Grüne Spitzen in der Basis-Falle
Die Grünen hätten in jüngster Zeit "kein erfreuliches Bild" abgegeben. Das könne sie nicht in Abrede stellen – zu diesem Befund rang sich Wiens Grünen-Chefin Maria Vassilakou Dienstagabend in einem ZiB2-Interview durch.
Einer der wenigen, der mit Sachthemen punktet, ist Peter Pilz. Er sagt zum Zustand seiner Partei: "Würden ein paar Sachen in Ordnung gebracht werden, können wir jederzeit einen Neustart machen. Mein Beitrag dazu wird ein erfolgreicher Eurofighter-U-Ausschuss sein."
Grüner Katzenjammer
Unordnung brachte die erwähnte Causa Heumarkt. Vassilakou ist für das Projekt, Gegner in ihrer Partei erzwangen aber eine Mitglieder-Befragung. Seit eine knappe Mehrheit von 18 Stimmen Nein gesagt hat, weil der UNESCO-Weltkulturerbe-Status durch den Turm gefährdet ist, herrscht Katzenjammer. Die Anti-Hochhaus-Fraktion ist sauer, weil die Mehrheit der Grün-Mandatare das Projekt mit den Roten im Gemeinderat dennoch durchwinken will. Vassilakous Ruf ist beschädigt,weil die Parteispitze versprochen hatte, das Ergebnis der Urabstimmung sei bindend, nun ist das nicht der Fall.
Stecken die Grünen in der Basisdemokratie-Falle, die sie sich selbst gestellt haben? Basisdemokratie ist ja einer ihrer ehernen Grundwerte.
Nationalratsmandatar Wolfgang Zinggl, einer der Initiatoren der Urabstimmung in Wien, sieht "Abstimmungen bei Themen, die in einer Partei umstritten sind, als Chance. Aber auch wir haben damit noch wenige Erfahrungen und müssen daher noch einiges lernen – insbesondere was die Umsetzung eines Ergebnisses betrifft."
An Erfahrungen mit Urabstimmungen mangelt es tatsächlich. Es gab erst ein derartiges Votum – in Oberösterreich. Nur in vier weiteren Länderparteien sind Abstimmungen im Statut vorgesehen (und auf Bundesebene).
Bundesgeschäftsführer Robert Luschnik meint, "das Instrument der Urabstimmung ist richtig und wichtig". Das Problem sei aber, dass sowohl die Urabstimmung als auch das freie Mandat im Parteistatut verankert ist. De facto könne das Ergebnis einer Abstimmung aber nicht bindend für die Abgeordneten sein, weil die Mandatare auch gesetzlich in ihrer Entscheidung frei seien. "Das ist ein Spannungsverhältnis, das man sich mit Sicherheit anschauen wird", sagt Luschnik. Zur Abstimmung in Wien stellt er fest, diese sei "zu spät" erfolgt, "das Projekt ist lange diskutiert worden".
Ganz ähnlich sieht das der Salzburger Grün-Landesrat Heinrich Schellhorn. Von Urabstimmungen hält er viel, allerdings müssten Thema und Zeitpunkt passen. "Da, wo ein Regierungsmitglied hoheitlich handeln muss, ist das äußerst schwierig – so verärgert man nur die eigenen Leute. Vor allem, wenn das Projekt eh schon so gut wie fix ist." In Salzburg habe etwa Parteichefin Astrid Rössler in ihrer Funktion als Landesrätin den Weg für eine 380-KV-Leitung aufgrund von positiven Gutachten freimachen müssen, obwohl die Grünen zu solchen Projekten grundsätzlich Nein sagen.
Auch der Kärntner Grüne Rolf Holub sagt: "Es gibt immer wieder Entscheidungen, die nicht 100-prozentig der eigenen Überzeugung entsprechen. Aber wenn man in der Regierungsverantwortung ist, muss man auf den Partner zugehen." Der Landesrat meint aber auch, wenn in einer Koalition Themen anstehen, die innerparteilich unpopulär sein könnten, sollte man "lieber gleich mit den eigenen Leuten sprechen".
Was sagt man in Wien? Soll man vom Prinzip der Basisdemokratie abrücken? Grünen-Klubchef David Ellensohn: "Das wäre kontraproduktiv. Wir müssen aber das Instrument der Urabstimmung nachschärfen. Zu klären ist: Über welches Thema und zu welchem Zeitpunkt abgestimmt werden soll."
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