Halbe-halbe für die Pension? Lob und Tadel für ÖVP-Modell
Frauen gehen wesentlich häufiger und länger in Karenz und arbeiten danach sehr oft in Teilzeit, um weiter für das Kind da sein zu können. Das drückt gewaltig auf das Einkommen und die spätere Pension. Im Durchschnitt erhalten Frauen in Österreich um 43 Prozent weniger Pension als Männer. Ein unhaltbarer Zustand, sagen viele Fachleute und Politikerinnen seit Jahren.
Das automatische Pensionssplitting könnte hier etwas Abhilfe schaffen. Bisher gibt es das nur freiwillig.
Konkret: Seit 2005 können bis zum siebenten Lebensjahr des Kindes die Pensionsbeiträge freiwillig zwischen Mutter und Vater des Kindes aufgeteilt werden (in der Regel: bis zu 50 Prozent der Beiträge des Mannes).
Genutzt wird das freiwillige Splitting jedoch kaum. Das liegt unter anderem daran, dass das Modell wenig beworben wurde und nahezu unbekannt ist. Seit 2010 gab es nicht einmal 1.300 Anträge.
Nun will die Volkspartei einen Schritt weitergehen und bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes ein verpflichtendes Pensionssplitting einführen. Als Vorbild galt in der Vergangenheit stets die Schweiz.
Erst 1.300 Fälle
Das Modell bei den Eidgenossen, eingeführt schon im Jahr 1998, ist recht simpel: Beide Elternteile werden in der Zeit der Karenz beim Pensionsanspruch zusammengezählt, dann wird halbiert.
Das bedeutet: Der Mann zahlt in der Zeit der Karenz einen Teil seiner Pensionsbeiträge auf das Pensionskonto der Frau ein – ihre Pension steigt dadurch. Die Schweizer Erfahrungen sind positiv, die Pensionslücke zwischen Männern und Frauen konnte erheblich verringert werden.
Die Reaktionen auf den ÖVP-Vorstoß sind dennoch gemischt. Aufgrund der langen Debatte hält etwa Neos den Vorstoß der ÖVP für einen „Wahlkampfschmäh“.
Pensionsexperte Bernd Marin ist hingegen voll des Lobes: „Das Pensionssplitting wäre eine ausgezeichnete Sache. Ich fordere das schon seit Jahrzehnten. In einer liberalen Demokratie müsste es aber auch ein Opt-out, also eine Ausstiegsmöglichkeit, geben.“
Das bedeutet: Die Pensionsbeiträge würden automatisch zwischen dem Kindsvater und der Frau aufgeteilt. Nur wenn jemand definitiv nicht mit seiner Frau teilen will, könnte er diese Opt-out-Möglichkeit nutzen.
Neben vielen anderen Vorschlägen im Pensionsbereich – von der automatischen Anhebung des Antrittsalters mit steigender Lebenserwartung (Neos) bis zur Grundpension (Grüne) – hält Marin das verpflichtende Pensionssplitting für jenen Vorschlag mit der größten Umsetzungswahrscheinlichkeit. Auch VP-Chef Sebastian Kurz nannte es als zweite große Maßnahme in der kommenden Legislaturperiode gleich nach der Steuerreform. Freilich ist Kurz derzeit nicht in der Regierung und muss für seine Projekte erst einen Koalitionspartner gewinnen.
Und seine potenziellen Partner sind skeptisch. Insbesondere die FPÖ legt sich quer, wie schon in der Zeit der türkis-blauen Koalition. „Eine derartige Vorgangsweise wäre nicht nur sehr ineffizient, sondern auch gegen die freie Entscheidung der Familien. Obendrein geht eine solche Zwangsverpflichtung komplett an der Lebensrealität vorbei“, sagt die blaue Frauensprecherin Carmen Schimanek. Ihr Nachsatz: „Männer und Frauen gegeneinander auszuspielen, indem man den Männern etwas wegnimmt, ist aus Sicht der FPÖ eindeutig der falsche Weg.“
Neos ist hingegen klar für das Splitting der Pensionsbeiträge, ärgert sich aber über die ÖVP, weil es die Idee für sich reklamiert. Die pinken Anträge seien bisher stets abgelehnt worden. „Plötzlich kommt mitten im Wahlkampf die große Erleuchtung und ein Einsehen? So viel Dreistigkeit ist nicht zu fassen“, schimpft Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker. Er erinnert: „Während die Schweiz dieses automatische Pensionssplitting schon seit vielen Jahren kennt, geht in Österreich nichts weiter.“
SPÖ: Freiwillig reicht
Ähnlich der FPÖ kann sich auch die SPÖ nicht mit dem ÖVP-Vorschlag anfreunden.
Das freiwillige Splitting ist nach Auffassung von SPÖ-Frauenchefin Gabriele Heinisch-Hosek ausreichend. Ein automatisches Pensionssplitting würde hingegen den ersten Schritt zum Familiensplitting darstellen, also die Abhängigkeit der Frau vom Mann erhöhen. Außerdem befürchtet Heinisch-Hosek, dass das verpflichtende Pensionssplitting vor allem den höheren Einkommensschichten zugutekommt und kein wirklich geeignetes Mittel gegen Frauenarmut darstellt.
Sie hält die roten Forderungen dagegen: eine Mindestpension von 1.200 Euro unter Anrechnung der Kindererziehungszeiten, den Ausbau der betrieblichen Kinderbetreuung und einen Rechtsanspruch auf den Wechsel von Teilzeit zu Vollzeit.
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