrauten zusammen. Und 2017 wurde ich bewusst getäuscht.“
Julian Hessenthaler, Ende des Jahres in Freiheit?
Nach sieben Verhandlungstagen war Julian Hessenthaler, Drahtzieher des Ibiza-Videos, sprachlos. Der 41-Jährige wurde im Landesgericht St. Pölten wegen Kokainhandels (es geht um 1,25 Kilo) und Urkundendelikten zu 3,5 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt – nicht rechtskräftig. Das war Ende März.
Mittlerweile hat sein Verteidiger Oliver Scherbaum die Nichtigkeitsbeschwerde fertig ausgearbeitet und beim Obersten Gerichtshof eingebracht. Auf 48 Seiten hat Scherbaum dokumentiert, wie „untragbar die Beweiswürdigung des Richters beim Prozess“ war. Zahlreiche Zeugen hätten einander widersprochen. „Genau diese Widersprüche wertet der Richter aber als glaubwürdig“, kritisiert Scherbaum.
Ende 2022 aus der Haft entlassen?Nun heißt es warten für den Detektiv, der gemeinsam mit der vermeintlichen Oligarchen-Nichte Strache und Gudenus im Sommer 2017 in Ibiza aufs Glatteis führte. Seit rund 18 Monaten sitzt er in U-Haft. Hessenthaler selbst betont vor Gericht und in zahlreichen Interviews, dass er kein Dealer sei, sondern das Opfer eines Novomatic-Lobbyisten, der Zeugen dafür bezahlt habe, ihn falsch zu belasten.
Egal, wie die OGH-Richter entscheiden – Ende des Jahres ist Hessenthaler wahrscheinlich in Freiheit. Entweder weil der OGH sein Urteil aufgehoben hat. Oder: tut der OGH das nicht, kann Hessenthaler zu diesem Zeitpunkt bereits einen Antrag auf vorzeitige Entlassung stellen.
Oligarchen-Nichte, von der keiner weiß, wo sie lebt
Keiner weiß, wo der Lockvogel lebt. Julian Hessenthaler wird ihre Identität niemals verraten. Johann Gudenus weiß nur, dass sie fließend Russisch spricht, aber selbst er kennt die Nationalität der vermeintlichen Oligarchen-Nichte Aljona Makarowa nicht. „Man weiß nicht, woher sie kommt, ob vom Balkan oder dem Baltikum“, so Gudenus.
Die Fahndung nach dem Lockvogel wurde im November 2020 von der Staatsanwaltschaft Wien eingestellt. „Ich habe nie etwas gehört oder Informationen bekommen, wo sie sich aufhalten könnte“, sagt Gudenus. Ihr Verbleib erscheint fast mysteriös.
Irena Markovic, die Maklerin, die mit Provisionen getäuscht wurde
Es würde eine millionenschwere Provision für sie herausspringen, dachte sie. Stattdessen wurde sie, Irena Markovic, getäuscht und benutzt, um den Kontakt zwischen der Oligarchen-Nichte und Gudenus herzustellen. Irena Markovic, Ex-Society-Eventmanagerin und Immobilienmaklerin, erhielt einen Anruf von Anwalt M. Er habe eine russische Bekannte, die für 300 Millionen Euro das Grundstück der Familie Gudenus im Waldviertel kaufen und investieren wolle. Markovic roch ein profitables Geschäft und arrangierte die Treffen.
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