Die Präsidenten der vier Oberlandesgerichte haben sich am Dienstag mit einer äußert verärgerten Stellungnahme zum Reformpaket rund um die Handysicherstellung zu Wort gemeldet. Zuvor hatte bereits auch die Richtervereinigung und die Vereinigung der Staatsanwälte dagegen protestiert.
Und der Protest hat offenbar gefruchtet: Justizministerin Alma Zadić gab am Dienstagnachmittag bekannt, dass der Entwurf nicht nur geändert, sondern auch die Frist zur Begutachtung verlängert wird. Der für 3. Juli geplante Beschluss sollte ausfallen, Zadić peilte stattdessen das Plenum Mitte September an.
Da hat sie allerdings die Rechnung ohne die ÖVP gemacht. "Der Initiativantrag wurde vergangene Woche mit den Stimmen der Grünen im Justizausschuss beschlossen. Die Beschlussfassung erfolgt im Rahmen des nächsten Plenums." Dieses findet nächste Woche statt, heißt es kurz darauf aus dem Büro von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler.
Damit eskaliert die Situation: Wenn die ÖVP im Nationalrat für das Gesetz stimmt - und die Grünen dagegen, wäre das de facto Koalitionsbruch.
"Nehme Bedenken ernst"
"Ich habe mich viereinhalb Jahre auch in nicht immer einfachen Zeiten dafür eingesetzt, dass der Rechtsstaat gestärkt und abgesichert wird", meinte die grüne Justizministerin Zadic noch am frühen Nachmittag. "Daher nehme ich die Bedenken der Expertinnen und Experten sehr ernst. Ich bin sicher, dass tut auch die ÖVP."
Im Laufe der bisherigen Begutachtung seien Einwände vorgebracht worden, die im Vorfeld von den Stakeholdern so nicht geäußert worden seien, begründete die Ministerin nach einem Treffen mit Vertretern von Gerichtsbarkeit, Staatsanwaltschaften und Wissenschaft ihr Vorgehen.
Daher werden die Begutachtung bis Ende Juli verlängert. "Da die parlamentarischen Fristen gewahrt bleiben, ist ein Beschluss im September möglich." Mitte September steht knapp vor den Nationalratswahlen noch eine Plenarsitzung am Programm.
Heftige Kritik von Präsidenten
Am Dienstag war zuvor eine Stellungnahme der Gerichtspräsidenten publik geworden, in dem die kurze Begutachtungsfrist heftig kritisiert worden war. Der Entwurf sei nach monatelangen politischen Beratungen am 17.6.2024 (das Datum wurde auch in der Aussendung gefettet) versandt worden, schon am 1. Juli sollte die Begutachtungsfrist enden.
Das Paket enthält nicht nur die neuen Regeln für die Handy- bzw. Datensicherstellung, sondern eine Reihe weiterer Änderungen in der Strafprozessordnung. In Summe umfasst das Paket rund 200 Seiten - und um dieses zu bewerten und eine Stellungnahme abzugeben, haben die Experten aus der Praxis nur zwei Wochen Zeit.
"Begutachtungsverfahren gelten mit gutem Grund als ein wesentlicher Bestandteil der demokratischen Gesetzgebung. Damit sollen die von neuen Gesetzen betroffenen Institutionen ebenso wie die allgemeine Öffentlichkeit über Neuerungen informiert und soll ihnen eine kritische Stellungnahme ermöglicht werden", heißt es in der Aussendung von Präsidentin Katharina Lehmayer (Wien) sowie der Präsidenten Michael Schwanda (Graz), Erich Dietachmair (Linz) und Wigbert Zimmermann (Innsbruck) weiter.
Kurze Frist, keine Einbeziehung
Es entspreche zudem einer "guten Tradition", dass die von den Änderungen regelmäßig betroffenen Gerichte in den Gesetzwerdungsprozess einbezogen werden. Bei den Gerichten egbe es sogar eigene Senate, die nur dafür eingerichtet wurden, Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen abzugeben.
Beides ließ das zuständige Justizministerium aus: Weder wurde die Richterschaft in die Verhandlungen einbezogen, noch gebe es eine angemessene Frist, um sich das Ergebnis der Verhandlungen ordentlich anzusehen, heißt es sinngemäß weiter.
Wie lang eine Begutachtungsfrist zu sein hat, ist gesetzlich nicht geregelt, die Gerichtspräsidenten nennen aber ein Rundschreiben des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, in dem eine sechswöchige Mindestfrist empfohlen wird.
Weiter geht's in gefetteter und unterstrichener Schrift:
"Wir fordern daher die Bundesregierung auf, für die Begutachtung dieser und aller weiteren derart umfassenden Gesetzesänderungen eine in einem demokratischen Rechtsstaat angemessene Frist in der Dauer von mindestens sechs Wochen vorzusehen, um den von den Änderungen betroffenen Institutionen, aber auch der Wissenschaft und der Öffentlichkeit eine wirksame Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen."
+++ Hinweis: Der Artikel wurde um 15 Uhr nach einer Stellungnahme der Justizministerin und um 16.30 Uhr um jene der Verfassungsministerin aktualisiert +++
Kommentare