Vorerst keine weiteren Heimreisezertifikate

APA11714890 - 03032013 - WIEN - ÖSTERREICH: Die Flüchtlinge aus der Wiener Votivkirche ziehen am Sonntag, 3. März 2013 in das Servitenkloster in Wien-Alsergrund um. Im Bild: Flüchtlinge beziehen ihr neues Quartier. APA-FOTO: HERBERT P. OCZERET
Trotz "Kirchenasyl": Erzdiözese muss Beamten Zutritt gewähren.

Für die im ehemaligen Wiener Servitenkloster untergebrachten Flüchtlinge sind noch keine weiteren Heimreisezertifikate von der pakistanischen Botschaft ausgestellt worden. Demnach dürfte es vorerst zu keinen weiteren Abschiebungen kommen. Die Nacht auf Freitag sei unter den "Refugees" ruhig verlaufen, hieß es unterdessen vonseiten der Caritas. Trotz des bestehenden "Kirchenasyls" müsse die Erzdiözese Wien den Beamten Zutritt gewähren.

Obwohl sich die Stimmung ein wenig beruhigt habe, herrsche nach wie vor Angst und Verunsicherung unter den Betroffenen vor, so ein Sprecher der Caritas Wien. Sollte es weitere Haft- oder Durchsuchungsbefehle geben, müsse man jedenfalls den Behörden die Türen öffnen. Auch Kirchengebäude seien trotz des Begriffs des "Kirchenasyls" nicht von Amtshandlungen ausgenommen.

Bei der Exekutive verwies man allerdings auf das im Sicherheitspolizeigesetz (SPG) verankerte "Gebot" der Verhältnismäßigkeit, weswegen man jedes Einschreiten sorgfältig abwäge, insbesondere etwa bei geistlichen Einrichtungen. Trotzdem ließ man keinen Zweifel daran, dass ab der Ausstellung eines Heimreisezertifikats eine Abschiebung auch durchgeführt werden müsse, denn: "Die Verhältnismäßigkeit hebt nicht die Rechtslage auf."

Noch mehr Heimreisezertifikate beantragt

Acht Flüchtlinge aus Pakistan, die im ehemaligen Servitenkloster untergebracht waren, wurden bereits zur Ausreise gezwungen, bei zwölf weiteren war ebenfalls ein entsprechendes Heimreisezertifikat bei der Botschaft beantragt worden. Und auch Personen aus anderen Herkunftsländern, die zum Kreis der "Refugees" zählen, dürften bald abgeschoben werden, stellte die Polizei bereits vor wenigen Tagen in Aussicht.

Insgesamt sollen wesentlich mehr Heimreisezertifikate bei der pakistanischen Botschaft beantragt worden sein - allerdings für Asylwerber mit negativem Entscheid, die nicht im Licht der Öffentlichkeit stehen. Insgesamt seien im vergangenen Jahr rund 12.700 pakistanische Flüchtlinge aus EU-Staaten abgeschoben, hieß es aus dem Innenministerium. Davon allein 2.700 aus Großbritannien.

Kirche kritisiert Vorgehen

Auch aus kirchlicher Richtung verstummte am Freitag die Kritik am Vorgehen der Behörden nicht. Die Katholische Friedensbewegung "Pax Christi Österreich" bezeichnete die Abschiebungen als Verstoß gegen die Menschenrechte. Angesichts der aktuellen Sicherheitslage in Pakistan sei dies unverantwortlich, hieß es in einer Aussendung.

Indes dürfte ein Konflikt zwischen Exekutive und Asylaktivisten auf anderer Ebene geklärt sein. Fremdenpolizisten hatten den Verein "Purple Sheep" wegen Videoaufnahmen einer Festnahme geklagt und sind nun damit abgeblitzt. Das letztinstanzliche Urteil des Wiener Oberlandesgerichtes sei rechtskräftig, bestätigte man dort auf Anfrage.

Die rund 60 Aslywerber, die sich ab November vor bzw. ab Dezember in der Wiener Votivkirche aufgehalten hatten, beschäftigten Monate die heimische Innenpolitik. Mit der Abschiebung der ersten Flüchtlinge nach Pakistan fand die Causa nun einen vorläufigen Höhepunkt: Acht der Männer sollten noch am Montag von Wien-Schwechat abfliegen.

24. November 2012: Eine Gruppe von Asylwerbern macht sich per "Protestmarsch" vom niederösterreichischen Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen nach Wien auf. Zentrale Forderungen sind unter anderem einen Austausch sämtlicher Dolmetscher in Traiskirchen sowie bessere Verköstigung. Im Siegmund-Freud-Park vor der Votivkirche wird ein Zeltlager errichtet. Das "Protestcamp" bleibt in den nächsten Tagen stehen.

18. Dezember 2012: Eine Gruppe von Asylwerbern begibt sich in die Votivkirche - nach einigem Hin und Her wird klar, dass sie diese nicht mehr verlassen. Die Polizei wird eingeschaltet, nachdem der Pfarrer nicht so recht weiß, wie er mit der Situation umgehen soll. Kurzfristig scheint eine Räumung in Diskussion zu stehen, diese wird aber abgeblasen, als sich die Erzdiözese Wien sowie die Caritas Wien einschalten. Motto: "Die Kirche ist ein Schutzraum."

19. Dezember 2012: Die Flüchtlinge in der Votivkirche fordern ein Gespräch mit dem Innenministerium.

21. Dezember 2012: Die Erzdiözese lädt zu einem "Runden Tisch" in der Causa, an dem Vertreter von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (V) und Staatssekretär Josef Ostermayer (S) sowie von Kirche, Caritas, Diakonie, UNHCR, amnesty international und der Flüchtlinge teilnehmen. Ergebnis: Die Caritas bietet Ersatzquartiere an - die Votivkirche ist eiskalt -, das Ministerium sagt zu, dass der Rechtsanspruch auf Grundversorgung jedes einzelnen "Asyl-Campers" noch einmal geprüft wird.

23. Dezember 2012: Mehrere Flüchtlinge kündigen an, in Hungerstreik zu gehen.

27. Dezember 2012: Nach den Weihnachtsfeiertagen halten sich rund 30 Personen in der Votivkirche auf, etwa die Hälfte von ihnen im Hungerstreik. Spannungen zwischen Unterstützern bzw. Aktivisten und den Betreuern von Caritas bzw. Johannitern zeichnen sich ab.

28. Dezember 2012: Die Polizei räumt das Camp im Siegmund-Freud-Park in den frühen Morgenstunden. Proteste über Polizeiwillkür sind die Folge. Das Vorgehen wird jedoch später vom Unabhängigen Verwaltungssenat als rechtmäßig bewertet.

31. Dezember 2012: Kardinal Christoph Schönborn besucht die Asylwerber in der Votivkirche

2. Jänner 2013: Innenministerin Mikl-Leitner trifft mit vier Vertretern der Flüchtlingen zusammen. Konkretes Ergebnis gibt es keines, die Asylsuchenden verbleiben in der Votivkirche. Das Ministerium wiederum sieht den "Schlusspunkt" der Gespräche erreicht.

In den folgenden Tagen stellen sich immer wieder prominente Unterstützer in der Kirche ein. Zugleich kommt es immer wieder zu Kritik an den Aktivisten rund um das "Refugee Camp". Vier Flüchtlinge werden - während sie sich nicht in der Kirche aufhalten - von der Polizei aufgegriffen und in Schubhaft gesteckt.

22. Jänner 2013: Die Flüchtlinge beschließen, ihren Hungerstreik zu unterbrechen.

28. Jänner 2013: Kardinal Schönborn übt harte Kritik an den Aktivisten rund um die Votivkirchen-Flüchtlinge. Diese würden "die Not der Flüchtlinge in der Votivkirche für ihre Ideologie missbrauchen".

1. Februar 2013: Die Flüchtlinge nehmen den Hungerstreik wieder auf. Rund 60 halten sich in der Votivkirche auf.

10. Februar 2013: Neun Mitglieder der rechten Gruppe der "Identitären Wiens" "besetzen" die Votivkirche. Ihren Protest gegen "Massenzuwanderung und Islamisierung" blasen sie indes nach einigen Stunden wieder ab.

13. Februar 2013: Bundespräsident Heinz Fischer appelliert an die Flüchtlinge, in die von der Kirche angeboten Ausweichquartiere umzusiedeln.

16. Februar 2013: Immer wieder gibt es Solidaritätsdemos für die Votivkirchen-Insassen. Jene am 16. Februar hat rund 2.000 Teilnehmer.

18. Februar 2013: Die Flüchtlinge setzen ihren Hungerstreik aus.

25. Februar 2013: Ein weiterer Asylwerber gerät in Schubhaft.

28. Februar 2013: Bei einem Polizeieinsatz im Umfeld der Kirche wird ein weiterer Flüchtling festgenommen. Er trat in der Vergangenheit immer wieder als Sprecher der Gruppe auf. Rund 100 Unterstützer stehen der Polizei gegenüber. SOS Mitmensch spricht von "Jagdszenen", die Polizei von einer "routinemäßigen Kontrolle". Über den 33-Jährigen wird Schubhaft verhängt, da ein rechtskräftiger negativer Asylbescheid vorliegt.

3. März 2013: Die Flüchtlinge ziehen von der Votivkirche ins Wiener Servitenkloster, wollen mit den Behörden kooperieren und bedanken sich bei Caritas und Johannitern für die Unterstützung. Kardinal Schönborn habe das "Gastrecht" zugesagt, so die Erzdiözese.

5. März 2013: Der im Februar in Schubhaft gebrachte Flüchtling wird aus dieser entlassen. Als Grund wurde seitens der Behörden genannt, dass die Flüchtlinge gleichzeitig mit der Übersiedelung ins Kloster auch die Kooperation zugesagt haben. Da sie ihrer Melde- und Mitwirkungspflicht nachkommen, bestehe kein Grund mehr für die Aufrechterhaltung der Schubhaft.

9. März 2013: Im Servitenkloster kommt es zu einer Schlägerei zwischen zwei Flüchtlingen, Grund soll eine Nichtigkeit gewesen sein. Die Caritas verhängte für die beiden Männer ein befristetes Hausverbot.

15. Mai 2013: Es wird bekannt, dass die Flüchtlinge Ende Juni aus dem Servitenkloster in eine neue Bleibe übersiedeln sollen. Grund sind Umbauarbeiten, wodurch ein Umzug der 63 Männer nötig wird.

28. Juni 2013: Die Flüchtlinge beharren in einer Pressekonferenz auf einer gemeinsamen Lösung für ein Folgequartier, die Gruppe will zusammenbleiben. Die Übersiedelung in andere Einrichtungen hatte damals bereits begonnen.

4. Juli 2013: Das Kloster bleibt nun doch bis Ende Oktober Quartier für die Votivkirchen-Flüchtlinge. Die Sanierungsarbeiten sollen erst danach und nicht wie ursprünglich geplant schon im Juli starten.

26. Juli 2013: Die Polizei verordnet für mehr als 20 der im Servitenkloster gemeldeten Asylwerber das "gelindere Mittel" - diese Personen müssen sich nun täglich bei der Polizei melden. Betreuer der Betroffene üben heftige Kritik. Auch bei der Caritas Wien gab man sich "irritiert". Die Wiener Polizei versicherte dagegen auf APA-Anfrage, es handle sich um eine "ganz normale Maßnahme".

28. Juli 2013: Zehn der Asylwerber werden festgenommen und ins Polizeianhaltezentrum an der Rossauer Lände gebracht. Eine Abschiebung der Pakistani dürfte unmittelbar bevorstehen, befürchtete die Caritas. Die Festnahmen erfolgten im Rahmen der zwei Tage zuvor verordneten täglichen Meldung.

Kardinal Christoph Schönborn zeigte sich bestürzt: Er appellierte an Politiker und Behörden, von einer Abschiebung Abstand zu nehmen. Der Kardinal stellt sich auch die Frage nach einem Zusammenhang mit dem Nationalrats-Wahlkampf. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) wies diese Vorwürfe zurück.

29. Juli 2013: Die ersten acht der Votivkirchen-Flüchtlinge werden abgeschoben. Die acht Pakistani wurden aus dem Polizeianhaltezentrum in Richtung Flughafen gebracht und sollten im Laufe des Tages das Land verlassen. Eine Protest-Kundgebung vor dem Anhaltezentrum, an der zwischen 80 und 100 Personen teilnahmen, wurde in der Früh von einem massiven Polizeiaufgebot aufgelöst. Dabei geht die Polizei sehr hart gegen eine Studentin vor, was in einem Video auf Youtube festgehalten wird.

30. Juli 2013: Gegen den Beamten, der die Studentin gegen die Stufen des Polizeianhaltezentrums geschleudert hat, wird Anzeige erstattet.

Drei der im Servitenkloster untergebrachten Pakistani könnten zu einem Schlepperring gehören. Die Polizei verhaftet insgesamt sechs Personen in Österreich und Italien.

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