Als die Ibiza-Affäre im Mai 2019 platzte, war er „mittendrin statt nur dabei“, sagt Christian Hafenecker – damals und jetzt wieder Generalsekretär der FPÖ (neben Michael Schnedlitz, Anm.). Ob die ÖVP jetzt, angesichts der zahlreichen Korruptionsvorwürfe, überhaupt ein attraktiver Partner wäre und wie es mit der Kickl-FPÖ weitergeht.
KURIER:Wo waren Sie, als das Ibiza-Video erschienen ist?
Christian Hafenecker: Im Vizekanzleramt mit Strache, erste Reihe fußfrei.
Und wie war die Stimmung?
Wir haben schon einmal mehr gelacht.
Sie sind damals als Generalsekretär in die Offensive gegangen. Was ist Ihnen wirklich durch den Kopf gegangen?
In der ersten Phase ging es nur darum, das alles zu erfassen und zu überlegen, wie man nach außen kommuniziert. Insgeheim hat sich natürlich jeder fremdgeschämt.
Der Scheinwerfer ist dann relativ schnell von der FPÖ auf die ÖVP umgeschwenkt.
Ja, durch die Aktenlieferungen im U-Ausschuss haben sich immer mehr Anhaltspunkte ergeben, dass man stattdessen bei der ÖVP nachschauen sollte. Hätte es Ibiza nicht gegeben, dann wären das Beinschab-Tool, die Rolle des Thomas Schmid, die Steuerinterventionen und vieles mehr niemals aufgedeckt worden.
Muss man Strache für seinen Auftritt also dankbar sein?
Für uns Freiheitliche war es eine schmerzhafte Zeit, die wir uns gerne erspart hätten. Aber wir haben daraus gelernt, und ich glaube, die ÖVP auch. Sebastian Kurz war ihr Messias, er hatte diese Großpartei voll in der Hand und ist mit 200 km/h gegen die Wand gefahren. Die Nachwehen wird die ÖVP noch lange spüren und auch sicher nicht vergessen.
Wie hat es die FPÖ geschafft, sich nach Ibiza wieder aufzurappeln?
Der große Unterschied zur ÖVP ist: Der Abgang von Sebastian Kurz war auf Raten. Wir haben sehr schnell die Konsequenzen gezogen, mit den Behörden zusammengearbeitet, und uns intern in einen Aufarbeitungsprozess gestürzt. Das war nicht angenehm, aber notwendig. Und auch das hat es bei der ÖVP bisher nicht gegeben.
Mittlerweile liegt die FPÖ in Umfragen auf Platz 1, Türkis-Blau bzw. Blau-Türkis ist wieder im Gespräch. Nach allem, was an Korruptionsvorwürfen am Tisch liegt: Wollen Sie überhaupt mit der ÖVP zusammenarbeiten?
Das ist natürlich eine Frage, die man sich stellen muss. Schauen wir einmal, wie weit die Justiz bis zum Wahltermin ist und wie viele verbliebene ÖVPler es dann noch gibt, die Teil dieses Systems waren.
Wolfgang Sobotka zum Beispiel?
Ich denke, der geht in Pension. Ich höre, er hat in der ÖVP auch nicht mehr die Macht, die er einmal hatte.
Glauben Sie, dass Karl Nehammer in der ÖVP einen Systemwandel vollzieht?
Ich kenne Karl Nehammer schon lange, wir hatten damals als Generalsekretäre eine gute Basis. Er gehört nicht zu dieser abgehobenen Buberlpartie und mit dem Abgang einiger Proponenten sind die Dinge anders geworden. Nehammer versucht, die Partei zu stabilisieren. Die Frage ist nur, ob er genügend Kraft hat. Ich bin mir nicht sicher, ob er der Mann der Zukunft ist.
Und was halten Sie von der SPÖ als potenziellem Partner?
Wenn ich mir dieses Chaos um die Mitgliederbefragung anschaue, frage ich mich schon, wie das gehen soll. Die stellen den Kanzleranspruch, wollen regieren, können sich aber nicht einmal selber verwalten.
Ich glaube, dass Rendi-Wagner knapp gewinnt, dann politisch ramponiert in die Nationalratswahl geht und sich eine riesengroße Niederlage abholt. Und dann werden alle „Doskozil!“ schreien.
Was halten Sie von Doskozil?
Er wird gehypt als rechter SPÖler, aber wenn man genau hinschaut, dann hat er in ganz, ganz vielen Bereichen linke Ansätze. Er spricht sich auch offen für eine linke Koalition mit SPÖ, Grünen und Neos aus. Aus meiner Sicht ist Doskozil ein Fake-Rechter.
Wie geht es Ihnen damit, dass sich alle Parteien gegen Ihren Parteichef Herbert Kickl einschießen?
Gut! Die haben das alte Spiel noch immer nicht kapiert: Je mehr man sich gegen uns einschießt, desto stärker werden wir. Das kann uns nur recht sein.
Können Sie nachvollziehen, dass viele Kickl ablehnen – so, wie er sich verhält?
Das sind nur vorgeschobene Gründe. Wir legen den Finger dorthin, wo es wehtut und vertreten – gerade bei Corona, beim Ukraine-Krieg und bei der Neutralität – Positionen, die nicht opportun sind. Und gerade Herbert Kickl wird von den Menschen für seine Geradlinigkeit geschätzt. Wer nicht sieht, dass seine Anziehungskraft viel zu unseren Erfolgen bei den Landtagswahlen beigetragen hat, der versteht Politik nicht.
Ist es für die FPÖ wirklich unumstößlich, dass er Kanzler werden muss, wenn die FPÖ bei der Wahl Erste wird?
Alles andere wäre Etikettenschwindel und ein Betrug am Wähler.
Christian Hafenecker (*1980) war Landespressereferent für die FPÖ, zog 2010 in den Landtag und 2013 in den Nationalrat ein.
2018 und 2019 waren er und Harald Vilimsky Generalsekretäre, seit 2023 ist er es neben Michael Schnedlitz.
In den zwei U-Ausschüssen war Hafenecker Fraktionschef der FPÖ.
Und Sie glauben, dass Sie nach der Nationalratswahl einen Partner finden?
Das kann ich Ihnen versichern. Man hat ja in Niederösterreich gesehen, wie wichtig es der ÖVP ist, in einer Regierung zu bleiben. Die SPÖ tickt ähnlich – sie muss nur irgendwann wieder einmal anfangen, Politik zu machen.
Die aktuelle Stimmung spielt Ihnen freilich in die Hände. Wie viele wählen die FPÖ aus Frust und wie viele wirklich für die Inhalte?
Das ist schwer zu sagen. Ich bemerke, dass sich viele Menschen mittlerweile überfrachtet fühlen. Es gibt jeden zweiten Tag ein neues Thema, eine neue Unzulänglichkeit. Viele können oder wollen das nicht mehr verarbeiten und haben das Gefühl, es geht eh alles den Bach hinunter. Deshalb wenden sie sich von den Regierenden ab. So groß ist der politische Baukasten in Österreich nicht, dass man lange nach einer Alternative suchen müsste.
Die Neos gäbe es noch.
Wir werden sehen, ob es diese angeblich liberale Lifestyle-Partie nach der Nationalratswahl überhaupt noch gibt.
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