Krisenmanagement neu: Der erste Gesetzes-Entwurf im Detail
Erstmals soll in Österreich das Krisenmanagement gesetzlich geregelt werden. Das kündigte die Regierung am Nationalfeiertag an. Ein erster Entwurf wird heute der Opposition übermittelt, Türkis-Grün zeigt sich offen für Korrektur-Vorschläge. Mitte November sollte das fertige Gesetz dann in Begutachtung geschickt und im Februar beschlossen werden.
Der Gesetzesentwurf liegt dem KURIER vor, das sind die wesentlichen Punkte:
1. Die Krisenvorsorge
Corona hat gezeigt, dass Österreich auf Krisen de facto null vorbereitet ist. Wer das Sagen hat und die Kommunikation übernimmt, wo alle Informationen zusammenlaufen, und wo man Material oder sonstige Mittel zur Versorgung herbekommt - all das musste zu Beginn der Pandemie improvisiert werden.
Das soll sich nun ändern. Erstens muss sich per neues Gesetz jedes Ministerium darum kümmern, für den Krisenfall ausgestattet zu sein. Krisenpläne müssen erstellt werden, das Personal muss für den Ernstfall geschult sein.
Zweitens kommt dem Bundesheer eine bedeutende Rolle zu. Derzeit kann das Heer nur dann im Rahmen eines Assistenzeinsatzes helfen, wenn die Krise bereits eingetreten ist. Zuletzt hat das Heer beispielsweise auf Teststraßen oder beim Grenzschutz ausgeholfen.
In Zukunft soll der Ministerrat das Heer per einstimmigen Beschluss beauftragen können, Vorsorge für den Krisenfall zu treffen. Etwa Lager für Lebensmittel oder medizinische Materialien einzurichten.
Das Bundesheer hortet schon jetzt für den Eigenbedarf Vorräte an Treibstoff, Munition, Kleidung und Lebensmitteln. Beispielsweise gibt es in den Truppenküchen der Kasernen immer genug Essen, um die dort stationierten Soldaten für sieben Tage zu verköstigen – etwa mit Dosenbrot oder eingeschweißten Mahlzeiten, sogenannte Astronautennahrung. Jede Kaserne muss zudem immer genug Treibstoff für die eigenen Fahrzeuge gelagert haben. Diese Eigenständigkeit soll weiter ausgebaut werden.
Bereits seit Längerem ist geplant, dass zwölf der 100 Kasernen-Standorte als „Sicherheitsinseln“ autark werden – in Hinblick auf Energie, Treibstoff, Wasser, medizinische Güter und Lebensmittel.
Diese „Sicherheitsinseln“ sollen in erster Linie den Blaulichtorganisationen zur Verfügung stehen. Denkbar ist, dass von dort aus auch die breite Bevölkerung versorgt wird, etwa bei einem Blackout. Das ist aber noch völlig offen. Der Ministerrat müsste per Beschluss konkret festlegen, welche Vorräte es für wie viele Menschen und für welchen Zeitraum braucht.
2. Neuer Krisenberater bzw. -koordinator
Die Regierung soll per Ministerratsbeschluss einen Berater bestellen. Der- oder diejenige soll der gesamten Regierung beratend zur Seite stehen, bevorstehende Krisen frühzeitig erkennen und auch Schnittstelle zwischen allen Ministerien, Behörden und Ländern sein.
Der Krisenberater bzw. -koordinator soll auch dem Parlament halbjährlich einen Bericht abliefern bzw. Rede und Antwort stehen. Bestellt wird er auf fünf Jahre - er soll daher auch etwaige Regierungswechsel und Neuwahlen überdauern.
3. Definition: Ab wann herrscht Krise?
Dass eine Krise vorliegt, muss der Ministerrat einstimmig beschließen. Anschließend muss der Hauptausschuss im Parlament zustimmen. Erst dann können die zuständigen Minister Verordnungen für die Krise erlassen - so wie derzeit bereits bei Corona. Die Verordnungen müssen immer nach sechs Wochen verlängert werden, sonst laufen sie aus.
Im Gesetz wird eine "Krise" als Ereignis oder als Entwicklung definiert, die eine außergewöhnliche Gefahr für Leben und Gesundheit der Allgemeinheit, die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die Umwelt oder das wirtschaftliche Wohl darstellt.
4. Koordination im neuen Bundeslagezentrum
Ab dem Zeitpunkt, an dem die Krise amtlich ist, laufen alle Fäden in einem Bundeslagezentrum zusammen, das neu errichtet werden soll. Als Standort wurde das Innenministerium bestimmt - genauer gesagt das 4. Untergeschoß, das derzeit als Garage und Keller dient.
In diesem Bundeslagezentrum sollen vor der tatsächlichen Krise alle relevanten Informationen zur Vorsorge zusammenlaufen und entsprechende Lagebilder erarbeitet werden.
Derzeit ist im Innenministerium bereits das SKKM (Staatliches Krisen- und Katastrophenmanagement) eingerichtet, bislang gab es dafür aber keine gesetzliche Grundlage. Das SKKM soll im neuen Lagezentrum aufgehen.
Im Lagezentrum sollen auch regelmäßig Ausschüsse stattfinden, die Lageberichte zu potenziellen Bedrohungen behandeln: Vorab schweben Türkis-Grün vier verschiedene Ausschüsse für entsprechende Krisenszenarien vor:
- Ein sicherheitspolitischer Ausschuss für Themen wie Terror oder Migration.
- Ein gesundheitspolitischer für Pandemien wie Corona oder eine andere Seuche.
- Ein energiewirtschaftlicher für den Fall eines großflächigen Stromausfalls (vulgo Blackout).
- Ein umweltpolitischer für Flutkatastrophen oder Waldbrände.
5. Und wer hat das Sagen?
Je nach Krise ist der jeweilige Minister "Chef" des Krisenmanagements. Auch das wird im Ministerrat beschlossen und vom Hauptausschuss abgesegnet. Abgesehen von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein kommen in der derzeitigen Regierung Innenminister Karl Nehammer oder Infrastruktur- bzw. Klimaministerin Leonore Gewessler infrage.
Allerdings: Sie koordinieren und kommunizieren nur. Entscheidungen werden nach wie vor - wie derzeit bei Corona - im Ministerrat getroffen bzw. in den einzelnen Ministerien im Rahmen von Verordnungen. Und: Die Länder behalten ihre Kompetenzen.
Wir kennen das bereits jetzt von Corona: Die Regierung einigt sich auf ein Vorgehen, der Gesundheitsminister erlässt Verordnungen, die Länder setzen diese dann um - bestimmen aber eigenständig, wie.
Kommentare