Bischöfe wählen mit coronabedingter Verspätung neuen Vorsitzenden
Dreimal jährlich tritt die Österreichische Bischofskonferenz an wechselnden Orten zusammen: im Frühjahr, im Sommer und im Herbst. Die Frühjahrskonferenz hätte dieses Jahr von 16. bis 19. März dauern und in Pfons bei Matrei am Brenner (Tirol) stattfinden sollen. Aufgrund der sich zuspitzenden Corona-Krise wurde das Treffen zunächst auf zwei Tage verkürzt und ins Erzbischöfliche Palais in Wien verlegt, schlussendlich aber ganz abgesagt.
Dem Treffen wäre besondere Aufmerksamkeit zugekommen, weil Kardinal Christoph Schönborn bereits im Vorfeld angekündigt hatte, dass er den Vorsitz in dem Gremium nach 22 Jahren zurücklegen wird (wie der KURIER bereits im November berichtete).
Nun wird das nachgeholt: Bei der diese Woche in Mariazell stattfindenden Sommervollversammlung soll, voraussichtlich am Dienstag, ein Nachfolger Schönborns als Vorsitzender der Bischofskonferenz gewählt werden.
Der Wiener Erzbischof hat im Jänner seinen 75. Geburtstag gefeiert und damit jenes Alter erreicht, mit dem Bischöfe dem Papst ihren Rücktritt anbieten müssen. Das Rücktrittsgesuch, welches Schönborn dem Papst bereits im Oktober letzten Jahres am Rande der Amazoniensynode in Rom übergeben hatte, wurde jedoch vorerst nicht angenommen: Schönborn – der sich im Vorjahr zunächst einer Prostatakrebsoperation unterziehen musste und später einen Lungeninfarkt erlitt, sich mittlerweile aber gut erholt hat – bleibt bis auf weiteres an der Spitze der Erzdiözese Wien.
Kein kirchlicher "Bundeskanzler"
Diese Funktion ist jedoch nicht zwingend mit dem Vorsitz der Bischofskonferenz verknüpft, sodass Schönborn zumindest einen Teil der Verantwortungslast ablegen kann. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz koordiniert und moderiert das Gremium nach innen und repräsentiert es nach außen. In seinen Zuständigkeitsbereich fallen grundsätzlich die Beziehungen zwischen Staat und Kirche auf nationaler Ebene. Er ist jedoch kein kirchlicher „Bundeskanzler“ – kirchenrechtlich gibt es über den Diözesen (die in Österreich in etwa mit den Bundesländern zusammenfallen) keine nationale Ebene; er kann daher auch nicht in die Kompetenzen der anderen Diözesanbischöfe eingreifen.
Die Österreichische Bischofskonferenz zählt 15 Mitglieder: neun Diözesanbischöfe, einen Militärbischof, vier Weihbischöfe sowie den Abt der Zisterzienserabtei Wettingen-Mehrerau (das bei Bregenz gelegene Kloster ist eine sogenannte Territorialabtei, die direkt dem Heiligen Stuhl untersteht, nicht dem Diözesanbischof). Sie alle (wobei sich der Eisenstädter Bischof Ägidius Zsifkovics und der Wiener Weihbischof Stephan Turnovszky für die Tagung entschuldigt haben) wählen in geheimer Wahl ihren neuen Vorsitzenden, der allerdings aus dem Kreis der neun Diözesanbischöfe kommen muss. Für die Wahl ist zunächst eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, ab dem dritten Wahlgang genügt eine einfache Mehrheit.
Primas Germaniae
Als wahrscheinlichster Nachfolger Schönborns als Vorsitzender gilt der Salzburger Erzbischof Franz Lackner. Der gebürtige Oststeirer (geb. 1956), spätberufener Franziskaner, war Weihbischof der Diözese Graz-Seckau unter Bischof Egon Kapellari, steht seit 2013 an der Spitze der Erzdiözese Salzburg und ist seit 2015 stellvertretender Vorsitzender der Bischofskonferenz.
Die Erzdiözese Salzburg ist neben Wien das zweite Erzbistum in Österreich: Zur Kirchenprovinz Salzburg zählen die Diözesen Graz-Seckau, Gurk-Klagenfurt, Innsbruck und Feldkirch, zur Kirchenprovinz Wien die Diözesen Eisenstadt, St. Pölten und Linz. Kirchenhistorisch gesehen ist Salzburg deutlich älter (gegr. 739) und bedeutender als Wien (gegr. 1469): Dem Salzburger Erzbischof kommt der Titel eines „Primas Germaniae“ („Erster der deutschen Länder“) zu – und er trägt, wie sonst nur die Kardinäle, Purpur statt Violett.
Wien - Salzburg - Graz
Schon zwei Mal waren Salzburger Erzbischöfe Vorsitzende der Bischofskonferenz: Andreas Rohracher (1955–1959) und Karl Berg (1985–1989). Ansonsten übten immer die Wiener Erzbischöfe diese Funktion aus (Theodor Innitzer, Franz König, Hans Hermann Groër und eben Schönborn) – mit einer bemerkenswerten Ausnahme: Im Gefolge der Affäre Groër – und damit in einer extrem kritischen Situation – übernahm 1995 der damalige, kürzlich verstorbene Grazer Bischof Johann Weber den Vorsitz, 1998 wurde Weber von Schönborn abgelöst.
Bei der aktuellen, bis Donnerstag dauernden Vollversammlung der Bischöfe gelten besondere Corona-Schutzmaßnahmen. So mussten alle Mitglieder der Bischofskonferenz im Vorfeld einen Corona-Test machen. Auch das Tagungsprogramm musste der Situation angepasst werden: So ist diesmal kein Studiennachmittag mit externen Personen geplant. Die sonst übliche Festmesse zum Abschluss der Tagung in der Basilika mit zahlreichen Gläubigen entfällt ebenfalls.
Die Corona-Pandemie steht auch inhaltlich im Zentrum der Tagung. Neben den gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen der Krise sind genauso ihre Auswirkungen auf die Kirche ein zentrales Thema der bischöflichen Beratungen.
Kommentare