Minister Rauch: "Dann führen wir die Maske wieder ein"
Johannes Rauch ist gerade in den Zug gestiegen – man hört im Hintergrund das Piepen der sich schließenden Türen. Der Gesundheitsminister ist auf dem Weg nach Vorarlberg, seiner Heimat, als er mit dem KURIER über das Masken-Aus, ein "Leben mit Covid", seinen Mailverkehr mit der Bevölkerung und die ersten drei Monate im Amt spricht.
KURIER: Wie geht es Ihnen? Schlafen Sie genug?
Johannes Rauch: Es geht mir sehr gut, danke. Ich schlafe ausgezeichnet, und ich schlafe auch durch – das ist ein Segen.
Haben Sie Angst, wenn Sie auf die Straße gehen?
Nein. Ich bin zwar schon angepöbelt worden, aber nicht angegriffen.
Ich frage, weil Dauerstress und Drohungen Gründe für den Rücktritt ihrer beiden Vorgänger waren. Wie kommen Sie damit zurecht?
Eine gewisse Härte gehört zum Job. Eine zu dicke Haut darf man aber auch nicht haben, sonst spürt man die Leute nicht mehr. Ich denke, ich habe das bisher ganz gut geschafft.
Ist es leichter für Sie, weil Sie mit Karl Nehammer einen Kanzler haben, der – anders als Sebastian Kurz – als eher konziliant gilt?
Es gibt ein gutes Einvernehmen. Man kann gut miteinander reden und arbeiten.
Ist die Zeit echt reif, auf die Maskenpflicht zu verzichten?
Nach zwei Jahren Pandemie mit viel Auf und Ab können wir jetzt, da die Infektionszahlen niedrig sind, in einen Modus eintreten, der heißt: "Leben mit Covid." Die Empfehlung lautet: Verantwortung übernehmen für sich selbst und andere. Ich trage weiter im öffentlichen Verkehr Maske, aber freiwillig.
Das heißt, man überlässt die Vulnerablen ihrem Schicksal. Sie können nur hoffen, dass andere auch Maske tragen.
Das sehe ich nicht so. In hochsensiblen Settings – Spitälern, Arztpraxen – ist die Maske weiter Pflicht. Mein Zugang ist: Wir können nicht ewig alles vorschreiben. Wir müssen lernen, mit Pandemien umzugehen – es wird nicht die letzte bleiben.
Wien wird die Maske in den Öffis behalten. Halten Sie die Entscheidung von Bürgermeister Ludwig für richtig?
Ich halte es für richtig, in der U-Bahn Maske zu tragen, aber ich will es nicht weiterhin vorschreiben. Es ist ein Unterschied, ob man mitten in der Nacht oder zur Stoßzeit mit der U-Bahn fährt. Jeder muss nach zwei Jahren in der Lage sein, das selbst einzuschätzen.
Können Sie guten Gewissens sagen, dass wir perfekt vorbereitet sind für den Herbst?
Wir sind bestmöglich vorbereitet – wir wissen ja nicht, was kommt. Ein Papier von 80 Experten geht in die Endausarbeitung, es ist aber jetzt schon an die Länder kommuniziert worden, damit die sich vorbereiten können.
Wir haben also einen entspannten Sommer – wann würden Sie die Notbremse ziehen?
Wenn wir zehn, vierzehn Tage lang deutlich steigende Infektionszahlen haben, wird es ernst. Dann würden wir schrittweise die Maske wieder einführen.
Welche Impfquote peilen Sie für den Herbst an?
Wir haben derzeit durch Genesungen und Impfungen eine hohe Immunität von 70 bis 80 Prozent, aber die wird abnehmen. In die Gegend sollten wir kommen. Die Auffrischung sollte nahe an der möglichen Herbstwelle stattfinden, Ende August bis September.
Sie sprechen nur von der Auffrischung – hat man die Ungeimpften schon aufgegeben?
Es gibt eine Gruppe, die komplett unwillig ist – die werde ich nicht zur Impfung kriegen, egal wie. Ich setze auf jene, die schon geimpft und bereit sind, geschützt durch den Winter zu kommen.
Haben Sie Impfverweigerer in Ihrem Bekanntenkreis?
Nein, und ich bin Gott sei Dank auch verschont geblieben von solchen Diskussionen.
Die Impfpflicht wurde im November mit den Landeshauptleuten paktiert. Hätten Sie zugestimmt, wenn Sie da schon Minister gewesen wären?
So, wie die Sitzung mir geschildert worden ist, ist das aus der Situation heraus entstanden. Ich kann das nicht beurteilen. Man hätte auch in der Kommunikation stringenter sein sollen. Aber das ist verschüttete Milch. Es gibt die Möglichkeit, die Impfpflicht auszusetzen, und das ist gut so.
Sie haben mit der Pflegereform und der Blutspendeverordnung zwei Projekte durchgesetzt, die seit Jahren liegen. Wie haben Sie das geschafft?
Ich habe Tempo gemacht. Die Pflegemitarbeiter sind lange vertröstet worden – wenn das so weitergegangen wäre, wäre ich gescheitert gewesen.
Welches Zugeständnis kommt jetzt von den Grünen an die ÖVP – die wollen sich ja auch für etwas feiern lassen, oder?
Diese Art von Tauschgeschäften liegt mir fern, mir ist auch nichts bekannt. Es war Konsens in der Regierung, dass diese Projekte auf den Boden gebracht werden müssen.
Wird die Koalition halten?
Ich gehe davon aus. Angesichts der Lage in Europa braucht es eine funktionierende Regierung – und die haben wir, der Beweis ist erbracht.
Sie bleiben auch bis 2024?
Das ist meine Absicht. Ich bin gekommen, um zu bleiben.
Exkurs nach Vorarlberg: Die Grünen halten Markus Wallner, ÖVP, als Landeshauptmann die Stange – warum?
Alles andere hätte das Ende der Koalition bedeutet. Aber was da zutage tritt, ist ein Wahnsinn. Wir Grüne haben schon vor zehn Jahren darauf aufmerksam gemacht. Es hat nur niemanden interessiert.
Die Sensibilität beim Thema Korruption ist zuletzt höher. Muss Wallner zurücktreten?
Das wird er selbst entscheiden. Positiv ist, dass Vorarlberg jetzt ein Parteienfinanzierungsgesetz bekommt, das in Österreich einzigartig ist.
Worüber zerbrechen Sie sich aktuell sonst noch den Kopf?
Mir bereitet Sorge, dass sich einige Krisen überlagern – Energie, Pandemie, Krieg, Teuerung, Klima – und sich Teile der Bevölkerung entlang dieser Situation ausklinken, die gesamte Staatshoheit infrage stellen. Wir können diese Menschen nicht sich selbst oder rechten Parteien überlassen, das geht an die Substanz unserer Demokratie.
Und was tun Sie dagegen?
Ich stelle mich Debatten, versuche, Mails zu beantworten. Ich will den Leuten vermitteln, dass ich sie ernst nehme und verstehe. Ich nenne die Dinge beim Namen und sage auch einmal: Ich weiß nicht alles besser und ja, ich mache auch Fehler. Die Menschen wollen, dass sich Politiker auch wie Menschen verhalten.
Trotzdem schlafen Sie genug?
Das geht schon. Ich lese in den Nachtstunden auch das ein oder andere Buch, mache mich kundig, was sich jenseits von Österreich tut. Wir sind nicht der Nabel der Welt. Sonst kann ich mir ja gleich im Schrebergarten eine Flasche Wein aufmachen und sagen: Die Welt ist eh in Ordnung. Das reicht nicht, finde ich.
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