Mikl-Leitner: „Wir sind nicht ausländerfeindlich“

Johanna Mikl-Leitner im Gespräch im Bundesministerium für Inneres. Wien, 2.8.2013
Die ÖVP-Innenministerin wehrt sich gegen Kritik – und kritisiert Ursula Stenzel.

Eines ist klar: Bei den acht Abschiebungen von Pakistani wird es nicht bleiben. Insgesamt hat Österreich dieses Jahr um 100 Heimreise-Zertifikate bei der pakistanischen Botschaft angesucht; 50 sind bis jetzt ausgestellt worden. Damit wird das Thema Asyl ein Dauerbrenner im Wahlkampf. Im Interview erklärt Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, wie sie mit der Kritik lebt – und warum die ÖVP keine ausländerfeindliche Partei ist.

KURIER: Frau Innenministerin, wie fühlt man sich als christlich-soziale Politikerin, wenn man am Wochenanfang Pakistani abschiebt und am Sonntag vielleicht in die Kirche geht?

Johanna Mikl-Leitner: Weil ich eben christlich-sozial geprägt bin, ist mir ein sehr menschlicher Umgang mit Asylwerbern wichtig. Wenn es einen negativen Bescheid gibt, versuchen wir die Betroffenen zur freiwilligen Rückreise zu bewegen. Und ergänzend dazu bieten wir ein Rückkehrprogramm an. Sie werden bei der Jobsuche unterstützt, um eine Existenz aufbauen zu können.

Bei uns werden 1,5 Prozent der Asylbewerber aus Pakistan aufgenommen in Deutschland 25 Prozent. Warum ist Österreich bei der Anerkennungs­quote von Pakistani so hart?

Mikl-Leitner: „Wir sind nicht ausländerfeindlich“
Johanna Mikl-Leitner im Gespräch im Bundesministerium für Inneres. Wien, 2.8.2013
Bei uns sind die Pakistani hauptsächlich Sunniten. Auch in Deutschland liegt die Anerkennungsquote der Sunniten bei 1,5 Prozent. Der Rest der Asylbewerber in Deutschland ist den Ahmadi-Muslimen zuzurechnen. Diese Gruppe gilt in Pakistan als besonders gefährdet. Und in der Schweiz gab es dieses Jahr keinen einzigen positiven Bescheid für einen Pakistani.

Ist der Schlepper-Ring nun komplett ausgehoben? Oder wird es noch weitere Verhaftungen geben?

Die Ermittlungsarbeiten laufen noch weiter. Ob es noch weitere Verhaftungen geben wird, werden die Staatsanwaltschaften Wien und Wr. Neustadt entscheiden. Wir wissen, dass es sich hier um einen Schlepper-Ring handelt, der auf die brutalste Art und Weise vorgeht. Bis jetzt gab es sieben Verhaftungen, davon fünf allein im Umfeld des Servitenklosters.

Mit welchen brutalen Methoden hat der Schlepper-Ring gearbeitet?

Sie haben äußerst unmenschlich agiert. Wenn es etwa Probleme mit schwangeren Frauen auf der Schlepper-Route gab, dann wurden diese Frauen hilflos auf der Route zurückgelassen.

Sie betonen zwar vehement, dass Sie keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der Abschiebung hatten, aber FPÖ-Chef Strache haben Sie einen perfekten Auftakt in den Wahlkampf geboten. Doch ein schlechtes Timing?

Gut ist eine Abschiebung nie. Wir müssen uns aber auf der Basis der Gesetze bewegen. Und den Zeitpunkt kann sich weder eine Innenministerin noch die Fremdenpolizei aussuchen. In erster Linie ist mit den Betroffenen zu sprechen, ob sie freiwillig ausreisen. Das wurde auch gemacht. Der letzte Schritt ist die zwangsweise Rückführung, wenn das Heimreise-Zertifikat da ist. Und dieses Zertifikat gibt den Zeitpunkt vor.

Wie viele Pakistani werden dieses Jahr noch abgeschoben?

Wir haben um 100 Heimreise-Zertifikate bei der Pakistanischen Botschaft angesucht, bis jetzt haben wir 50 bekommen.

Wie hat die Caritas auf die Verhaftungen der Schlepper im Servitenkloster reagiert?

Ich bin der Caritas für die Betreuung der Asylwerber im Servitenkloster sehr dankbar. Und die Caritas war ebenso überrascht über diese Verhaftungen wie wir. Und was den Vorwurf des Vorwahlkampfes betrifft, kann ich den nur zurückweisen, denn die Behörden in Pakistan wissen nicht, dass in Österreich im September gewählt wird.

Wie geht es Ihnen nach dieser Woche, in der Sie viele „Watsch’n“ einstecken mussten? Die Grünen-Chefin nannte Sie „herzlose Zynikerin“.

Dieses schwierige Amt bringt es einfach mit sich, dass man Kritik aushalten muss. Jede einzelne Abschiebung macht mich betroffen, aber als Innenministerin habe ich mich auch an Entscheidungen eines unabhängigen Gerichtes zu halten – und den Rechtsstaat zu akzeptieren. Jemanden als moralisch verwerflich zu bezeichnen, der sich an die Gesetze des Rechtsstaates hält, richtet sich von selbst.

Ursula Stenzel, ÖVP-Bezirksvorsteherin im ersten Bezirk, hat kritisiert, dass der ÖVP Wähler davonlaufen, weil sie bei der Wahl einen Kandidaten mit Migrationshintergrund aufstellt. Ist die ÖVP zu liberal?

Ausländerfeindlichkeit war noch nie eine bürgerliche Kategorie. Unser Kandidat Asdin El Habbassi ist ein ganz toller Bursche. Und ich bin stolz, dass er für die ÖVP kandidiert.

Ist die Stenzel-Kritik für Sie Fremdenfeindlichkeit von gestern?

Ich führe das Zitat darauf zurück, dass Ursula Stenzel den JVP-Kandidaten Asdin El Habbassi nicht kennt. Aber wie gesagt, wir Bürgerlichen sind nicht ausländerfeindlich.

Ermittler werten derzeit die Aussagen jener vier Flüchtlinge aus, die unter Schlepperei-Verdacht diese Woche in U-Haft genommen wurden. Drei sollen laut Polizei im Servitenkloster gewohnt haben.

Angesichts der medial kolportierten Vorwürfe warnt Alexia Stuefer, die Rechtsanwältin eines Inhaftierten, vor „vorschnellen Schlüssen“. Weder sei ihr Mandant ein „Schlepper-Boss“, noch habe er „Millionen verdient“. Die Juristin kündigte an, die Enthaftung des Pakistani zu beantragen.

Kritik an den Behörden übte am Freitag Alexander Pollak von SOS-Mitmensch. Er fordert sie auf, den erhobenen Generalverdacht der Schlepperei zu konkretisieren. Er vermisst die „notwendigen Klarstellungen (...) was den Grad ihrer möglichen Involvierung betrifft“.

Das sei „unmöglich“, erklärt Thomas Vecsey, Sprecher der Wiener Staatsanwaltschaft: „Im Ermittlungsverfahren dürfen keine Fakten ausgeplaudert werden.“

Derzeit stehen in der Causa rund um die Abschiebung weiterer Servitenkloster-Bewohner die Zeichen auf Entspannung – zumindest vorerst. Denn am Plan, zwölf Pakistani abzuschieben, hält die Wiener Exekutive fest. Es fehlen die Heimreisezertifikate, die bei der pakistanischen Botschaft beantragt, von dieser aber nicht ausgestellt wurden. Derzeit kommen die Flüchtlinge ihrer Meldepflicht bei der Polizei wegen der psychischen Belastung nicht nach. Entsprechende ärztliche Atteste hätten sie vorgelegt, erklärt Polizeisprecher Roman Hahslinger. Trotz des Verstoßes gegen die Auflage (des gelinderen Mittels) würde derzeit niemand in Schubhaft genommen.

NGOs und Unterstützer der Flüchtlinge rufen für Samstag (18 Uhr, Treffpunkt Minoritenplatz) zu einer Kundgebung auf.

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