FPÖ-Forderung: Kann man Asylwerbern das Ausgehen verbieten?

FPÖ-Forderung: Kann man Asylwerbern das Ausgehen verbieten?
Ausgehverbot soll über Hausordnung kommen, Sanktionen bis hin zum Ausschluss aus Grundversorgung. Experten halten das für verfassungswidrig.

Wieso soll es ein Ausgehverbot bzw. eine nächtliche Anwesenheitspflicht geben?

Die Debatte losgetreten haben FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus nach den Mordfällen in Innsbruck (lesen Sie hier) und Steyr (mehr dazu hier), bei denen Afghanen verdächtigt werden. Nebenbei: Jener Verdächtige beim Mord in Steyr ist bereits subsidiär schutzberechtigt – der 17-Jährige ist also gar kein Asylwerber mehr, war aber in einem Haus der Volkshilfe in Steyr untergebracht.

In der ORF-Sendung „Im Zentrum“ argumentierte Vizekanzler Strache damit, dass „nächtliche Zusammenrottungen, Herumlungern, exzessiver Alkoholkonsum und Gewalttaten so verhindert werden könnten“. Eine Anwesenheit in der Nacht könne man von Menschen, „die Schutz suchen und rund um die Uhr betreut werden, verlangen“, betonte Strache.

Was hat die Regierung jetzt vor?

Laut Medienberichten am Wochenende plant Innenminister Herbert Kickl bereits eine Regelung, die eine nächtliche Anwesenheitspflicht von 22 bis 6 Uhr morgens in der Hausordnung und verstärkte Anwesenheitskontrollen vorsieht.

Tatsächlich gibt es diese Anwesenheitspflicht bereits in Bundesquartieren. Dort sind Asylwerber untergebracht, bevor sie in dauerhafte Landesquartiere verteilt werden, bzw. wenn absehbar ist, dass sie etwa nach der Dublin-Regelung ohnehin abgeschoben werden.

Auf KURIER-Anfrage heißt es dazu aus dem Innenministerium, dass sich Menschen, die einen Schutzbedarf in Österreich artikulieren, sich an "Spielregeln" zu halten hätten. Dazu gehöre etwa die Einhaltung der Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr. Derzeit wird der Zugang zur Bundesbetreuungseinrichtung in der Nacht geschlossen. Beim Betreten und Verlassen muss man sich beim Tordienst melden.

Diese Zeiten gelten in Bundesquartieren auch für Jugendliche, in den Ländern ist die Ausgehzeit aber von den jeweils unterschiedlichen Jugendschutzgesetzen abhängig und zudem nur ein "Richtwert" für die jeweiligen Altersgruppen. Im Innenressort wird erklärt, dass man in einem Bund-Länder-Koordinierungsrat versuchen wird, diese Ausgehzeiten zu harmonisieren - Vorbild soll das System des Bundes sein.

Wie viele würde das betreffen?

Derzeit sind rund 44.000 Menschen in Grundversorgung, rund 40 Prozent davon leben in privat organisierten Wohnungen. In Wien, wo die meisten Asylwerber leben (16.000 in Grundversorgung), sind es sogar 70 Prozent.

Bei den privat Wohnenden würde ein Ausgehverbot bzw. Kontrollen gar nicht greifen. Es sei denn, Kickl führt Planquadrate der Polizei ein und straft jene, die nach 22 Uhr draußen sind. Davon ist derzeit aber keine Rede.

Wie wird die Anwesenheit Asylquartieren derzeit geregelt?

Laut Christoph Riedl, Asylexperte der Diakonie, gibt es auch in den von den Ländern organisierten und von NGOs betreuten Quartieren so etwas wie eine Anwesenheitspflicht: „Täglich wird geschaut, ob alle da sind. Wenn jemand drei Tage lang nicht da ist, wird er abgemeldet und verliert seinen Anspruch auf Grundversorgung. Dazu sind Betreuer schon seit Jahren verpflichtet. Es dient dem Zweck, dass niemand Geld beziehen soll, wenn er vielleicht gar nicht mehr da ist.“

Wäre ein Ausgehverbot überhaupt zulässig?

Nein, sagt Verfassungsjurist Heinz Mayer im KURIER-Gespräch: „Wenn es dazu dient, die Freiheit eines Menschen zu beschränken, ist das klar verfassungswidrig.“

Eine Ausnahme sei lediglich, wenn von einer Person eine bestimmte Gefahr ausgeht – etwa, eine Straftat zu begehen oder jemanden mit einer Krankheit anzustecken. „Das ist aber eine individuelle Frage. Generell darf man keinen Erwachsenen ohne konkreten Grund daran hindern, sich draußen aufzuhalten, egal ob Asylwerber oder Inländer“, betont Mayer.

Auch den Umweg über die Hausordnung hält Mayer für unzulässig: „Das wäre wie Hausarrest.“

Der Ansicht ist auch Verfassungs- und Verwaltungsexperte Bernd-Christian Funk. "Wenn die Anwesenheit einem Zweck dient, etwa dem ordnungsgemäßen Durchführen eines Asylverfahrens, dann wäre eine Anwesenheitspflicht unter Umständen zulässig. Aber es führt ja niemand ein Asylverfahren in den Nachtstunden. Die geplante Regelung dient ganz klar nur dem Zweck, diese bestimmte Gruppe davon abzuhalten, etwas Verbotenes zu tun", erklärt Funk.

Nachsatz: "Unsere Rechtsordnung kennt aber keine Präventivhaft."

Die Regierung nennt es nun "Anwesenheitspflicht" - aber wie will man Verstöße sanktionieren?

Im Innenministerium betont man, dass man gerade an einem Konzept arbeite, das im Rahmen der Hausordnung auch gesetzeskonfrom sei. Über die Bedeutung der Hausordnung und der Nachtruhe will man an einem "Infotag" in allen Bundeseinrichtungen aufklären.

Bei Verstößen soll das Grundversorgungsgesetz „strikter“ gehandhabt werden. So gibt es Sanktionen, die von Ermahnungen, Taschengeldentzug bis hin zu einem Ausschluss aus der Grundversorgung führen können.

Laut Verfassungsexperte Funk ist aber genau das der Knackpunkt: Jede Form von Sanktion wäre verfassungswidrig.

"Man kann natürlich eine Nachtruhe in die Hausordnung schreiben, diese von den Bewohnern unterzeichnen lassen und hoffen, dass sie sich daran halten. Bei vielen funktioniert das sicher auch", meint Funk.

Will man diese Regeln aber durchsetzen, wird es schwierig. Jeder Nachteil, den jemand von solchen Regeln hat, sei potenziell eine Einschränkung der persönlichen Freiheit. Betroffene könnten sich gegen diesen Eingriff in ihre Grundrechte wehren - und hätten damit wohl Erfolg, glaubt Funk.

FPÖ-Forderung: Kann man Asylwerbern das Ausgehen verbieten?

Strache und Gudenus sagen, dass es auch in Kuranstalten und beim Bundesheer Ausgehzeiten gibt. Ist das vergleichbar?

Mayer: „Nein, denn bei der Kuranstalt argumentiert man damit, dass der Erfolg des Heilplans sichergestellt werden muss. Dazu gehört zum Beispiel, die Nachtruhe einzuhalten.“

Und Wehrpflichtige seien ja im Dienst und dürften deshalb nachts nicht das Haus verlassen – „das ist vergleichbar mit Ärzten oder Lehrern, die aufgrund ihrer Dienstpflicht anwesend sein müssen“.

Bemühungen, die Bewegungsfreit von Asylwerbern einzuschränken, sind nicht neu. Was ist bisher gescheitert, was wurde umgesetzt?

2010 scheiterte ein Gesetzesvorstoß noch unter der damaligen Innenministein Maria Fekter. Man wollte mittels „roter Karte“ sicherstellen, dass sich Asylwerber bis zu fünf Tage nach Antragstellung das Erstaufnahmelager in Traiskirchen nicht verlassen. Die Sanktionen reichten von Verwaltungsstrafen bis Schubhaft. Praktiziert wurde diese Regelung aber nur kurz, erinnert sich Verfassungsjurist Mayer: „Das war ganz klar eine Freiheitsbeschränkung und damit nicht zulässig.“

Eine Gebietsbeschränkung – bezogen auf den Bezirk, in dem ein Asylwerber gemeldet ist – gibt es für die Dauer des Zulassungsverfahrens. Wird er zugelassen und das Verfahren läuft, darf er sich allerdings frei bewegen.

Für jene, deren Asylantrag negativ entschieden wurde und bei denen eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt, gilt seit einer Novelle 2017, eine Gebietsbeschränkung. Sprich: Steht ein Asylwerber vor der Abschiebung, darf er den Bezirk nicht mehr verlassen und muss für die Exekutive greifbar sein.

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