Integration versus Null-Migration
ÖVP-Chef Sebastian Kurz steht für einen restriktiven Asylkurs – daran ließ er nie einen Zweifel. Eine Kostprobe? Die illegale Migration will er auf null setzen, er fordert einen möglichst lückenlosen Schutz der EU-Außengrenzen und sagt der Schlepperei den Kampf an. Zudem will die ÖVP hart gegen Sozialmissbrauch vorgehen – mit Fokus auf Nicht-Österreicher. Unterm Strich: für die ÖVP ist das Thema Asyl bzw. Migration negativ besetzt.
Bei den Grünen geht es hingegen viel um Integration, um Menschenrechte und darum, das Migrationsthema transparent und fair auf EU-Ebene zu lösen.
Entscheidend ist oft der Zugang, die Tonalität. Zum Beispiel: Auch die Grünen wollen Kontrollen an den EU-Außengrenzen. Nur geht es ihnen mehr darum, einen sicheren Ort zu schaffen, wo Geflüchtete einen Asylantrag stellen können. Es brauche zudem eine „EU-Asylbehörde“, die vom Antrag bis zum Bescheid zuständig ist.
Knackpunkt: Die Geflüchteten sollten laut Grünen dann gerecht auf die EU-Länder verteilt werden. Eine Verteilungsquote, wie sie seit Längerem diskutiert wird, lehnt die ÖVP dezidiert ab. Mit dem Argument, Österreich habe bereits mehr als genug Flüchtlinge aufgenommen.
Die Grünen setzen das Migrationsthema in einen globalen Kontext: Will man die Flüchtlingsströme eindämmen, müsse man zuallererst die Fluchtursachen bekämpfen. Dazu brauche es mehr internationale Zusammenarbeit, auch in Hinblick auf Klimaschutz. Mit dem Stichwort „Hilfe vor Ort“ kann auch die ÖVP etwas anfangen. Sie will die Mittel für Entwicklungshilfe gezielter einsetzen.
Einig sind sich Grüne und ÖVP darin, dass Österreich qualifizierte Zuwanderung brauche, dass Deutschkenntnisse Grundvoraussetzung für Integration sind und dass der Staat Initiativen gegen religiösen Extremismus setzen muss.
Für die ÖVP hat die „österreichische Identität“ einen hohen Stellenwert, darunter fällt etwa die Ausweitung des Kopftuchverbots. Grüne, die stattdessen Frauenrechte stärken wollen, akzeptieren das Verbot zumindest bei Kindern.
Eines machen beide klar, wenn auch mit unterschiedlichen Begriffen: Negativbescheide führen zu „Rückführungsverfahren“ (Grüne) bzw. Abschiebungen (ÖVP).
Harte Finanznüsse zu knacken
Mehr oder weniger Staat, mehr oder weniger Schulden, mehr oder weniger Steuern: Schon bevor es zu Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und Grünen und einem Kassasturz kommen kann, ist klar, dass Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik die ganz harten Nüsse sind, die es zu knacken gilt. Dafür sorgen unterschiedliche ideologische Zugänge bei -Steuer, Nulldefizit oder Schuldenbremse.
Im Wahlkampf wurde vor allem die künftige Steuerpolitik strapaziert. Hat die Volkspartei unter Sebastian Kurz ihren Slogan „keine neuen Steuern“ verinnerlicht und damit vor allem Erbschafts- und Vermögenssteuern gemeint, so sind hier die Grünen wesentlich flexibler. Insgesamt will auch Grünen-Chef Werner Kogler keine Steuererhöhungen, er spricht aber von „Umschichtungen“ zugunsten des Umweltschutzes und kämpft ganz grundsätzlich für höhere Beiträge der Vermögenden.
Sozial- und Arbeitseinkommen müssen weiter auseinander liegen. Das ist für Türkis und Grün klar. Die ÖVP ging in ihrer Koalition mit den Blauen teils den Weg der Kürzungen auf der Seite der Sozialtransfers (Stichwort: Mindestsicherung). Kogler lehnt das ab, will höhere Löhne und eine Arbeitszeitverkürzung mit zumindest teilweisem Lohnausgleich. Ein No-Go für den ÖVP-Wirtschaftsflügel.
Bei einer Steuerreform, die mehr Netto vom Brutto, einen „Einstieg in den Umstieg“ hin zur Ökologisierung des Systems verspricht und für den Standort die lohnsummenabhängigen Abgaben reduziert, würden Kurz und Kogler einander treffen können.Schwieriger wird das beim Budget. Die ÖVP steht für das Nulldefizit, schärfere Sanktionen für Defizitsünder und die Schuldenbremse. Für die Grünen ist sie eine Investitionsbremse, sie sprechen abfällig vom Fetisch Nulldefizit und wollen Ausgaben im Kampf gegen den Klimawandel nicht den Stabilitätspakt-Regeln unterwerfen.
Besonders weit sind ÖVP und Grüne auch beim Thema Parteifinanzen auseinander. Die ÖVP musste zähneknirschend die strengeren Spenden-Regeln akzeptieren, den Grünen sind sie zu lax, sie wollen Strafen bei Verstößen. Einmal sagte Kogler: Gäbe es bei uns Strafbestimmungen wie in Deutschland, könnte sich der ÖVP-Vorstand im Gefängnis treffen.
Kommentare