Grazer Gemeinderat löste sich auf: Neuwahlen Anfang 2017

Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl am Donnerstag im Gemeinderat.
"Sündenbock" KPÖ wies Verantwortung für Neuwahlen von sich. Murkraftwerk als Zankapfel.

Der Grazer Gemeinderat hat sich am Donnerstag in einer Sondersitzung aufgelöst und damit den Weg für Neuwahlen Anfang 2017 geebnet. Wahltermin dürfte der 5. Februar sein. Die Auflösung des Gemeinderats war notwendig, da Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) trotz SPÖ-Hilfe für sein Budget keine Mehrheit gefunden hatte. Die KPÖ hatte ihre Unterstützung an eine Volksbefragung zum Murkraftwerk geknüpft.

Die von ÖVP und SPÖ beantragte Selbstauflösung des Grazer Gemeinderats ist ein Novum. Sie wurde zum ersten Mal seit Bestehen der Zweiten Republik beschlossen und mehrheitlich angenommen, lediglich die FPÖ stimmte der Auflösung nicht zu. Vor der Abstimmung gab es gegenseitige Schuldzuweisungen.

Grazer Gemeinderat löste sich auf: Neuwahlen Anfang 2017
ABD0063_20161117 - GRAZ - ÖSTERREICH: Stadträtin Lisa Rücker (Grüne) am Donnerstag, 17. November 2016, anl. einer Sondersitzung des Grazer Gemeinderats zu Budgetprovisorium und Selbstauflösung für die Neuwahlen in Graz. - FOTO: APA/ERWIN SCHERIAU
Bürgermeister Nagl betonte, dass in den vergangenen zwei Jahrzehnten, in denen er mitgestalten durfte, vieles gelungen sei. "Oft ist es nötig, politisch nicht auf seinem Standpunkt zu bleiben", meinte Nagl in Richtung KPÖ und kritisierte, dass von sechs Fraktionen im Gemeinderat "gleich vier sagen, sie verhandeln nicht" über das Budget. Bezüglich Murkraftwerk führte er das Atomkraftwerk Krsko in Slowenien ins Treffen: "Bei einem Zwischenfall haben wir keine 30 Minuten Zeit, bis die Radioaktivität bei uns ist. Daher will ich statt Atomkraft die Wasserkraft nützen."
Grazer Gemeinderat löste sich auf: Neuwahlen Anfang 2017
ABD0056_20161117 - GRAZ - ÖSTERREICH: Die Vizebürgermeisterin der Stadt Graz, Elke Kahr (KPÖ) und der Bürgermeister von Graz, Siegfried Nagl (ÖVP), am Donnerstag, 17. November 2016, anl. einer Sondersitzung des Grazer Gemeinderats zu Budgetprovisorium und Selbstauflösung für die Neuwahlen in Graz. - FOTO: APA/ERWIN SCHERIAU
SPÖ-Gemeinderat Gerald Haßler schob den schwarzen Peter der KPÖ zu: "Sie hat 'njet' gesagt und das nach konstruktiven Gesprächen über das Budget, in denen schon Vieles ausverhandelt war." Die Zusammenarbeit mit der KPÖ in den vergangenen Jahren sei nur eine "Eintagsfliege" gewesen. Das sei eine unverantwortliche Politik und nun würde die KPÖ wieder "ins kuschelige Oppositionsnesterl flüchten".

"Kuscheln tu ich woanders, nicht hier im Gemeinderat"

Ina Bergmann, Gemeinderätin der KPÖ, entgegnete: "Kuscheln tu ich woanders, nicht hier im Gemeinderat." Sie wies das Sündenbock-Image der Kommunisten zurück. Schon die FPÖ habe 2014 "kalte Füße" bekommen und wollte Nagl zu Neuwahlen zwingen. Damals sei die KPÖ eingesprungen und habe ein Budget mitbeschlossen, rief sie in Erinnerung. Für Bergmann war ihre Rede die voraussichtlich letzte im Gemeinderat.

Grazer Gemeinderat löste sich auf: Neuwahlen Anfang 2017
ABD0061_20161117 - GRAZ - ÖSTERREICH: Stadtrat Kurt Hohensinner (ÖVP) am Donnerstag, 17. November 2016, anl. einer Sondersitzung des Grazer Gemeinderats zu Budgetprovisorium und Selbstauflösung für die Neuwahlen in Graz. - FOTO: APA/ERWIN SCHERIAU
FPÖ-Vertreter Armin Sippel meinte, dass sich Nagl als "geknickter Ehepartner" gebe: "Aber wenn ihm drei Partner in vier Jahren weglaufen, muss man wohl eher ihn zur Paartherapie schicken." Die ÖVP habe Handschlagqualität vermissen lassen. Gerhard Wohlfahrt von den Grünen brachte ebenfalls die schwierigen Beziehungen des Bürgermeisters aufs Tapet: "Er hatte mit allen Fraktionen in den vergangenen Jahren Koalitionen oder Zusammenarbeit, aber mit keiner ist er am Ziel angekommen." Er finde rasche Neuwahlen gut, Politik solle wieder gestalten und nicht verwalten, so Wohlfahrt.
Grazer Gemeinderat löste sich auf: Neuwahlen Anfang 2017
ABD0060_20161117 - GRAZ - ÖSTERREICH: Die leere Regierungsbank aufgenommen am Donnerstag, 17. November 2016, anl. einer Sondersitzung des Grazer Gemeinderats zu Budgetprovisorium und Selbstauflösung für die Neuwahlen in Graz. - FOTO: APA/ERWIN SCHERIAU
Die Neuwahlen in Graz hatten sich bereits Mitte Oktober abgezeichnet: Seit Jahren gilt das geplante Murkraftwerk in Graz-Puntigam als Zankapfel der Stadtpolitik. Grüne und KPÖ wehren sich dagegen und forderten eine Volksbefragung. Eine Initiative sammelte seit 2011 Stimmen dafür und brachte auch mehr als 10.000 gültige Unterschriften bei der Stadt ein. Doch statt einer Befragung entschieden die Juristen der Stadt, dass die Formulierung der Fragen nicht eindeutig genug wäre. Das, obwohl die Initiative 2011 ihre Fragen mit der Präsidialdirektion der Stadt abgesprochen hatte.
Grazer Gemeinderat löste sich auf: Neuwahlen Anfang 2017
ABD0062_20161117 - GRAZ - ÖSTERREICH: Stadtrat Gerhard Rüsch (SPÖ) am Donnerstag, 17. November 2016, anl. einer Sondersitzung des Grazer Gemeinderats zu Budgetprovisorium und Selbstauflösung für die Neuwahlen in Graz. - FOTO: APA/ERWIN SCHERIAU
Laut den Juristen habe sich jedoch in der Zwischenzeit die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs fortentwickelt. Vizebürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ), die seit Beginn ihrer Zusammenarbeit mit Nagl eine Volksbefragung als zwingend angesehen hatte, nahm das Nein zur Befragung zum Anlass, ihre Zustimmung zum Budget 2017 zu verweigern. Der Bürgermeister stand damit vor dem Problem einer Mehrheitsfindung.
Grazer Gemeinderat löste sich auf: Neuwahlen Anfang 2017
ABD0055_20161117 - GRAZ - ÖSTERREICH: Die Vizebürgermeisterin der Stadt Graz, Elke Kahr (KPÖ) und der Bürgermeister von Graz, Siegfried Nagl (ÖVP), am Donnerstag, 17. November 2016, anl. einer Sondersitzung des Grazer Gemeinderats zu Budgetprovisorium und Selbstauflösung für die Neuwahlen in Graz. - FOTO: APA/ERWIN SCHERIAU
Die ÖVP hielt zuletzt 17 Mandate, die KPÖ zehn, SPÖ und FPÖ jeweils sieben, die Grünen sechs und die Piraten eines. Die geschwächte SPÖ hatte Nagl für das Budget 2017 Unterstützung zugesagt. Für eine Mehrheit reichte das aber nicht. Mit der KPÖ gab es weit gediehene Gespräche. Als die Entscheidung gegen eine Volksbefragung zumMurkraftwerk gefallen war, lehnte die KPÖ auch das Budget ab. Neuwahlen waren damit so gut wie fix.

Abschied für Ex-Vizebürgermeisterin Rücker

Die ehemalige Grazer Vizebürgermeisterin Lisa Rücker (Grüne) hat bei der Sondersitzung des Grazer Gemeinderats am Donnerstag ein letztes Mal vom Podium gesprochen. Sie scheidet aus dem Landesparlament aus. "Ich war gerne Teil des Gemeinderats und der Stadtregierung", sagte Rücker mit Tränen in den Augen.

Grazer Gemeinderat löste sich auf: Neuwahlen Anfang 2017
ABD0067_20161117 - GRAZ - ÖSTERREICH: Stadträtin Lisa Rücker (Grüne) am Donnerstag, 17. November 2016, anl. einer Sondersitzung des Grazer Gemeinderats zu Budgetprovisorium und Selbstauflösung für die Neuwahlen in Graz. - FOTO: APA/ERWIN SCHERIAU
Die Grüne Politikerin war seit 2003 Gemeinderätin in Graz und wurde nach der Wahl 2008 durch einen satten Stimmenzuwachs Stadträtin. Rücker ging in Koalition mit Siegfried Nagl (ÖVP) und wurde dadurch erste Grüne Vizebürgermeisterin in der steirischen Landeshauptstadt. Im Frühjahr 2012 ging die Koalition in die Brüche. Rücker war nach der vergangenen Gemeinderatswahl im November 2012 weiterhin als Stadträtin für Kultur tätig. Bei den kommenden Neuwahlen Anfang 2017 wird Tina Wirnsberger für die Grünen ins Rennen gehen.

"Wir haben in vielen Gemeinderatssitzungen gerungen und gestritten. Ich habe manchmal ein scharfes Wort verwendet. Sollte ich jemanden verletzt haben, möchte ich mich dafür entschuldigen", erklärte Rücker anlässlich ihres Abschieds. Sie habe das Gefühl, dass die Politik derzeit von einem "politischen Vandalismus" bedroht werde: "Verantwortlicher Weitblick stößt auf wenig Interesse", so ihre Einschätzung. Dennoch blieb sie optimistisch: "Graz hat Potenzial eine Stadt zum guten Leben zu bleiben."

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