General Brieger schließt EU-Armee langfristig nicht aus
Der frühere heimische Generalstabschef und Vorsitzende des EU-Militärausschusses, Robert Brieger, schließt eine EU-Armee langfristig nicht aus. Sollte Europa nach den US-Wahlen mehr verteidigungspolitische Verantwortung übernehmen müssen, kann sich Brieger eine Stärkung des europäischen Pfeilers der NATO oder eine europäische Armee vorstellen, sagte er gegenüber dem Nachrichtenmagazin "profil". "Ich würde es generell für die fernere Zukunft nicht ausschließen."
Je stärker die europäische Integration voranschreite - was mit der Abgabe von hoheitlichen Souveränitätsrechten verbunden sei-, desto stärker werde auch die Frage gemeinsamer Streitkräfte in den Vordergrund rücken. Aktuell zeigte sich Brieger jedoch zuversichtlich, dass die "Europäische Union ein Instrumentarium erhalten wird, um auch künftig die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten". Er verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die EU-Battlegroups zu einer raschen Eingreiftruppe mit 5.000 Mann ausgebaut werden und ab 2025 in erster Linie außerhalb Europas und komplementär zur NATO einsatzbereit sein sollten.
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Für den Ausbau der Battlegroups brauche es jedoch höhere Verteidigungsbudgets sowie mehr ausgebildete Soldaten. Hier sieht er noch Mängel. Seiner Erfahrung nach wären die Kapazitäten, um 5.000 Mann bereitzustellen, "grundsätzlich sehr wohl vorhanden", allerdings gebe es noch keine endgültige politische Einigung. "Wir versuchen Anreize zu schaffen, indem bestimmte Kosten wie für den Transport gemeinschaftlich getragen werden", betonte der Vorsitzende des EU-Militärausschusses, der auch erklärte, sich mit dem ungarischen Generalstabschef "ausgezeichnet" zu verstehen.
Ein weiteres Problem ist, dass es in "Europa bedauerlicherweise eine Unzahl verschiedener Fahrzeuge, Flugzeuge und Waffensysteme" gebe. "Wir arbeiten jetzt aber in die Richtung, diese Vielfalt zu verringern, dafür aber mehr gemeinsame Projekte und Beschaffungen zu forcieren. Auch wenn es teils noch Zukunftsmusik ist", so der General.
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"Russland darf Krieg nicht gewinnen"
Außerdem plädierte Brieger für die weitere Unterstützung der Ukraine. "Russland darf den Krieg nicht gewinnen." Brieger erläuterte: "Die Sicherheit der Ukraine ist aufs Engste mit der Sicherheit Europas verbunden." Eine russische Kontrolle über die Ukraine würde den russischen Einfluss um viele 100 Kilometer nach Westen verschieben und damit ein ähnliches Gefährdungspotenzial wie im Kalten Krieg herbeiführen. Im Baltikum sei die "russische Nachbarschaft deutlich spürbarer als in Brüssel".
Sollte Europa angegriffen werden, würde "dann sowohl die Beistandspflicht des EU-Vertrags als auch des Artikels 5 der NATO, also die kollektive Verteidigung, angewandt werden", erläuterte Brieger die rechtliche Situation. "Pragmatisch gesehen wäre wohl die NATO der primäre Akteur, weil sie über ein Führungssystem verfügt, das in diesem Umfang in der EU nicht - oder noch nicht - ausgebaut ist. In einem solchen Szenario hätte aber auch die EU Schutzaufgaben zu übernehmen, etwa im Bereich des Schutzes kritischer Infrastrukturen."
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Den Raketenschutzschirm "Sky Shield" als europäische Initiative findet Brieger sinnvoll. Verständnis zeigte er für Frankreich, das "die verständlichen Bedenken hatte, sich anzuschließen, wenn sie ihre eigenen Technologien nicht anbieten kann." Die wesentlichen Komponenten stammen aus den USA, Israel und Deutschland. "Wenn man eine Möglichkeit gefunden hätte, um Frankreich einzubinden, dann hätte es vielleicht anders ausgesehen." Außerdem bekräftigte Brieger, dass Sky Shield mit der österreichischen Neutralität vereinbar sei, "solange die Entscheidung über einen Waffeneinsatz in österreichischer Hand bleibt."
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