FPÖ auf dem Vormarsch: Wer bremst Herbert Kickl als Kanzler?
Die FPÖ legt in den Umfragen kräftig zu, sie hat mit 25 Prozent schon wieder das Niveau von vor Ibiza erreicht. Die SPÖ hingegen hält mit leichtem Abwärtstrend bei 27 Prozent. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die beiden Kurven kreuzen. Sollte die Liste Wlazny antreten, wäre die SPÖ bereits auf Platz 2.
Angesichts des Erstarkens der FPÖ bricht in den Parteien Nervosität aus: Die SPÖ sieht ihre Felle davon schwimmen, Hans Peter Doskozil bringt sich als SPÖ-Spitzenkandidat in Stellung. In der FPÖ herrscht die Sorge, dass keine andere Partei Herbert Kickl zum Kanzler machen will. Die FPÖ-Oberösterreich bringt deshalb einen Verzicht Kickls aufs Kanzleramt ins Spiel, um wieder mit der ÖVP koalieren zu können.
Wie SPÖ, ÖVP und FPÖ mit der neuen Situation umgehen und wie die Konfliktlinien laufen, lesen Sie hier.
- Die FPÖ-Debatte: Kickl als Kanzler? Oder Verzicht wie Jörg Haider 2000?
In der Parteifamilie der Freiheitlichen ist Herbert Kickl weitgehend unumstritten – wobei "weitgehend" ein dehnbarer Begriff ist. Denn ausgerechnet wohl stärkste Landespartei, Oberösterreich, hat zu dem Parteichef ein durchwachsenes Verhältnis.
Nicht von ungefähr war es am Sonntag Michael Gruber, Landesparteisekretär der FPÖ Oberösterreich, der im KURIER einen bemerkenswerten Vorschlag deponierte. Laut Gruber muss die FPÖ alles tun, eine Dreierkoalition aus SPÖ, Grünen und Neos zu verhindern. Und im Bemühen um die "bürgerliche Mehrheit" solle man sich selbst bei einer Koalition mit der ÖVP "nicht so auf die Zusammenarbeit mit einer Person festlegen".
In dem Zusammenhang erwähnt Gruber den früheren FPÖ-Chef Jörg Haider, dem Kickl zugearbeitet hat und der 1999/2000 auf den Kanzler verzichtete, um eine Koalition mit der ÖVP zu ermöglichen.
Gruber wörtlich: "Ich kann nur sagen, dass das damals ein Beispiel dafür war, dass Haider sich zurückgenommen hat. Es war sonnenklar, dass er als Kanzler nicht durchgegangen wäre." Gruber stellt also offen zur Debatte, ob sich Kickl im Falle des Falles zurücknehmen soll.
Noch ist es nicht so weit.
Aber die Frage, was die FPÖ tut, sollte sie mit der ÖVP eine Regierungsmehrheit erlangen, stellt sich mit Kickl völlig anders als unter Heinz-Christian Strache oder Norbert Hofer.
Kickl ist der erste Minister, der aus dem Amt entfernt wurde – auf Vorschlag eines ÖVP-Kanzlers: Das ist ein Vertrauensbruch, den Kickl der ÖVP nur schwer nachsehen kann. Das umso mehr, als Kickl Zeit seiner Polit-Karriere bei politischen Themen oft mehr Sympathien und Nähe zur SPÖ als zur bürgerlichen ÖVP hatte.
Kickl selbst kann für sich jedenfalls beanspruchen, die Partei nach der ernüchternden Nationalratswahl kontinuierlich aufgerichtet und auf mittlerweile 25 Prozent bei der Sonntagsfrage gebracht zu haben.
- ÖVP ohne Kurz ist nur Mehrheitsbeschafferin
In der ÖVP ticken die Uhren anders als in anderen Parteien. Für satte 75 Prozent ist Sebastian Kurz immer noch glaubwürdig. Je mehr die ÖVP bei Wahlen verlieren, und je tiefer sie bei Umfragen sinken wird, desto größter dürfte die Kurz-Nostalgie werden. Tatsächlich ist die Situation derzeit ähnlich wie 2017: Eine starke FPÖ, eine SPÖ, die um den ersten Platz mitkämpft, und eine ÖVP, die dabei ist, unter 20 Prozent zu sinken. 2017 hat die ÖVP das Problem gelöst, indem sie Sebastian Kurz auf den Schild gehoben hat. Der Ausgang des Experiments ist bekannt.
Nun wiederholt sich die Situation von 2017, aber die ÖVP hat keinen Sebastian Kurz zur Hand, der ihre kantigen Asylaussagen in Stimmenzuwachs umzumünzen vermag. Geradezu das Gegenteil ist derzeit der Fall: Als langjährige Innenminister-Partei mit dem Asylproblem nicht fertig zu werden, und das auch noch selbst lautstark zu beklagen, treibt der FPÖ in Scharen die Wähler zu.
Sehr gut möglich, dass sich in dieser Stimmungslage bei der kommenden Nationalratswahl wieder eine rechte Mehrheit im Nationalrat ausgeht, und die Hoffnung auf die Ampel aus Rot, Grün und Neos verglüht. Aber wie will die ÖVP dann eine Rechtsregierung bilden? Als Juniorpartner der FPÖ? Vielleicht gar mit einem Bundeskanzler Herbert Kickl?
Die Verbindungen zwischen ÖVP und FPÖ sind jedenfalls vorhanden, es gibt beispielsweise eine starke Achse zwischen ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker und FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz aus der gemeinsamen Tätigkeit in Wiener Neustadt. Zwar regieren ÖVP und SPÖ in manchen Bundesländern gemeinsam (Tirol, Kärnten, Steiermark), aber das Verhältnis zwischen ÖVP und SPÖ ist dennoch weit von gegenseitiger Wertschätzung entfernt. Zudem ist gar nicht sicher, ob Rot und Schwarz im neuen Nationalrat überhaupt eine gemeinsame Mehrheit haben werden.
- Bleibt es bei SPÖ-Nein zu Rot-Blau? Kommt Doskozil als Retter der Mehrheit?
Sag’, wie hältst Du’s mit der FPÖ? Wer der SPÖ bzw. ihrer Parteiführung diese Frage stellt, wird seit geraumer Zeit auf den "Wertekompass" verwiesen. In diesem Kriterienkatalog definiert die Sozialdemokratie ganz allgemein, welche inhaltlichen Ansprüche man an Regierungspartner stellt.
Das Bequeme daran: Es muss keine Partei ausgeschlossen werden.
Das Problem daran: Legt man die Werte sehr streng aus, gibt es einige Hürden, die die SPÖ nehmen müsste, wollte sie mit der FPÖ koalieren.
Ein Beispiel: Während die FPÖ im Hinblick auf die Migrations- und Asylthematik mehrfach erklärt hat, man wolle die Menschenrechtskonvention überarbeiten, steht diese für die SPÖ nicht zur Debatte – so steht’s in der Präambel des Wertekompasses. Auch beim Österreichverständnis (Punkt I) hält die SPÖ fest, dass sie nicht mit Parteien koaliert, die rechtsextreme Haltungen unterstützen – genau das trifft auf einzelne Proponenten der FPÖ jedenfalls zu.
Und letztlich versteht sich die SPÖ laut Wertekompass als klare EU-Befürworterpartei, wohingegen die FPÖ bisweilen andere Töne anschlägt.
Unabhängig davon ist in der SPÖ freilich eines klar: Was die Zuwanderungs- und Asylpolitik angeht, wird man als SPÖ wohl einen Mitte-Rechts-Kurs einschlagen müssen, will man bei den Wählern reüssieren.
Zuletzt hat sich parteiintern gezeigt, dass die tendenziell zuwanderungskritische Haltung der burgenländischen SPÖ von zahlreichen SPÖ-Landesorganisationen geteilt wird.
So hat zuletzt auch eine Kampagne der gesellschaftspolitisch eher liberal orientierten Wiener SPÖ für internen Unmut gesorgt: Während Wiens Rote für Erleichterungen beim Staatsbürgerschaftsrecht eintreten, lehnen das SPÖ-Funktionäre in den bald wählenden Bundesländern ab. Die Wiener Forderung komme zur Unzeit, heißt es. "Das ist Gift für unseren Wahlkampf", sagten Funktionäre bei einem KURIER-Rundruf.
Die SPÖ-Burgenland ist jedenfalls alarmiert, dass mit dem Erstarken der FPÖ das Kanzleramt für die SPÖ wieder außer Reichweite gerät. Sie hat eine Umfrage in Auftrag gegeben, wonach die SPÖ mit einem Spitzenkandidaten Hans Peter Doskozil deutlich stärker abschneiden würde als mit Pamela Rendi-Wagner. Die SPÖ-Burgenland schlägt das deutsche Modell vor: Wer die besten Umfragen hat, soll zum Kanzlerkandidaten gewählt werden. Auf diese Weise wurde Olaf Scholz Kanzlerkandidat - und Kanzler. SPD-Chefin war und ist Saskia Esken.
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