Hofburg-Bewerber Wallentin: "Die FPÖ hat viele Ideen von mir übernommen"
KURIER: Ich nehme an, Sie haben am Montagabend das Sommergespräch mit FPÖ-Chef Herbert Kickl gesehen. Gibt es einen Punkt, wo Sie sagen: da bin ich komplett anderer Meinung?
Tassilo Wallentin: Zum Beispiel die Sache mit dem Fracking (umstrittene Methode der Gasgewinnung; Anm.). Ich finde, dass es überhaupt keine Option ist, das in Österreich durchzuführen – diese Tür sollten wir nicht öffnen.
Abgesehen davon. Warum soll ein Wähler bei Ihnen und nicht bei FP-Kandidat Walter Rosenkranz sein Kreuz machen?
Ich kann mit starrer Parteiideologie nichts anfangen, ich habe mich auch nie irgendwo einordnen lassen. Wenn man meine Kolumnen in der Kronenzeitung liest, dann wird man auch vieles – etwa zum Umweltschutz – finden, was auch von einem Grünen kommen könnte. Und ich glaube, dass es gerade für das Amt des Bundespräsidenten wichtig ist, dass es jemand ausübt, der nicht aus dem etablierten Politikbetrieb kommt.
Sehen Sie sich also gleichsam äquidistant zu allen Parteien?
Ich bin weder links noch rechts, sondern vorne – es gibt meiner Meinung nach nur Vernünftiges und Unvernünftiges …
… das sagen freilich alle, auch Linke, die sich gegen die Etikettierung „links“ wehren …
Aber bei mir ist das eben keine Phrase. Nehmen Sie etwa das Migrationschaos: Wir haben heuer vermutlich 70.000 bis 80.000 Asylanträge; wenn man frühere Berechnungen heranzieht, dann könnte das bis zu 1,2 Milliarden Euro an Kosten bedeuten. Wenn man eine Erbschaftssteuer einführen würde, dann würde das vielleicht eine halbe Milliarde bringen. Da sieht man, was in diesem Land falsch läuft. Die Asylgesetze wurden ja ursprünglich geschaffen, um einzelnen konkret verfolgten Menschen aus Nachbarländern Schutz zu geben – aber nicht, um ein weltweites Einwanderungssystem zu etablieren.
Das ist aber doch eine klassisch „rechte“ Position – warum sagen Sie dann nicht: Ich bin ein Kandidat für bürgerliche, rechtsliberale, liberalkonservative Wähler?
Ich kann mit den Begriffen immer weniger anfangen: warum es links ist, für Gendern und offene Grenzen zu sein, und warum es rechts ist, wenn man für Sicherheit und Ordnung eintritt. Da geht es um Probleme, die gelöst gehören, und nicht um Ideologie. Oder das Wegbrechen des Mittelstandes: das kann doch weder einem Sozial- noch einem Christdemokraten egal sein!
Ich versuche es noch einmal: Gibt es zwischen Ihnen und der FPÖ gravierende Differenzen?
Die FPÖ hat in vielen Fragen auch Ideen von mir übernommen. Die Kritik an der EZB-Politik etwa kam zunächst von mir. Und ansonsten, wie gesagt, ist auch die FPÖ Teil des etablierten Betriebs, wie man etwa bei ihrer Regierungsbeteiligung gesehen hat.
War die schlecht?
Also etwa in der Asylgesetzgebung – da konnte ich überhaupt keinen großen Wurf entdecken. Ich bekam damals einen Anruf von einem hohen Freiheitlichen, der mir gesagt hat, sie müssten da jetzt ein Konzept ausarbeiten. Da war ich einigermaßen entsetzt, weil ich mir gedacht habe, das müsste es doch längst geben … Und auch manche Asylrichter haben mir seinerzeit gesagt, dass sich nicht wirklich etwas geändert hat.
Apropos EZB: Aufgrund Ihrer Krone-Kolumnen gelten Sie als EU-Gegner. Sind Sie für einen Austritt aus der EU, sollen wir den Briten folgen?
Ich habe den Brexit extrem bedauert. Die Briten sind Erzliberale, waren somit in der EU ein Gegengewicht zu Frankreich oder Merkel-Deutschland. Es sind mit dem Abgang der Briten auch die Mehrheitsverhältnisse gekippt – das Gewicht der Krisenländer ist gestiegen, und das ist schlecht.
Sollen wir in der EU bleiben?
Mir ist bewusst, dass wir ein vereintes Europa zur Friedenssicherung brauchen, es braucht einen gemeinsamen Markt, eine Freihandelszone. Die Frage ist, ob die Entwicklung in die jetzige Richtung weitergehen muss – in Richtung von immer mehr Zentralisierung. Ob die Eurorettungspolitik richtig war bzw. ist – der Euro ist zu einer Umverteilungsmaschine geworden. Da ist vieles passiert, was eigentlich den EU-Regeln widerspricht. Die EZB hat schließlich selbst Fiskalpolitik betrieben, was ich für ausgeschlossen gehalten habe. Defizitsünder werden nicht mehr bestraft, die Konvergenzkriterien werden nicht mehr eingehalten. Der früheren Kommissionspräsident Juncker hat das einmal in einem Interview auch freimütig eingestanden, dass man Länder wie Frankreich nicht einfach bestrafen könne. Gegen all das würde ich mir eine starke österreichische Stimme wünschen.
Aber innerhalb der EU?
Ja, innerhalb der EU.
Wie sollen wir es mit den Russland-Sanktionen halten? „Kommando zurück“, wie Herbert Kickl gefordert hat?
Die Frage ist sehr komplex. Friedenspolitik ist Realpolitik: Man muss sich an einen Tisch setzen. Wir kommen in eine veritable Energiekrise hinein, die uns im Extremfall in ein vorindustrielles Zeitalter katapultieren könnte. Und eine Ausweitung des Krieges muss auf jeden Fall vermieden werden.
Das heißt, raus aus den Sanktionen?
Ich halte die Sanktionen insofern für verfehlt, weil sie nichts gebracht haben – Putin sitzt fest im Sattel. Dann muss ich aber doch über einen Plan B nachdenken – das aber wird mit jedem Tag schwieriger.
Sie haben bei den Schulbrüdern maturiert – wie stehen Sie zur katholischen Kirche?
Die Kirche ist natürlich ein wichtiger Gesprächspartner. Sie war für Österreich und Europa kulturstiftend. Der biblische Satz „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“ hat programmatisch die Trennung von Staat und Kirche vorgesehen – und damit ist, wie Papst Benedikt einmal gesagt hat, Aufklärung zur Religion geworden. Letztlich sind das – Christentum, Humanismus, Aufklärung – die Fundamente unserer Gesellschaft. Das soll man nicht kleinreden. Hier stößt auch die Demokratie an ihre Grenzen, denn sie kann keine Werte schaffen, sondern sie lebt von Werten, die bereits vorhanden sind.
Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie die erforderlichen 6.000 Unterstützungserklärungen schaffen?
Das ganze System ist darauf angelegt, dass es ein Unabhängiger kaum schaffen kann. Auf den Ämtern werden den Leuten zum Teil falsche Informationen gegeben. Ich habe also durchaus die Vermutung, dass da Hunderte Unterstützungserklärungen verschwinden oder verloren gehen. Dennoch ist die Zustimmung der Menschen überwältigend – es läutet permanent an der Tür, die Leute bringen persönlich die Erklärungen vorbei; ein Zehnjähriger hat mir sein Taschengeld geschickt …
Wenn Sie es auf den Stimmzettel schaffen, rechnen Sie dann mit einer Stichwahl?
Ich glaube überhaupt nicht, dass das Rennen schon gelaufen ist. Ich halte einen zweiten Wahlgang für möglich – sonst würde ich auch nicht versuchen anzutreten.
Aber Sie rechnen nicht, dass Sie derjenige sind, der in die Stichwahl kommt …
Doch.
Sie können sich vorstellen, dass Sie vor Walter Rosenkranz liegen?
Ja.
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