Flughafen-Chef: "Man hat sich von NGOs und öffentlichen Stimmungen treiben lassen"
Umweltmaßnahmen schaffen und Wohlstand erhalten funktioniere nur mit einer Leistungsgesellschaft, mahnt Flughafenchef Günther Ofner. Und er kritisiert die Brüsseler Regulierungswut.
Top-Manager Ofner wünscht sich einen „Ruck zur Mitte“ und keine „bürokratisch-planwirtschaftlichen Systeme“. Dem Ruf der Politik hat er bisher widerstanden.
KURIER: Sie zählen zu den wichtigsten Wirtschaftskapitänen im Land, managen den Flughafen, sind Aufsichtsratschef der Österreichischen Beteiligungsgesellschaft und waren oft der Mann für schwierige Fälle, wenn man einen Sanierer brauchte. Hat nicht auch der österreichische Wirtschaftsstandort Sanierungsbedarf?
Günther Ofner: Neue Akzente sind notwendig. In der Krise war es richtig, dass der Staat aktiv geworden ist. Aber jetzt brauchen wir die Stimulierung unternehmerischer Initiativen und Zukunftsinvestitionen. Das heißt: Weniger Staat, weniger Bürokratie, mehr Entfaltungsmöglichkeiten für Unternehmer.
Neuerdings wird auch in Österreich gestreikt, die AUA und damit der Flughafen waren betroffen.
Die Forderungen sind weit überschießend, schaden der AUA und ihren Mitarbeitern. Die Streiks nützen der Konkurrenz, am Standort herrscht scharfer Wettbewerb.
AUA-Chefin Annette Mann hat versteckt gedroht, dass der Flughafen Wien Bedeutung verlieren könnte.
Das würde passieren, wenn die Kosten davonlaufen. Fliegen ist übrigens das sicherste Verkehrsmittel. Und mithilfe von synthetischem Kerosin wird Fliegen das erste CO2-neutrale Massenverkehrsmittel sein.
Als Fluggast wird man allerdings immer schlechter behandelt.
Fluggäste wollen möglichst günstig reisen, und das ging zum Teil auf Kosten zusätzlicher Serviceleistungen. Aber Wien ist führend bei Pünktlichkeit und schneller Sicherheitskontrolle.
Sind denn die hohen Sicherheitskontrollen noch immer notwendig?
Wir müssen uns an Vorschriften halten. Man könnte einiges entrümpeln, dazu hat aber niemand den Mut. Es kommen jedoch ohnehin bald Tomografen, wo man einfach durchmarschiert.
Vor zehn Jahren gab es große Aufregung über die dritte Flughafenpiste. Wird die jetzt gebaut?
Das wird intensiv evaluiert und in zwei, drei Jahren entschieden. Am Ende muss es wirtschaftlich passen.
Ja. 1998 wurde das Projekt vorgestellt, das Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung hat fast 20 Jahre gedauert, und noch immer gibt es juristische Geplänkel. Überlange Verfahren sind der Grund, warum Europa im Wettbewerb zurückzufallen droht. Ein Marathonläufer, der drei Bleiwesten umgehängt kriegt – an Bürokratie, an Vorschriften, an Regulierung –, wird kaum Erster werden.
Müsste das bei der EU-Wahl Thema sein oder ist es den Wählern egal?
Wenn wir wettbewerbsfähig sein wollen, müssen wir die Überregulierung zurückdrehen. Diese ist einer links-grün-liberalen Allianz geschuldet. Doch ein bürokratisch-planwirtschaftliches System hat noch nirgendwo funktioniert. Dabei hat man bei der ökologischen Transformation richtig begonnen: mit dem marktwirtschaftlichen Ansatz der CO2-Bepreisung.
Salon Salomon Günther Ofner
Wieso sollen Grün-Linke die Linie vorgegeben haben, wo doch die CDU die Kommissionspräsidentin stellt?
Man hat sich wahrscheinlich zum Teil von NGOs und öffentlichen Stimmungen treiben lassen. Und die Kommissionsbürokratie hat Oberhand gewonnen. Aber die Philosophie, alles bis ins Detail von Brüssel aus zu regeln, funktioniert in der Praxis nicht. Die nächste Kommission muss einen neuen Weg einschlagen.
Besteht für die ÖVP Gefahr, dass sie den Weg der einstigen Democrazia Cristiana geht – einer gemäßigten katholischen Volkspartei, die nach Korruptionsfällen zersplitterte und verschwand?
Das hoffe ich nicht. Wir brauchen weder einen Links- noch einen Rechtsruck. Die Polarisierung ist gefährlich. Es muss einen Ruck zur Mitte und Maßnahmen für einen Wirtschaftsaufschwung geben. Ohne Wirtschaftswachstum können wir weder unser Sozialsystem erhalten, noch die enormen Investitionen der ökologischen Transformation schultern. Wir brauchen eine Politik mit Hausverstand.
Sehen Sie diesen Hausverstand in der ÖVP noch beheimatet? Die alten Tugenden wie Leistung und sparsames Haushalten scheinen doch verloren gegangen zu sein.
Nein, die gelten nach wie vor, das steht jetzt auch im Zentrum der Programme – sowohl des Bundeskanzlers, als auch des Finanzministers.
2017 waren Sie involviert auf Seite der ÖVP in die Koalitionsverhandlungen. Hat man Sie nie gefragt, ob Sie Minister werden wollen?
Der Kelch ist an mir vorübergegangen.
Sie haben abgelehnt oder wurde nichts daraus?
Es war jeweils eine Konstellation, wo es für mich nicht passte.
Vielleicht geht es sich am Ende ja doch noch aus?
Ich sehe es nicht als sehr realistisch an. Mit meinen jetzigen Aufgaben bin ich ja ohnehin Teil der Wirtschaftspolitik des Landes.
Wie schafft man es, den Schatten von Thomas Schmid aus der ÖBAG rauszubringen, in deren Aufsichtsrat sie sitzen?
Der spielt keine Rolle mehr. Die ÖBAG, die immerhin Beteiligungen mit fast 150.000 Beschäftigten verwaltet, wurde in ein ruhiges Fahrwasser gebracht, die Beteiligungsunternehmen wirtschaften gut. Wir haben 2022 mit 1,6 Milliarden eine Rekord-Dividende ausgeschüttet. Für 2023 wird Ähnliches erwartet.
Der Standort Österreich hat von den guten Beziehungen zum Osten und auch zu Russland profitiert, damit ist es nun vorbei. Müssen wir uns auf magere Jahre einstellen?
Ganz Europa muss sich umstellen. Ein Teil des europäischen Erfolgs war auch der günstige Energiebezug, vor allem aus Russland. Wir müssen eine Energiestrategie entwickeln, die auch ohne Russland auskommt.
Sie sind prominentes Mitglied des Cartellverbands. Wie mächtig ist der CV in Österreich?
Da wird viel zu viel hineingeheimnist. Für mich war die Mitgliedschaft in einer Studentenverbindung das Tor zur Welt, als ich noch Gymnasiast im Südburgenland war.
Günther Ofner (67) ist Flughafen-Vorstandsdirektor, Spartenchef für Luftfahrt in der Wirtschaftskammer und seit 2022 Aufsichtsratschef der ÖBAG. Der Jurist ist politisch gut vernetzt: Er ist Mitherausgeber des „Jahrbuchs für Politik“, das die Politische Akademie der ÖVP alljährlich publiziert. 2017 wurde Ofner von der ÖVP bei den Koalitionsverhandlungen beigezogen. Er ist prominenter CVer.
5,9Millionen Reisende wurden heuer im ersten Quartal am Flughafen Wien abgefertigt, Tendenz steigend. Streiks führten heuer zu Hunderten Flugausfällen. Der Konflikt ist noch nicht beigelegt.
Eine Zeitlang waren relativ viele CVer in der Regierung. Bildet man da nicht auch ein politisches Netzwerk?
Das wäre zu naiv gedacht. Wenn man sich kennt, hat man natürlich einen direkteren Draht. Aber es gibt vereinzelt auch erbitterte Feindschaften zwischen Mitgliedern.
Sie wirken immer so aufgeräumt und nett. Ist das nur Tarnung?
Ich hoffe, ich weiß situativ immer, was angemessen ist. Ich bin zielstrebig, beharrlich, entscheidungsfreudig.
Nie unwirsch?
Sehr, sehr selten.
Was raten Sie dem Manager-Nachwuchs?
Offen sein, lernen, leisten, sich engagieren, Zukunftsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen opportunistische Anwandlungen entwickeln. Für mich war auch der Philosoph Karl Popper prägend: Etwas ist nur so lange richtig, bis man das Gegenteil beweisen kann. Und: Optimismus als Pflicht. Die Menschheit hatte nie zuvor so viele Mittel in der Hand, um Probleme zu lösen, wie heute. Ich verstehe daher die Resignation nicht. Verzicht und Einschränkung bringen nichts. Wir müssen wachsen und mit unserem Wissen und unserer Technologie auch dem Rest der Welt Beistand leisten, damit alle ein gutes Leben führen können.
Sie sind 67. Sollen alle so lange arbeiten?
Ich wünsche mir höhere steuerliche Anreize für Mehrarbeit und längeres Arbeiten. Die geplanten Umweltmaßnahmen schaffen und gleichzeitig unseren Wohlstand erhalten können wir nur in einer Leistungsgesellschaft.
Kommentare