Anzeige gegen Gewessler: Warum Van der Bellen noch ruhig bleibt
In seinem ersten öffentlichen Statement hatte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) klar auf den Tisch gelegt, warum er die Koalition mit den Grünen nicht sofort aufkündigt.
Er wolle nicht, dass so das Land in ein parlamentarisches Chaos gestürzt werde. Auch wenn er persönlich Lust gehabt hätte, anders zu handeln. In seiner ÖVP hat er dafür nicht nur Applaus geerntet. Viele Funktionäre hätten es gerne gesehen, wenn der Kanzler konsequenter gegen die grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler vorgegangen wäre.
Er hätte zumindest die Entlassung der Ministerin bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen beantragen müssen, so wie das Ex-Kanzler Sebastian Kurz 2019 im Fall des damaligen Innenministers Herbert Kickl getan hat, hört man in der Partei. Immerhin gehe es um den Vorwurf, dass die grüne Ministerin mit dem Ja zum Renaturierungsgesetz einen Verfassungsbruch begangen habe. Die Turbulenzen des Jahres 2019, die mit einer Expertenregierung endeten, will Nehammer diesmal allerdings vermeiden.
Stillschweigen vereinbart
Tatsächlich hat es am Sonntagabend ein Telefonat zwischen Nehammer und Van der Bellen gegeben. Über den Inhalt wurde Stillschweigen vereinbart. Es dürfte dabei aber eher darum gegangen sein, wie jetzt weiter regiert wird und nicht um eine mögliche Entlassung von Gewessler aus der Regierung. Der Bundespräsident hat sich bisher zu dem Fall öffentlich nicht geäußert. Was ihm zum Teil angekreidet wird. Etwa von Oberösterreichs ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer: "Schauen wir mal, was der Herr Bundespräsident sagt. Der hat sich ja in der letzten Zeit auch in der einen oder anderen tagespolitischen Frage gemeldet."
Und der 3. Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) postete auf X: "Unabhängig von der parteipolitischen Komponente der Regierungskrise wäre für viele Menschen in Österreich die Meinung des Bundespräsidenten zur Verfassungsfrage von Interesse."
In der ÖVP-Zentrale in Wien wird derzeit intensiv an der Anzeige gegen Leonore Gewessler wegen Amtsmissbrauchs gearbeitet. Diese soll so rasch wie möglich eingebracht werden. Wie man hört, könnte das eine oder andere ÖVP-regierte Bundesland sowie eine Interessensvertretung in diese Richtung aktiv werden. Ziemlich fix ist, dass die FPÖ bei der Nationalratssitzung einen Misstrauensantrag gegen Gewessler einbringt. Und die ÖVP-Mandatare schweren Herzens wohl dagegen stimmen müssen.
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