Kurz und Van der Bellen einig: Kickl als Innenminister untragbar
Die vorgeblich so harmonisch verlaufene Partnerschaft zwischen Türkis und Blau artet zu einem Abrechnungskrieg der FPÖ gegen die ÖVP aus. Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Kanzler Sebastian Kurz wollen Innenminister Herbert Kickl vorzeitig aus dem Amt befördern. Die FPÖ-Minister drohen in diesem Fall mit dem geschlossenen Austritt aus der Regierung. Die FPÖ werde aber die Ressorts „geordnet“ an führende Beamte übergeben, sagt Klubobmann Walter Rosenkranz bei "Im Zentrum".
Seit Samstag wird in der Regierung über Innenminister Herbert Kickl gestritten. Die ÖVP sagt, sie habe versucht, der FPÖ klar zu machen, dass das Strache-Video Ermittlungen und Aufklärung erfordere. Und dass Justiz und Polizei unabhängig ermitteln müssten. Kurz sagt dazu zum KURIER: „Klar ist, dass Herbert Kickl nicht gegen sich selbst ermitteln kann.“
Hintergrund: Kickl war Generalsekretär der FPÖ, als die von Strache erwähnten illegalen Gelder an die FPÖ geflossen sein sollen.
Wege zur Abberufung
Ein Minister kann auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten des Amtes enthoben werden.
Zweite Variante, Kickl los zu werden: Wenn die Opposition gegen Kickl in der kommenden Sondersitzung des Nationalrats einen Misstrauensantrag einbringt, könnte die ÖVP diesem zustimmen oder zumindest nicht dagegen stimmen.
Die ÖVP wählt erstere Variante. Kanzler Kurz wird Van der Bellen die Ablöse Kickls vorschlagen, bestätigt Kanzleramtsminister Gernot Blümel in der ZiB 2. Der Bundespräsident wird nach KURIER-Informationen dem Kanzler-Vorschlag zustimmen.
Kanzler „fassungslos“
In einem kurzen Telefonat mit dem KURIER am Sonntagabend schildert der Kanzler, wie er die dramatischen Stunden erlebt hat. Er habe das Strache-Video „wie alle anderen auch“ am Freitagabend, als es von Medien online gestellt wurde, gesehen. „Ich war fassungslos und erschüttert“, sagt Kurz. „Mir war klar, dass die FPÖ sich selbst und damit auch das erfolgreiche Projekt der Veränderung in Österreich zerstört hat, und auch dem Ansehen Österreichs in der Welt massiv geschadet hat.“
Er habe dann eine Entscheidung getroffen und anschließend mit dem Bundespräsidenten, mit der FPÖ und mit der eigenen Partei ab Freitagabend und auch am Samstag viele Gespräche geführt. Bei der FPÖ habe er „versucht, ein Bewusstsein für die Dimension dieses Videos zu schaffen“. Und dass es "eine lückenlose und unabhängige Aufklärung" geben müsse.
Weltweite Beobachtung
Dass Kurz nicht um 14 Uhr, sondern erst um 19.45 Uhr vor die Medien trat, um die Neuwahl zu verkünden, ist laut Kanzleramtsmitarbeitern so zu erklären: Es ging immerhin um die Frage von Neuwahlen. Und es war klar, dass das ein weltweit beachteter Auftritt sein würde. „Da muss man auch besonnen und gut überlegt vorgehen, denn immerhin geht es auch um das Ansehen des Landes."
Nächtliche Sitzung
In der Nacht auf Samstag hatte sich Kurz mit einigen Vertrauten zu einer mehrstündigen Strategiesitzung im Kanzleramt versammelt. Immer wieder wurde auch mit Landeshauptleuten telefoniert, die dem Vernehmen nach Druck für eine Auflösung der Koalition mit der FPÖ gemacht haben.
Die aktuelle Neuwahl ist bereits die fünfte, die durch einen ÖVP-Spitzenpolitiker in den vergangenen 24 Jahren ausgerufen wird.
1995 Wolfgang Schüssel, 2002 Wolfgang Schüssel, 2008 Wilhelm Molterer, 2017 Sebastian Kurz und nun wieder Sebastian Kurz.
Drei der fünf Neuwahlen waren von der ÖVP angestrebt, zwei erfolgten wegen von der FPÖ ausgelöster Turbulenzen.
Die ÖVP hofft diesmal auf Parallelen zu 2002. Auch damals hatte die FPÖ die Neuwahl verursacht, und die Anhänger der damaligen schwarz-blauen Koalition liefen in Scharen zur ÖVP über. Das will die FPÖ diesmal verhindern, indem sie Dolchstoßlegenden über die Ablöse Kickls verbreitet.
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