"Verstehen wir Gott, verstehen wir die Welt nicht zu schnell!"

"Verstehen wir Gott, verstehen wir die Welt nicht zu schnell!"
Salzburgs Erzbischof Franz Lackner, der neue Vorsitzende der Bischofskonferenz, über die Lehren aus der Corona-Krise und den Grundwasserspiegel des Glaubens.

KURIER: Herr Erzbischof, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hat in seinem Gratulationsschreiben an Sie geschrieben, die Corona-Pandemie habe einmal mehr gezeigt, „dass die Kirche mit ihrer Stimme und ihrem Dienst präsent in der Gesellschaft ist“. Genau diesen Eindruck der Präsenz der Kirche gerade in der Krise haben viele Gläubige nicht.

Franz Lackner: Das halte ich für ein Vorurteil. Ich würde schon sagen, dass wir präsent waren. Und wir haben uns auch nicht – wie vielfach behauptet – vom Staat lenken lassen. Es gab Vorgaben, an denen wir uns orientiert haben. Aber wie wir etwa die Gottesdienste gestalten, das waren unsere Entscheidungen. Man muss sich vor Augen halten: es war eine bisher ungekannte Situation. Ich habe mich viel mit Johannes Duns Scotus (schottischer Theologe; 13. Jh.) befasst, der ein hohes Gefühl dafür hat, was Einzigartigkeit bedeutet: Es gibt davon keine Allgemeinkenntnis – wir haben keine Erfahrung damit. Zum Beispiel: gäbe es nur einen einzigen Baum auf der Welt, er wäre für uns nicht erkennbar. Diese Pandemie hatte einen ähnlichen Charakter. Dass es bei uns nicht so schlimm wurde wie in Italien, hat ja auch mit der strengen Einhaltung der Maßnahmen zu tun. Und hier haben die Gläubigen einen großen Beitrag geleistet: Hunderttausende sind zu Ostern nicht in die Kirche gegangen. Das gehörte durchaus bedankt.

Lässt sich für die Kirche etwas lernen aus dieser Krise?

Wir haben vor allem gelernt: Nichts ist selbstverständlich. Wir haben uns daran gewöhnt, immer aus dem Vollen schöpfen zu können, auch in Glaubensdingen. Dem ist nicht so – man muss auch mit weniger zufrieden sein. Es gibt den schönen Satz: Gott will mit weniger mehr machen. Wir brauchen so etwas wie eine theologische Nachhaltigkeit.

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