Frühstart in den Wiener Wahlkampf

Frühstart in den Wiener Wahlkampf
ÖVP und FPÖ nehmen Michael Ludwig in die Zange. Trotzdem hat er keine schlechten Karten

Gekommen ist Michael Ludwig zur Klausur des SPÖ-Parlamentsklubs als Einpeitscher, verlassen hat er sie als heimlicher Sieger: Frenetischer Jubel schlug dem Wiener Bürgermeister am Freitag entgegen, als er vor den Genossen zur Abrechnung mit Türkis-Blau ansetzte: Wien, die Stadt, die niemals schläft, sei eine der lebenswertesten Städte, mit einem Rekord an Beschäftigung, hielt er den Attacken von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) entgegen.

Auch wenn Ludwig das Angebot eines „Neustarts“ in den Beziehungen mit dem Bund wiederholte, konnte er über eines nicht hinwegtäuschen: Wien ist im Wahlkampf angekommen. Überraschend früh, wenn man Beteuerungen glauben schenkt, dass erst 2020 gewählt wird.

Die Wahlkampftöne mögen der anstehenden EU-Wahl geschuldet sein – aber eben nicht nur. Die Wiener Parteien wollen sich rechtzeitig positionieren. Da es auf absehbare Zeit nur ein beherrschendes Thema – die öffentliche Sicherheit – geben dürfte, muss man pointiert auftreten.

Kampf im Gemeindebau

Die bewährte Strategie seines Vorgängers Michael Häupl, der gerne den Kampf um die Stadt zwischen SPÖ und FPÖ inszenierte, hat Ludwig nur geringfügig adaptiert: Es geht nicht mehr nur gegen Blau. Sondern gegen Türkis-Blau.

Tatsächlich dürfte Ludwig nicht ganz falsch liegen. Türkis und Blau nehmen ihn derzeit in Wien in die Zange. Aktuellstes Beispiel: Die ÖVP startete ihre „Gemeindebau-Kampagne“ und fischt damit wie die FPÖ in roten Gewässern. (Quasi im Vorbeigehen verunglimpfte sie die SPÖ dabei als „Arbeitslosenpartei“.)

Der SPÖ schadet das nicht: Nach einem Tief im Vorjahr liegt sie in Umfragen bei 37 bis 39 Prozent. Das ist fast so viel wie bei der Wahl 2015. Mit Rückenwind aus dem Bund segelt die ÖVP derzeit auf 14 bis 17 Prozent (2015: 9,2 Prozent). Das geht zulasten des Juniorpartners im Bund: Die FPÖ stürzt in Umfragen (von knapp 31 Prozent) auf 24 bis 25 Prozent ab. Wohl mit ein Grund, warum sich blaue Funktionäre dieser Tage in der Aggressivität ihrer Wortmeldungen zu übertrumpfen versuchen.

Risiko für Türkis-Blau

Da wird SP-Stadtrat Peter Hacker von einem FP-Gemeinderat als „Rotzlöffel“ bezeichnet, während Dominik Nepp, immerhin Vizebürgermeister, Blut an den Händen der „willkommensklatschenden rot-grünen Politiker“ kleben sieht.

Ob es für Türkis und Blau reicht, sich in Wien nur gegen die SPÖ zu richten, wird sich zeigen. Für die Koalition auf Bundesebene birgt der Wien-Wahlkampf auch (kleine) Risiken. ÖVP-Minister Gernot Blümel hat sich bereits als Wiener Spitzenkandidat deklariert. Die FPÖ zögert. Ein starkes Zugpferd – wie Parteichef Heinz-Christian Strache – ist nötig. Jedoch: Treten in Wien zwei Mitglieder der Bundesregierung an, könnte das die Harmonie im Bund stören.

Die ÖVP darf den internen Konflikt zwischen Türkisen und Schwarzen nicht unterschätzen. Die wirtschaftsnahen Funktionäre sehen sich der SPÖ deutlich näher als der FPÖ.

Erst beim Koalitionspoker nach der Wahl wird sich zeigen, welchen Einfluss sie haben. Die SPÖ liebäugelt mit einem schwarzen (nicht türkisen) Juniorpartner. Gibt es keine Mehrheit für Türkis-Blau, aber eine für Rot-Grün, hat Ludwig ein Druckmittel.

Die Grünen um Birgit Hebein könnten im Ringen der Großen aufgerieben werden. Um viel geht es auch für die Neos. Spitzenkandidat dürfte der (unbekannte) Christoph Wiederkehr werden, hinter den Kulissen wird Bundes-Chefin Beate Meinl-Reisinger die Fäden ziehen. Gibt es keine klaren Mehrheiten, könnte die Stunde der Neos geschlagen haben. Sie sind Ansprechpartner für linke und rechte Dreier-Koalitionen.

Für Ludwig ist jedenfalls eine türkis-blaue Mehrheit die größte Gefahr. Dann könnte es für Wien einen „Neustart“ geben, der nicht nach seinem Geschmack ist.

Variante 1: SPÖ-Grüne

Pro: Ein glaubhaftes Gegenmodell zu Türkis-Blau im Bund. Übereinstimmung im Kernthema Soziales.
Contra: Wahrscheinlich nur eine knappe Mandatsmehrheit. Große Skepsis gegenüber den Grünen in den SPÖ-Organisationen aus den Flächenbezirken. Genau auf diese Bezirke muss Ludwig aber hören.

Variante 2: SPÖ-ÖVP

Pro:  Große Übereinstimmungen (Verkehr, Wirtschaft), starke Vertrauensbasis zwischen SPÖ und ÖVP-Wirtschaftsflügel.
Contra: Mit der ÖVP als Partner kann die SPÖ nur noch beschränkt gegen Türkis-Blau im Bund  mobil machen. Auch für die Stadt-ÖVP wäre es ein schwieriger Spagat.

Variante 3: SPÖ-FPÖ

Pro: Breitestmögliche Mehrheit. Seit der Koalition im Burgenland ist Rot-Blau für die SPÖ kein absolutes Tabu mehr.
Contra: Aus der Sicht der Wiener SPÖ weiterhin unüberwindliche ideologische Gegensätze. Das schrille Auftreten der Wiener FPÖ-Granden trägt dazu weiter bei.

Variante 4: ÖVP-FPÖ

Pro: Übertragung eines auf Bundesebene gut funktionierenden Modells auf Wien.
Contra: Drohende schwere Stimmenverluste der FPÖ in der Regierungsverantwortung. Dass der schwarze Wirtschaftsflügel innerhalb der ÖVP revoltiert, wäre nicht auszuschließen.

Variante 5: SPÖ-Grüne-Neos

Pro: Der Reiz des Neuen – ähnlich wie Rot-Grün im Jahr 2010. Diese Koalition ermöglicht weiterhin eine scharfe Abgrenzung zur türkis-blauen Bundesregierung.
Contra: Schwierige koalitionsinterne Koordination durch einen zusätzlichen, unerfahrenen Regierungspartner.

Variante 6: ÖVP-FPÖ-Neos

Pro: Inhaltlich in vielen Bereichen ähnliche Ziele, etwa bei den Themen Verkehr, Wirtschaft oder Soziales.
Contra: Die Neos schließen eine Koalition mit der FPÖ eigentlich aus. Dieser Wortbruch wäre gegenüber der Basis nur schwer vertretbar.

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