Frau Rendi-Wagner, Hans Peter Doskozil und Andreas Babler machen für die Mitgliederbefragung eine Wahlkampftour durch Österreich. Sie haben keinen solchen Plan. Warum nicht?
Pamela Rendi-Wagner: Weil ich davon überzeugt bin, dass man nicht einfach eine Stopptaste drücken kann, nur um ein paar Wochen lang jetzt einen internen Wahlkampf zu führen. Diese Stopptaste kann ich weder als Partei- noch als Klubvorsitzende drücken. Da habe ich die Verantwortung, dass ich meine Arbeit auch in dieser Zeit erledige. Das werde ich auch tun. Im Übrigen bin ich der Meinung – und das steht über allem –, dass Sozialdemokraten miteinander kämpfen sollten und nicht gegeneinander.
Das Miteinander funktioniert ja nicht, weil das gemeinsame Hearing, das geplant war, nicht umgesetzt werden kann.
Jetzt haben wir uns zumindest auf einen gemeinsamen Weg verständigt. Mit der Perspektive, dass wir danach eine Klarheit haben, dass es ein Miteinander im Sinne einer geeinten und starken Sozialdemokratie gibt. Das ist das Ziel, das wir uns alle gesetzt haben. Und ich nehme das sehr ernst. Was die Hearings betrifft, so habe ich diesen Vorschlag gemacht. Wir haben das im Parteipräsidium diskutiert, aber Hans Peter Doskozil hat eine Teilnahme abgelehnt. Hearings sind aber nur dann sinnvoll, wenn die Mitglieder ein komplettes Bild bekommen. Komplett heißt, dass alle drei Bewerber dabei sein müssen.
Dass Sie keine Wahltour machen, wie Doskozil und Babler, hat den Eindruck erweckt, Sie hätten diesen Kampf schon aufgegeben.
Nein, ganz im Gegenteil. Ich nehme meine Verantwortung als Parteivorsitzende, die ich im Gegensatz zu meinen Mitbewerbern habe, sehr, sehr ernst. Politik kann niemals Selbstzweck sein. Ich bin nicht in die Politik gegangen, um interne Wahlkämpfe zu führen.
Andreas Babler hätte auch gerne ein Fairnessabkommen gehabt. Was ist da Ihre Meinung dazu?
Ein Fairnessabkommen hätte ich gebraucht, als ich 2018 Parteivorsitzende geworden bin. Wenn wir damals auch mit den zwei besagten Parteikollegen ein Fairnessabkommen abgeschlossen hätten, dann wären wir heute nicht in der Situation, wo wir jetzt sind.
Ziel ist wohl, dass die Partei nach dem Ende des Weges geeint ist. Momentan hat man aber eher den Eindruck, dass sie danach noch mehr gespalten sein wird.
Das ist alles nicht überraschend. Diese Linien hat es seit vielen Jahren gegeben, jetzt aber ist es in der Öffentlichkeit für alle sichtbar. Das ist der Unterschied zu früher. Deswegen gab es nach der für die Sozialdemokratie traurigen Kärntner Wahl den Wunsch nach Klärung. Das habe ich auch sehr unterstützt. Die einen haben gesagt, es braucht einen Sonderparteitag, Hans Peter Doskozil wollte eine Mitgliederbefragung. Wir führen jetzt beides durch. Mit dem klaren Bekenntnis, dass es danach eine geeinte, starke Sozialdemokratie geben soll.
Sie haben keine Sorge, dass nicht Einigung, sondern Spaltung das Ergebnis ist?
Sorge und Angst sind immer schlechte Ratgeber. Ich bin zuversichtlich, dass sich jeder daran hält, was er jetzt sagt. Dass er das Ergebnis der Mitgliederbefragung auch respektiert, damit wir geeint und gestärkt in die politische Auseinandersetzung gehen können. Das muss unser Ziel sein. Das kann aber nur gelingen, wenn alle dazu bereit sind.
Babler hat ein Programm geschrieben, Doskozil verweist auf seine Errungenschaften im Burgenland. Mit welchen Themen wollen Sie bei den Mitgliedern punkten?
Das sind die Themen, die ich schon in den vergangenen Jahren als Schwerpunkte gesetzt habe. Das beginnt beim Kampf gegen die Teuerung und für ein leistbares Leben, das geht über Chancengerechtigkeit vor allem für unsere Kinder bis zur Stärkung des Gesundheits- und Pflegewesens. Wichtig ist auch die Frage der Verteilungsgerechtigkeit und nicht zuletzt auch die Frage, wie schaffen wir gemeinsam mit der Wirtschaft und der Industrie eine sozial gerechte Energiewende.
Die Frage, die allen Kandidaten gestellt wird: Wie halten Sie es mit der FPÖ? Wie halten Sie es mit Herbert Kickl?
Ich schließe die FPÖ als Koalitionspartner für die Sozialdemokratie aus. Mit der menschenverachtenden, hetzerischen und spaltenden Ideologie, wie sie die FPÖ in den vergangenen Jahren immer wieder betrieben hat und aktuell betreibt, ist sie kein Partner. Völlig unabhängig, wer hier an der Spitze steht.
Und wie ist es mit der ÖVP?
Grundsätzlich halte ich es für falsch, Ampelkoalition Rot-Grün-Pink zu sagen und sonst nichts, weil ich der Überzeugung bin, dass die Sozialdemokratie den Anspruch stellen muss, Regierungsverantwortung zu übernehmen und mitzugestalten. In Zeiten wie diesen ist das noch wichtiger. Am Ende des Tages kann es bei meinen zwei Mitbewerbern aber heißen, dass wir wieder in der Opposition landen oder eine FPÖ als Koalitionspartner haben. Beides halte ich für falsch. Es ist falsch zu sagen, Ampel und sonst nichts.
Wenn Sie eine Rückblende machen: Hat es eine Phase gegeben, von der Sie sagen können, da hätte man vielleicht anders agieren müssen, dann wäre alles nicht so weit gekommen?
Was ich mir in den vergangenen Monaten schon öfters gedacht habe: Vielleicht hätte ich in diesen viereinhalb Jahren schon früher auf eine Klärung drängen sollen. Dass der Weg einer Klärung kein angenehmer ist, sieht man ja jetzt. Deswegen habe ich ja auch immer wieder versucht, Hans Peter Doskozil zur Mitarbeit einzuladen. Meine Hand war immer ausgestreckt. Man muss aber irgendwann auch zur Kenntnis nehmen, dass er das nicht wollte.
Diskutiert wurde auch immer wieder über die Person von Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. War es richtig, an ihm so eisern festzuhalten?
Ich halte den Umgang, den wir in den vergangenen Wochen und Monaten innerhalb der Partei haben, teilweise einer Sozialdemokratie unwürdig. Dass man einen Mitarbeiter in der Öffentlichkeit als Prügelknaben hinstellt, halte ich für falsch. Es ist die Person, die es in den vergangenen Jahren geschafft hat, in der Partei einen hohen Schuldenberg abzubauen. Das ist jene Person, die auf Dinge verzichtet hat, die andere Bundesgeschäftsführer davor selbstverständlich hatten, nämlich einen eigenen Chauffeur oder eine volle Gehaltszuzahlung. Darauf verzichtet er zugunsten der SPÖ. Und genau an dieser Person arbeitet man sich ab. Das halte ich für grundfalsch. Ich bin immer jemand, der alle einbindet, der die gesamte Partei als Team sieht.
Also wird sich an der Organisation nichts ändern?
Was aus meiner Sicht im Hinblick auf eine kommende Nationalratswahl und einen Wahlkampf wichtig ist, dass wir uns in der Öffentlichkeit sichtbar breiter aufstellen werden. Sollte ich das Vertrauen der Mitglieder erhalten, dann werden wir das tun. Das gilt für die Löwelstraße, aber auch für den Klub.
Sie haben gesagt, Sie sehen die gesamte Partei als Team. Was sagen Sie zu den innerparteilichen Konflikten zwischen Wien und den Bundesländern? Jetzt gibt es sogar eine SPÖ-Westbahnachse.
Ich finde es eigentlich traurig, zu hören, die gegen die und der Westen gegen den Osten, oder die Partei wäre ein Kasperltheater oder eine elitäre Blase. Das spaltet die Partei und das schadet uns. Jeder hat das Recht, Parteivorsitzender werden zu wollen. Aber niemand hat das Recht, die Partei schlecht zu machen.
Wenn Sie all diese innerparteilichen Konflikte betrachten: Haben Sie es nie bereut, in die Politik zu gehen?
Nein, niemals. Es ist die größte und spannendste Aufgabe, die ich je in meinem Berufsleben hatte.
Sie haben die Ansage gemacht, dass Sie sich zurückziehen, wenn Sie bei der Mitgliederbefragung nicht den ersten Platz erringen. Gilt das nur für den Vorsitz oder überhaupt für die Politik?
Erstens hoffe ich, dass ich mit derselben Leidenschaft, mit demselben Einsatz weiter arbeiten kann mit unserer Partei und für unser Land wie in den vergangenen viereinhalb Jahren. Das ist mein Ziel. Aber sollte ich das Vertrauen der Mitglieder nicht bekommen, dann werde ich das respektieren und einen ehrlichen Schlussstrich ziehen. Das heißt für mich, dass ich mich aus der Politik zurückziehe.
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