Handyabnahme: Edtstadler steht mit Beschluss-Wunsch alleine da
Da hat sich Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) wohl verschätzt: Mit ihrer Ansage, dass das Paket zur Reform der Strafprozessordnung mitsamt Handysicherstellung schon kommende Woche im Nationalrat zu beschließen sei, dürfte sie alleine dastehen.
Der Punkt ist nämlich: Die Tagesordnung wird von den Klubchefs in der Präsidiale vereinbart, es herrscht das Prinzip der Einstimmigkeit. Und ohne Grüne geht da nichts. Das heißt, dass das Paket aller Voraussicht nach kommende Woche nicht im Nationalrat beschlossen werden kann.
Und selbst wenn: Die ÖVP würde wohl als einzige Fraktion dafür stimmen. Die SPÖ kritisiert das Paket, wie es jetzt vorliegt, inhaltlich scharf. Und auch die FPÖ sagt ab. Gegenüber zackzack.at stellte der blaue Generalsekretär Christian Hafenecker klar: "Nein, da machen wir nicht mit."
Die Vorgeschichte
Türkis-Grün hat das Gesetzespaket vor zwei Wochen völlig überraschend als Initiativantrag im Parlament eingebracht, kurz darauf erfolgte der Beschluss im Justizausschuss. Als nächster Schritt war die Beschlussfassung im Nationalrat geplant - und zwar schon am 3. oder 4. Juli. Dazwischen liegen nur etwas mehr als zwei Wochen.
Üblicherweise wird sechs bis acht Wochen begutachtet. In dieser Phase haben betroffene Institutionen, Experten und die breite Öffentlichkeit die Möglichkeit, den Entwurf zu studieren und zu bewerten, Vorschläge für Verbesserungen zu machen oder auf Probleme in der Praxis hinzuweisen.
Dass die Frist für das Paket, das rund 200 Seiten umfasst, nur zwei Wochen beträgt, sorgte in allen Ecken der Justiz für Empörung. In so kurzer Zeit, sagten gestern die Präsidenten der Oberlandesgerichte, sei keine anständige Begutachtung möglich. Inhaltlich kam vor allem von der Vereinigung der Staatsanwälte Kritik.
Kehrtwende
Am Dienstag lenkte die grüne Justizministerin Alma Zadić dann ein: Sie tat öffentlich kund, dass Stellungnahmen zum Gesetzespaket noch bis Ende Juli eingebracht werden können und dass es Änderungen geben wird. Als Termin für den Beschluss peilte sie das letzte Plenum vor der Nationalratswahl Mitte September an.
Verfassungsministerin Edtstadler lehnte das ab. "Die Beschlussfassung erfolgt im Rahmen des nächsten Plenums", hieß es am späten Dienstagnachmittag aus ihrem Büro.
Tags darauf erklärt man, dass das Vorgehen von Justizministerin Zadić "höchst ungewöhnlich" sei und Kopfschütteln ausgelöst habe. Den Zeitplan für das Gesetz habe das Justizministerium selbst festgesetzt, und vergangene Woche hätten die Grünen im Justizausschuss auch zugestimmt.
Straffer Zeitplan
Dem Vernehmen nach sei es der Wunsch der Grünen gewesen, das Paket noch vor dem Sommer zur Abstimmung zu bringen - so wie alle wichtigen Vorhaben, weil nach der Sommerpause schon der Wahlkampf beginnt. Die Verhandlungen haben sich aber zu lange gezogen, daher blieben am Ende nur noch die zwei, drei Wochen übrig.
Dass der Zeitplan so kurzfristig über den Haufen geworfen werden soll - bloß, weil Zadić von ihren Stakeholdern jetzt Beton bekommt - sieht die ÖVP nicht ein. Es sei üblich, dass man sich mit seinen Stakeholdern vorher abstimmt, und in den politischen Verhandlungen habe sich an dem Vorschlag, der aus dem Justizministerium kam, nichts Substanzielles geändert.
Aber das ist vergossene Milch. Fest steht: Es werden Änderungen nötig sein, ÖVP und Grüne müssen das Paket über den Sommer zumindest teilweise neu verhandeln. Ob die Verfassungsministerin nun darüber glücklich ist oder nicht.
Auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) zeigt sich wenig erfreut über die von seiner Kollegin Zadić geäußerten Änderungswünsche. Zwar sei in dieser Frage Verfassungsministerin Edtstadler federführend, doch gehe er davon aus, dass "was besprochen und vereinbart wurde auch hält".
Er habe er in Sachen Handy-Sicherstellung "wenig Verständnis für die Skepsis gegenüber der Polizei" (die zuletzt auch Staatsanwälte-Präsidentin Elena Haslinger auffiel), sagte er am Mittwoch bei einer Pressekonferenz nach einem europäischen Innenministertreffen in Laxenburg. Diese genieße nämlich unter den staatlichen Institutionen "allerhöchstes Vertrauen".
Zur inhaltlichen Kritik von Justizvertretern am Mehraufwand durch die geplanten Änderungen sagte Karner, "es ist Aufgabe von Beamten und Behörden auf Kosten hinzuweisen". Dies sei auch die Aufgabe von Gesetzesbegutachtungen, fügte er hinzu.
Änderungswünsche hat übrigens auch das von ihm geführte Innenministerium, was den Umgang mit sichergestellten Daten betrifft. Künftig sollen ja nur noch Forensiker der Kriminalpolizei den vollen Datenschatz sehen und für die Staatsanwaltschaft aussieben. Da spießt es sich aber mit den Rechten der Beschuldigten auf Einsichtnahme in das Ergebnis der Auswertung.
Aus Sicht des Innenministeriums wäre es sinnvoll, im Gesetz klarzustellen, dass die Staatsanwaltschaft die Herrin des Verfahrens ist und die Betroffenenrechte bei ihr wahrzunehmen sind. Gleiches gelte für die Lagerung der Daten, wird in einer Stellungnahme an den KURIER erklärt. Diese könne nur da erfolgen, wo auch Einsicht genommen werden kann (also bei der Staatsanwaltschaft).
"Tendenziös geschrieben"
Für SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim ändert die nun zugesagte Verlängerung der Begutachtungsfrist nichts. Zadić habe auch gar nicht mehr "das Heft in der Hand". Denn: "Der grüne Entwurf hat eine schwarze Handschrift." Der Text sei "an Lächerlichkeit kaum zu überbieten" und "dermaßen tendenziös geschrieben, dass es skandalös ist". Sie habe sich die Frage gestellt, ob "das wirklich unsere Legistiker schreiben, oder irgendwelche ÖVP-Berater".
"Ganz ganz wichtig" sei Yildirim, dass das Gesetz in seiner momentanen Form nicht beschlossen werden dürfe. Die SPÖ will, dass nach einer ordentlichen Begutachtungsphase, im August, nach Ende der Begutachtungsfrist, der Justizausschuss noch einmal tagt. Zudem fordert sie je 100 neue Staatsanwälte und Richter sowie 400 zusätzliche Polizistinnen und Polizisten, und damit deutlich mehr als die vorgesehenen 14 bei den Staatsanwaltschaften und sechs bei den Gerichten.
"Die Partie ist fertig"
Auch die Freiheitlichen wollen sich den Gesetzesentwurf zur Neuregelung der Sicherstellung von Datenträgern wie Handys noch einmal genau ansehen. Vor allem auch die Stellungnahmen, die noch kommen, erklärte deren Klubobmannstellvertreter und Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer am Mittwoch. Dann werde man über das "finale" Abstimmungsverhalten entscheiden. Er sei aber "sehr skeptisch, ohne da etwas vorwegnehmen zu wollen". Im Justizausschuss hatten die Freiheitlichen dagegen gestimmt.
Für Amesbauer zeigt die Vorgehensweise, "dass die Regierung nichts mehr zusammenbringt. Die Partie ist fertig."
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