Fünf Jahre Ibiza-Video: "Haben Auswirkungen auf die ÖVP unterschätzt"
Exakt fünf Jahre ist die Veröffentlichung des berüchtigten Ibiza-Videos mit den FPÖ-Granden Heinz Christian Strache und Johann Gudenus in den Hauptrollen her. Mit weitreichenden Folgen: Die damalige ÖVP-FPÖ-Regierung zerbrach, es kam zu Neuwahlen, und Ermittlungen zur Causa beschäftigen bis heute die Justiz.
Die Parteien bewerten die Ereignisse im Rückspiegel unterschiedlich. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker nutzt den Jahrestag für eine Generalabrechnung mit der FPÖ, mit der man damals in Regierung war, aber auch mit der SPÖ.
„Die FPÖ ist die alte geblieben“, lautet sein Befund. Gegen alle blauen Spitzenkandidaten der kommenden Wahlen auf Bundes-, EU- und Landesebene – Herbert Kickl, Harald Vilimsky und Mario Kunasek – würden Ermittlungen zu diversen Causen laufen. „Das ist das Alleinstellungsmerkmal der FPÖ.“
Stocker wirft konkret Kickl vor, stets das System anzugreifen, selbst aber seit seinem Studienabbruch ausschließlich von öffentlichen Geldern gelebt zu haben.
ÖVP spielt erneut Silberstein-Karte
Doch auch die SPÖ sei mitverantwortlich, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik verloren gegangen sei. Als jüngstes Beispiel führt Stocker die Website „Ibiza2“ der Jungen Generation der SPÖ Wien an, auf der man über die diversen Korruptionsfälle der Vergangenheit abstimmen kann. „Diese 2.0-Silberstein-Methoden müssen beendet werden“, so Stocker.
Zuletzt waren es freilich vor allem ÖVP-Politiker, gegen die in Folge von Ibiza ermittelt wurden. Bis hinauf zu Ex-Kanzler Sebastian Kurz, der im Februar erstinstanzlich wegen Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss verurteilt wurde. „Es ist richtig, dass 'Ibiza' auf die Volkspartei mehr Auswirkung gehabt hat, als wir vor fünf Jahren vermutet hätten", sagt Stocker. Er räumt ein, dass es der FPÖ gelungen sei, davon abzulenken, dass es ihre Politiker waren, die in Ibiza waren. „Auch mit Unterstützung der anderen Parteien, inklusive der Grünen – nach dem Motto Kurz muss weg“, wie Stocker betont.
Viel zu lange sei damit auch etwa die Affäre rund um den BVT-Beamten Egisto Ott und seine Kontakte zur FPÖ „im Schatten geblieben“.
"Bis zum Hals im Korruptionssumpf"
Bei der SPÖ hat man naturgemäß eine andere Lesart der Ereignisse: „Die Veröffentlichung des Ibiza-Videos und die nachfolgende politische und juristische Aufarbeitung des Skandals hatten weitreichende Folgen und haben gezeigt, dass nicht nur die FPÖ, sondern auch die ÖVP bis zum Hals im Korruptionssumpf steckt“, sagt Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim. „Anbiederungen an Superreiche und Großspender, systematischer Machtmissbrauch, Postenschacher, Einflussnahme auf Ermittlungen und Steuergeldmissbrauch wurden im Ibiza-Untersuchungsausschuss schwarz auf weiß belegt.“
Neos desillusioniert
„Wir sind immer noch meilenweit von sauberer Politik entfernt“, sagt der stellvertretende Neos-Klubobmann Niki Scherak. „,Ibiza„ hätte ein Weckruf sein müssen - stattdessen bleibt es eine Handlungsanleitung, wie man den Rechtsstaat ignoriert und Korruption Tür und Tor öffnet. ,Ibiza„ ist heute noch genauso möglich wie damals. Das viel gepriesene Antikorruptionsstrafrecht ändert nichts daran.
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