Heinz Fischer mobilisiert gegen "Ja/Nein-Demokratie"

Heinz Fischer
Alt-Bundespräsident Heinz Fischer warnte auf der Juristentagung vor automatischen Volksabstimmungen.

Die FPÖ macht den Ausbau der direkten Demokratie zur Koalitionsbedingung, auch Sebastian Kurz hat automatische Volksabstimmungen in seinem Programm.

Alt-Bundespräsident Heinz Fischer hat seine Einladung, auf dem Juristentag ein Referat zu halten, dazu genutzt, um vor der Einführung eines solchen plebiszitären Systems in Österreich zu warnen. Er forderte die Juristen auf, "unter Wahrung ihrer Unabhängigkeit auf die Konsequenzen einer solchen Systemänderung hinzuweisen".

Schon der Schöpfer der österreichischen Verfassung, Hans Kelsen, habe darauf hingewiesen, dass "Demokratie nicht Diktatur der Mehrheit bedeutet". Demokratie impliziere vielmehr "einen ständigen Kompromiss zwischen allen gesellschaftlichen Gruppen des Landes".

"Lauteste Stimme"

Das plebiszitäre Modell, wie es der FPÖ vorschwebt: Wenn ein Volksbegehren von vier Prozent der Wahlberechtigten unterstützt ist, und das Parlament setzt die Forderungen des Volksbegehrens nicht um, muss darüber eine Volksabstimmung abgehalten werden, die bindend ist.

Fischer über diese Form der Willensbildung: "Wenn sich die Mehrheit ohne konkrete Spielregeln nach dem Prinzip der lautesten Stimme in einem emotionalisierten öffentlichen Raum bildet, bringt das nicht immer das beste Resultat für das Land."

Problematisch sei, dass es zum Gegensatz zwischen "Volk" und "Volksvertretung" kommen könne, wenn das Parlament Abänderungen anbringen möchte. Fischer zählt mögliche Anlässe für Abänderungen auf: Der Nationalrat könnte sich an europaweite Zielsetzungen gebunden fühlen; er könnte Kompromisse für zweckmäßig oder notwendig halten, die von den Initiatoren des Volksbegehrens nicht gewünscht werden; es könnten finanzielle Auswirkungen bedenklich sein.

Gibt es die verpflichtende, bindende Volksabstimmung, könne das Parlament nichts mehr ändern. Fischer: "Wir wissen ganz genau, dass die parlamentarische Demokratie der Ja/Nein-Demokratie deshalb überlegen ist, weil mehrheitsfähige Interessen oder Emotionen nicht immer identisch mit der besten Lösung für das Land sind."

Fischer verweist auch auf die Gefahr, die bei einem plebiszitären System von Boulevardmedien ausgeht. Er spricht ironisch von "unerklärlichen Zusammenhängen" zwischen der Höhe von Inseratenaufträgen und der Blattlinie.

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