Gerichtspräsident zeigt Lücken in der Korruptionsbekämpfung auf

ARCHIVBILD / THEMENBILD: JUSTIZPALAST
OLG-Präsident Wigbert Zimmermann fordert Info-Freiheit, Transparenzgesetz und Bundesstaatsanwalt ohne Polit-Einfluss.

Der Präsident des Innsbrucker Oberlandesgerichts, Wigbert Zimmermann, sieht weiter offene Baustellen bei der Korruptionsbekämpfung in Österreich. Es gebe hierzulande nach wie vor ein „Problem“, „wenn man die letzte, jüngere Vergangenheit ansieht“, sagt er im APA-Interview. Um eine Lücke zu schließen, drängt er auf den Beschluss des Transparenzgesetzes.

Zimmermann sprach sich außerdem auch für eine Diskussion über die Befangenheitsregelung von Verfassungsrichtern aus.

GRECO-Bericht zeigt "grobe Mängel" auf

Zimmermann, der vergangenen Herbst sein Amt als OLG-Präsident angetreten hat, bezieht sich auf den noch nicht offiziell veröffentlichten Bericht der Staatengruppe des Europarats gegen Korruption (GRECO). Dieser zeigt grobe Mängel bei der Bekämpfung und Prävention von Korruption auf. Der Jurist sieht Österreich durch die von der Regierung vorgelegte Reform des Korruptionsstrafrechts zwar auf einem „guten Weg“- allerdings sei „vieles noch ungelöst“.

Das Transparenzgesetz bzw. das Informationsfreiheitsgesetz seien „breit diskutiert, aber noch nie beschlossen worden“. Justiz und Bundesbehörden seien hier „sehr offen. Die großen Bremser sind aber die Gemeinden und regionalen Gebietskörperschaften, die einen riesen Mehraufwand befürchten“. „Es wäre höchst an der Zeit, das Amtsgeheimnis aufzugeben“, ist Zimmermann überzeugt. Man müsse die Situation „umdrehen“, dass „grundsätzlich alles offen und transparent ist und man aber Ausnahmen schafft, wie zum Beispiel im Familienrecht. Das ist nichts für die Öffentlichkeit“, schlägt der Präsident vor.

Personalbestellung bei Justiz reformiert

Kein gutes Licht wurde in den vergangenen Jahren auch auf Vorgänge innerhalb der Justiz geworfen, nachdem etwa der suspendierte Sektionschef Christian Pilnacek und der Wiener OStA-Chef Johann Fuchs selbst Strafverfolgungen ausgesetzt waren bzw. sind und der Verdacht besteht, dass die Bestellung von OGH-Vizepräsidentin Eva Marek zur Leiterin der OStA Wien im Jahr 2014 parteipolitisch motiviert gewesen sein könnte. Man habe die Kritik „ernst genommen“, indem die Bestellungsverfahren von Präsidentin bzw. Vizepräsidentin des OGH und die richterlichen Auswahlverfahren reformiert wurden. Dies würde der Justiz nun „guttun“.

Interessenskonflikt bei Verfassungsrichtern

Einen möglichen Interessenskonflikt sieht Zimmermann im Bereich der Verfassungsgerichtsbarkeit, wenn Richter gleichzeitig - wie derzeit üblich - als Anwälte arbeiten. Zuletzt geriet die Arbeit des Verfassungsrichters Michael Rami in die Schlagzeilen, der einst auch FPÖ-Politiker und zuletzt beispielsweise den ehemaligen Burgschauspieler Florian Teichtmeister vertreten hat. „Von der Gesamtoptik her ist das nicht optimal“, gibt Zimmermann zu bedenken. „Wir sollten uns ernsthaft damit auseinandersetzen, wie wir das in Zukunft gestalten“ sagt er und bringt eine Befangenheitserklärungspflicht ins Spiel, wie es sie bereits de facto in der ordentlichen Gerichtsbarkeit gebe.

PK ZUR REFORM DES KORRUPTIONSSTRAFRECHTS: ZADIC / EDTSTADLER

VfGH-Mitglieder sind derzeit selbst dafür verantwortlich, eine Befangenheit anzuzeigen und sich aus den Beratungen herauszunehmen. Dass VfGH-Richter von den Parteien nominiert werden, sieht Zimmermann indes nicht als „Widerspruch“. Der Bestellvorgang müsse lediglich „transparent“ sein.

Chats über politische Entscheidungsprozesse sollen in die Akten

„Sehr viel abgewinnen“ kann Zimmermann zudem dem Vorschlag von WKStA-Leiterin Ilse Vrabl-Sanda, die Sicherstellung und Auswertung von Handys und Laptop sowie für die „Veraktung“ elektronischer Kommunikation dann nicht einzuschränken, wenn die fraglichen Daten auf den elektronischen Geräten politische Entscheidungsprozesse betreffen. Der OLG-Präsident bezeichnet sich selbst zwar als „großen Befürworter der Grundrechte und Privatsphäre. Aber dort, wo es um transparente Entscheidungsprozesse gehen soll, soll es auch einen Zugang geben“. Wenn es eine „Veraktung“ gebe, würde man auch aus der „'Privatsphäre' des Chatverkehrs“ herauskommen.

Medien betreiben "Vorverurteilung"

Als durchaus problematisch empfindet Zimmermann den Umgang mit der Unschuldsvermutung in der Öffentlichkeit. „Jemand, der verdächtigt wird, ist schützenswert“, spricht er sich grundsätzlich für einen Verzicht medialer Berichterstattung bis zur Anklageerhebung aus. Er würde die Veröffentlichung einer Ermittlung jedoch nicht unter Strafe stellen, sondern dies sollte „compliancemäßig“ von Medien akzeptiert werden. Er räumt jedoch ein, dass es im Einzelfall „immer eine Interessensabwägung“ bleiben werde, „Personen des öffentlichen Lebens werden nicht denselben Schutz haben wie eine Privatperson“.

Höherer Kostenersatz bei Freisprüchen

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hatte sich in puncto Schutz von Verdächtigen bzw. Angeklagten zuletzt für eine Stärkung der Beschuldigtenrechte ausgesprochen. Zimmermann räumt ein, dass Verfahren v.a. der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) „objektiv lange oder auch zu lange dauern“, allerdings spricht er sich gegen eine absolute Höchstgrenze von Ermittlungsverfahren aus. Die bestehende gesetzliche Regelung mit einem Kontrollmechanismus durch ein Gericht empfindet er als ausreichend. „Nachbesserungsbedarf“ ortet er dagegen bei der Anhebung der Kostensätze bei Freisprüchen.

Politik will "Einfluss nicht abgeben"

Eine Trennung von Strafgerichtsbarkeit und Politik durch die Schaffung eines Bundesstaatsanwaltes, wie derzeit von der Regierung geplant, begrüßt er ausdrücklich. Das vom Justizministerium vorgeschlagene Modell eines Dreiersenates beurteilt er als gut und ausreichend demokratisch legitimiert. Den Einwand von Verfassungsministerin Edtstadler, dass es zusätzliche parlamentarische Kontrolle benötige, kann Zimmermann dagegen nicht nachvollziehen. Den Grund dafür, dass die Bundesstaatsanwaltschaft noch nicht umgesetzt wurde, ortet er in der „Scheu, Einflussmöglichkeiten abgeben zu können. Das kappe ich natürlich, wenn es einen unabhängigen Senat gibt. Weil sonst ist das ja schwer nachvollziehbar, weil das ist an und für sich keine wahnsinnig komplizierte Geschichte“, findet der OLG-Präsident deutliche Worte. Derzeit hat die Justizministerin das Recht, mit einer Weisung über Anklage oder Nichtanklage zu entscheiden.

Kommentare