Renaturierungsstreit: Nehammer sieht Verfassungsbruch durch Gewessler

Renaturierungsstreit: Nehammer sieht Verfassungsbruch durch Gewessler
ÖVP beendet trotz massiver Empörung nach Gewessler-Alleingang Koalition nicht und will einen geordneten Übergang bis zur Nationalratswahl.

Der Streit zwischen Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) und der ÖVP ist am Montag auch in Brüssel Thema gewesen.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) warf Gewessler Verfassungsbruch vor. Allerdings: Er werde die Koalition trotz dieses Vertrauensbruches nicht aufkündigen. "Ich werde diese Bundesregierung bis zum 29. September anführen. Gesetzesvorhaben, "soweit sie mit diesem Koalitionspartner möglich sind" werde man noch umsetzen. Emotional sei es zwar Zeit, die Koalition zu beenden. "Der  Koalitionspartner hat sein wahres Gesicht gezeigt. Er ist bereit, Ideologie über die Verfassung und das Recht zu stellen." 

Seine Verantwortung sei aber, "Chaos und das freie Spiel der Kräfte" im Parlament zu verhindern. "Das gab es schon einmal, seit 2008 hat uns das 30 Milliarden Euro gekostet." 

Erwartungsgemäß sparte der Kanzler nicht mit Kritik an Ministerin Gewessler: "Wenn jeder Minister so arbeiten würde, also wenn jeder für sich mit Privatgutachten die Verfassung auslegt, wäre das Resultat Chaos und Uneinigkeit."

Nehammer erklärte einmal mehr, warum die ÖVP gegen das EU-Renaturierungsgesetz ist: "Es würde eine überbordende Regulierung bedeuten und passt für Österreich einfach nicht."

Das Gesetz hat die EU und ihre Mitgliedsstaaten seit mehr als zwei Jahren beschäftigt. Schon im EU-Parlament hatte die christdemokratische EVP, zu der auch die ÖVP gehört, massiven Widerstand gegen das Gesetz geleistet, das schließlich deutlich abgeschwächt wurde. So wurden nicht nur die Prozentziele für jene Flächen und Landschaften, deren Zustand verbessert werden soll, abgesenkt, auch wurden die Maßnahmen der Landwirtschaft ausdrücklich als "freiwillig" definiert. Damit wurde auf Bedenken der Bauern eingegangen. 

Das EU-Parlament hat den in den Verhandlungen mit den 27 Mitgliedsstaaten abgeschwächten Entwurf schließlich im Februar 2024 abgesegnet. Obwohl die Zustimmung der Mitgliedsstaaten im EU-Rat  nach eine solchen Einigung üblicherweise ein Formalakt ist, blieb der Widerstand, etwa von Italien, massiv. Die belgische Ratspräsidentschaft verhandelte intensiv hinter den Kulissen, um eine Einigung zustande zu bringen. Schließlich aber war es der Schwenk der grünen Umweltministerin, der die Entscheidung möglich machte.

Ein Beschluss gegen die Warnung des Bundeskanzleramtes

Das EU-Renaturierungsgesetz ist am Montag in Luxemburg beschlossen worden - trotz Warnungen aus dem Bundeskanzleramt. Österreichs Stimme war bei dem Votum entscheidend gewesen- sie kam von Gewessler (Grüne), die damit einen Alleingang auf EU-Ebene hinlegte. 

Das Bundeskanzleramt kündigte an, eine Nichtigkeitsklage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einzubringen. Die ÖVP zeigte die Umweltministerin wegen Amtsmissbrauchs an. 

Grünen-Chef Kogler gelassen

„Wir sehen diesen Ankündigungen sehr gelassen entgegen, weil wir die rechtliche Situation selbst geprüft haben“, sagt dazu Grünen-Chef Werner Kogler. Er verteidigt das Ja Gewesslers zum „weltweit wichtigsten Naturschutzgesetz“: „Die Natur ist keine Frage der Ideologie, sondern der Verantwortung. Denn wer kümmert sich sonst um die Natur als die Grünen?“ Er würde alles wieder genauso tun. 

Zum Zustand der Koalition sagt er: „Wir hatten schon oft schwierige Momente. Aber wir haben uns immer wieder zusammengerauft. Ich bin zuversichtlich, dass das auch jetzt gelingt.“

Er sieht noch wichtige Themen, die die Koalition angehen müsste: Von der Luftraumverteidigung über den Ausstieg aus dem Russengas bis hin zum Tierschutz. Stichwort: Abschaffung der Vollspaltenböden- Haltung von Schweinen.

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