"Inzuchtpartie": Herbert Kickls Festspiel-Eigentor
„Swingerclub der Machtlüsternen“, Alexander van der Bellen als „senile Mumie“ in der Hofburg, die Wiener SPÖ-Politiker Michael Ludwig und Peter Hacker als „Corona-Stalinisten“ – wenn es um die Verunglimpfung des politischen Gegners geht, scheint FPÖ-Chef Herbert Kickl keine Grenzen des guten Geschmacks zu kennen.
Hieß es vor einigen Jahren noch, der als derber Sprücheklopfer berüchtigte Kärntner gelte selbst parteiintern als zu radikal, um die FPÖ wieder in Regierungsverantwortung zu führen, verteidigen mittlerweile die blauen Spitzenfunktionäre – angesichts des jüngsten Höhenflugs in Wahlen und Umfragen - bereitwillig seine diversen verbalen Ausritte.
Relativierung statt Beifall
Diesmal ist es freilich etwas anders: Nach dem jüngsten, von Kickl losgetretenen Aufreger gibt es statt Applaus aus den eigenen Reihen gleich mehrere mehr oder weniger gelungene Relativierungsversuche.
Was war passiert? Der FPÖ-Chef hatte wie berichtet bei einem Wahlkampfauftritt in Hallein (Salzburg) in Hinblick auf die die Salzburger Festspiele und die Festspielreden gemeint, „bei diesen Heuchlern, bei dieser Inzuchtpartie“ wolle er nicht dabei sei.
Groß war die Empörung bei den anderen Parteien. Von „Niedertracht“ und „Respektlosigkeit“ sprach etwa Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), selbst Salzburgerin.
Wer ist normal?
Woraufhin FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker zu einer Klarstellung ausrückte: Kickls Kritik habe „zu keiner Sekunde den normalen Festspielgästen“ gegolten. „Im Visier stand vielmehr der Bundespräsident, der in seinen Eröffnungsreden immer von Brücken bauen und vom Zuschütten von Gräben spricht. Dazu applaudieren dann die Vertreter der Einheitspartei, die aber genau das Gegenteil dann in ihrer Politik leben.“
Ähnlich Salzburgs FPÖ-Landeshauptmann-Stellvertreterin Marlene Svazek, die als eine der gemäßigteren blauen Funktionäre gilt: „Kickl hat sicher die Bundesregierung bei den Festspielen angesprochen, nicht die Salzburger, die wirtschaftlich davon profitieren und stolz auf die Tradition der Festspiele sind.“
Dass die Blauen in der Causa Festspiele so eifrig am Zurückrudern sind, dürfte einen Grund haben: Neben den zahlreichen Politikern, die die Festspiele und deren Eröffnung besuchten, fanden sich auch jede Menge blauer Funktionäre. Begonnen mit Svazek selbst, die sich mehrfach in Festkleidung ablichten ließ.
Lange Reihe an FPÖ-Festspielgästen
Nicht ohne Schadenfreude hat die Plattform stopptdierechten.at ein Kompendium an blauen Festspielgästen, basierend auf diversen Social-Media-Einträgen, zusammengestellt.
Neben Svazek finden sich dort auch der Nationalratsabgeordnete Volker Riefenberger, die niederösterreichische Landesrätin Susanne Rosenkranz, die mit Svazek sogar die Eröffnungsfeier besuchte sowie der Wiener FPÖ-Politiker Leo Lugner. Weiters gleich eine Abordnung der Salzburger Freiheitlichen, die die Festspiele in ihrem Posting als „kulturellen Höhepunkt des Jahres in Österreich“ feiert.
Einer der seltenen Momente, bei denen sich Kickl mit seinem seit Monaten in immer wieder neuen Varianten vorgetragenen Narrativ – "Wir gegen die abgehobenen Eliten" – ein Eigentor schoss. Finden doch offensichtlich auch blaue (Regierungs-)Funktionäre durchaus Gefallen an elitären Freizeitbelustigungen. Beim FPÖ-Wahlkampfauftakt nächste Woche in Graz gibt es mit der John-Otti-Band dann ohnehin wieder deutlich bodenständigere Kost als in Salzburg.
Kommentare