Die Regierung lädt am Mittwoch Experten zum Gewaltschutzgipfel ins Innenministerium. Dabei sollen auch die im Vorjahr angekündigten Gewaltambulanzen präsentiert werden. Diese starten als Pilotprojekte in den Regionen Ost (Wien, Niederösterreich und nördliches Burgenland) und Süd (Steiermark, Kärnten und südliches Burgenland) und sollen im kommenden Jahr dann österreichweit ausgerollt werden (der KURIER berichtete).
Der KURIER hat Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) gefragt, was es damit auf sich hat, oran sie den Erfolg solcher Maßnahmen bemisst und was auf Täter-Seite unternommen wird.
KURIER: Was ist eine Gewaltambulanz?
Susanne Raab: Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, sollen in den Krankenhäusern geschultes Personal vorfinden, das Beweise sichern kann. Die Verurteilungsquote ist unter zehn Prozent. Das darf nicht sein. Ich möchte, dass Täter ihrer Strafe zugeführt werden. Frauen überlegen es sich zwei Mal, ob sie Anzeige erstatten, wenn diese dann im Sand verläuft.
Viele Frauen haben Scheu, die Täter anzuzeigen und lassen sich nicht untersuchen.
Ein Besuch in der Gewaltambulanz muss nicht unmittelbar mit einer Anzeige einhergehen. Wir wissen, dass gerade Vergewaltigungen mit Scham behaftet sind und viele Frauen eine Bedenkzeit brauchen. Wichtig ist, dass die Beweise einmal gesichert sind – aber die Selbstbestimmung bleibt.
Das Frauenbudget wurde kontinuierlich erhöht. Woran bemessen Sie, dass es auch wirkt?
Es ist schwierig, in diesem Bereich von Zahlen zu sprechen – es geht hier um Schicksale. Aber wir sehen, dass die Beratungszahlen steigen und haben mit dem Budget für 2024 sichergestellt, dass es in jedem Bezirk Österreichs eine Beratungsstelle gibt. Jede Frau soll wissen, wohin sie sich beim ersten Anzeichen von Gewalt wenden kann. Präventionsarbeit wirkt langfristig, aber sie wirkt.
Die Zahl der Betretungsverbote gegen Gewalttäter dürfte heuer niedriger ausfallen als 2022, die Zahl der Femizide schwankt über die Jahre.
Kein Experte kann uns dafür eine schlüssige Erklärung geben. Wir können nur weiter unser Bestes tun, um auf der einen Seite den Frauen einen sicheren Zufluchtsort zu bieten, sie ökonomisch und in ihrer Selbstbestimmung zu stärken; und auf der anderen Seite Täter zu verurteilen. Klar ist: Eine Frau ist niemals schuld, schuld sind immer die Täter.
Gewaltambulanzen wurden beim Gewaltschutzgipfel vor einem Jahr angekündigt, jetzt starten Pilotprojekte im Wiener AKH und im Grazer Uni-Klinikum. Ein österreichweiter Ausbau soll folgen. Das Projekt ist eine Kooperation der Ressorts Justiz, Frauen, Soziales und Inneres.
Beratungsstellen für Frauen und Mädchen bekommen 2024 um 5,5 Mio. Euro mehr Budget (in Summe 13,6 Mio.).
26 Frauenmorde gab es heuer in Österreich, im Vorjahr waren es 39. Die meisten gab es 2004 (40) und 2018 (41), die wenigsten 2007 und 2015 (je 17). Zudem wurden 12.700 Betretungsverbote ausgesprochen (Stand 1. November), 2022 waren es rund 14.600.
Es gibt die Theorie, dass mehr Aufmerksamkeit für das Thema Gewalt in der Öffentlichkeit erst recht zu mehr Gewalt führt.
Die erhöhte Inanspruchnahme von Beratungsangeboten und erhöhte Anzeige-Zahlen heißen nicht zwangsläufig, dass es mehr Gewalttaten gibt. Sie sind auch ein Zeichen dafür, dass das Angebot wahrgenommen und genutzt wird.
Wird genug für Präventionsarbeit auf Täterseite getan?
Es gibt bereits verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings, wenn jemand gewalttätig wird und ein Betretungsverbot bekommt. Prävention kann immer ausgebaut werden. Es geht aber auch darum, mit Burschen in Schulen zu arbeiten oder im Integrationsbereich gegen ehrkulturelle, patriarchale Muster vorzugehen, wo die Frauen als weniger wert erachtet werden als Männer.
Wenn ein tragisches Verbrechen geschieht, kommt sofort der Ruf nach der Politik. Was kann diese leisten?
Die traurige Wahrheit ist, dass keine politische Maßnahme garantiert, dass es keine Frauenmorde mehr gibt. Wir können Gesetze schärfen, Prävention und Opferschutz ausbauen und mit den Männern arbeiten. Der Kampf gegen Gewalt an Frauen bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
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