Kontroverse um Kanzler-Besuch im Kleinwalsertal

Kontroverse um Kanzler-Besuch im Kleinwalsertal
Der Kanzler wurde im Ländle freudig begrüßt - auch weil die Gemeinde die Bürger um Beflaggung für den hohen Besuch bat. Sepp Schellhorn kündigt nun Anzeige gegen Kurz an - Kanzleramt reagiert.

Es war der erste Termin des Bundeskanzlers außerhalb Wiens seit fast zehn Wochen: Am Mittwoch nach dem Ministerrat reiste Bundeskanzler Sebastian Kurz ins Kleinwalsertal. Der Besuch hatte an sich schon eine große Signalwirkung, noch mehr aber an jenem Tag, an dem die beabsichtigten Grenzöffnungen zu Deutschland und zur Schweiz offiziell wurden.

Das Kleinwalsertal ist eigentlich eine Vorarlberger Gemeinde mit rund 5.000 Einwohnern, die aber aus geografischen Gründen (sie liegt in den Allgäuer Alpen) auf dem Straßenweg nur über Deutschland zu erreichen ist. Weil die Grenzen am Mittwoch aber noch geschlossen waren, musste sich der Kanzler eine Sonder-Transitgenehmigung im bayrischen Innenministerium besorgen, um überhaupt anreisen zu können.

Kontroverse um Kanzler-Besuch im Kleinwalsertal

Beflaggung sorgte für Kritik

Die Gemeinde Mittelberg im Kleinwalsertal hatte die Bürger aufgerufen, Flagge zu zeigen und den Ort für den hohen Besuch zu schmücken. "Eine Öffnung der Grenzen ist für die Branche und für das ganze Tal überlebensnotwendig. Dank der Bemühungen des Bundeskanzlers und des Landes Vorarlbergs ist es nun gelungen, eine Lösung zu finden. Die Idee der Beflaggung war in diesem Zusammenhang als Zeichen der Wertschätzung von Seiten der Gemeinde für die Bemühungen zu verstehen", erklärte die Gemeindeleitung via Facebook.

Nachsatz: "Wir nehmen aber zur Kenntnis, dass diese Geste von manchen Personen falsch aufgefasst wurde und werden auf diese nun verzichten. Gleichzeitig ist es uns wichtig zu betonen, dass es nie eine Anordnung von Seiten der Gemeinde an die Bevölkerung gab, sondern dies immer auf Freiwilligkeit beruht hat."

Kontroverse um Kanzler-Besuch im Kleinwalsertal

Überraschend, auch für das Kanzleramt, war dann doch, dass Kurz doch mit viel Pomp und Transparenten begrüßt wurde. Am Mittwoch war offenbar Kanzlerschauen angesagt, mit Grüppchen entlang der Straße und rot-weiß-rot beflaggten Häusern. Das mag auch daran liegen, dass Kurz der erste Bundeskanzler seit Bruno Kreisky im Jahr 1973 ist, der der kleinen Gemeinde einen offiziellen Besuch abstattete.

In den Sozialen Medien hagelte es allerdings Kritik - vor allem wegen der fehlenden Distanz und der fehlenden Schutzmasken der Bevölkerung.

"Abstand leider nicht eingehalten"

Das Bundeskanzleramt reagierte auf die Kritik der Neos und appelllierte, den Sicherheitsabstand einzuhalten. Obwohl man sich in der Organisation im Vorfeld und beim Besuch direkt darum bemüht habe, sei von Bewohnern und Medienvertretern "teilweise der Mindestabstand leider nicht eingehalten" worden. Auf dem Weg ins Walserhaus habe der Kanzler selbst daher die Bevölkerung und die Medienvertreter auf der Straße mehrmals gebeten und aufgerufen, die Abstandsregeln einzuhalten, betonte ein Sprecher gegenüber der APA.

 

 

Kontroverse um Kanzler-Besuch im Kleinwalsertal
Kontroverse um Kanzler-Besuch im Kleinwalsertal

„Ich freue mich, dass wir mit guten Nachrichten im Gepäck kommen“, sagte der Bundeskanzler, für den es der erste Besuch im Kleinwalsertal war. „Mich freut, dass wir einige Erleichterungen zustande bringen konnten. Die wirklich gute Nachricht: Mit 15. Juni sollen die Grenzen zu Deutschland und der Schweiz völlig fallen“, so Kurz. Dazu müssten die Länder aber auch ihre Hausaufgaben machen und die Ansteckungsraten niedrig halten, sagte Kurz nicht zuletzt zu den Journalisten und Fotografen, die im Eifer des Gefechts jeglichen Sicherheitsabstand vermissen ließen.

Der Kleinwalsertaler Bürgermeister Andi Haid bedankte sich für die „besondere Ehre und Freude“, Kurz empfangen zu dürfen. „Wir hatten eine schwere Zeit und waren de facto sieben Wochen in Quarantäne“, sagte das Gemeindeoberhaupt. Die neue Situation mache Hoffnung. Nun gebe es wieder eine Perspektive für den Tourismus, das einzige Standbein des Kleinwalsertals. „Ohne deutsche Gäste erleiden wir einen wirtschaftlichen Totalschaden“, so der Bürgermeister zur APA.

Als auf den deutschen Tourismus ausgerichtetes Zollausschlussgebiet - vor Einführung des Euro wurde im Kleinwalsertal mit D-Mark bezahlt - haben sich die Grenzschließungen in den vergangenen Wochen im Kleinwalsertal besonders einschneidend ausgewirkt. „Es herrschte im Kleinwalsertal von Anfang an eine besondere Situation. Es war eine Quarantäne aus geografischen Gründen“, sagte Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP). Es sei ein Signal, „gemeinsam hier zu stehen und zu sagen: 'Wir wollen offene Grenzen!'“

Erst Ende April wurde eine Lösung gefunden, derzufolge die Kleinwalsertaler wenigstens nach Süddeutschland und ins restliche Vorarlberg fahren durften, ohne anschließend in 14-tägige Heim-Quarantäne zu müssen. „Wir haben die Hilferufe aus dem Kleinwalsertal gehört“, betonte Wallner. Für Kurz war die Situation der Talschaft beispielhaft dafür, welch' schwierige Situationen die Coronakrise verursacht hat.

Er hoffte, dass Verhandlungen mit Deutschland über die Quarantänebestimmungen noch vor der Grenzöffnung weitere Erleichterungen bringen werden.

Nach der Begrüßung bei der Walserschanz - der Grenze zwischen Deutschland und Österreich - fuhren die Politiker weiter nach Hirschegg, wo eine Arbeitssitzung mit Gemeindevertretern und Touristikern auf dem Programm stand.

Schellhorn kündigt Anzeige an

Der erste Termin von Kurz außerhalb Wiens seit zehn Wochen löste aber auch einige Empörung in Sozialen Medien und eine Anzeigen-Ankündigung der NEOS aus.  NEOS-Abg. Sepp Schellhorn zeigte sich empört: "Das ist ja unglaublich! Ist das echt? Die Kulturschaffenden, Theater und Filmemacher müssen sich über Hygienebestimmungen den Kopf zerbrechen. Wirte um Abstandsregelungen mit Masken und dann das" twitterte er - und kündigte eine Anzeige an: "Herr @karlnehammer walten Sie ihres Amtes! Wir werden eine Anzeige einbringen!", so ein weiterer Tweet des pinken Abgeordneten.

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