Was haben Sie EU-Kommissar Thierry Breton in Ihrem Brief konkret vorschlagen?
Konkret geht es uns darum, wie wir jetzt auch kleinere Plattformen in die Pflicht nehmen können. Österreich ist damals mit dem Kommunikationsplattformengesetz vorausgegangen, die EU ist dann mit dem Digital Service Act (DSA) nachgezogen. Der bietet eine gute Grundlage, um zukünftig Plattformen in die Pflicht zu nehmen, schnelle Löschungen vorzunehmen und gegen Hass im Netz vorzugehen. Der DSA umfasst aber nur große Plattformen, die über 45 Millionen Userinnen und User haben. Uns geht es darum, dass wir diese Schwellenwerte deutlich absenken. Wir wollen auch kleinere Plattformen, die eine in einem Land eine gewisse Marktmacht haben, miteinbeziehen.
Wäre es aus europarechtlicher Sicht überhaupt möglich, eine Senkung der Schwellenwerte oder eine Klarnamenpflicht national umzusetzen?
Aus unserer Sicht ist es schon möglich, eine Klarnamenpflicht in Österreich allein einzuführen oder die kleineren Unternehmen zu verpflichten. Die Probleme bei der Durchsetzung beim Kommunikationsplattformengesetz hatten wir auch bei den großen Plattformen, nicht bei den kleinen oder nationalen. Ich bin davon überzeugt, dass eine Klarnamenpflicht zwischen User und Plattform die Zukunft im Internet sein wird. Die technischen Möglichkeiten des Internets bewegen sich dorthin, dass die gleichen Rechte, die offline gelten, auch online gelten müssen. Denken wir an den Jugendschutz, an Online-Glücksspiel und Co. All das wird nicht mehr so einfach möglich sein können, ohne klare Identifikation und klaren Nachweis des Alters.
Es gäbe also aus Ihrer Sicht die Möglichkeit einer nationalen Regelung. Aber auch hinsichtlich möglicher Wettbewerbsnachteile: Wäre eine Regelung auf EU-Ebene nicht intelligenter?
Eine EU-weite Regelung wäre immer vorzuziehen. Aber wenn wir hier einen Schritt voraus gehen können, dann werden wir das national machen. Das Kanzler will das zurecht umsetzen.
Der Digital Service Act gilt ab 16. Februar. Die europäische digitale Identität, die ein europaweit einheitlicher Identitätsnachweis wäre, braucht noch länger. Wie schnell wäre es überhaupt möglich, eine Klarnamenpflicht auf EU-Ebene zu implementieren?
Diese EU-Prozesse brauchen immer ein paar Jahre, das haben wir bei dem DSA auch gesehen. Und man muss auch den Plattformen Zeit geben, das nutzerfreundlicher umzusetzen. Eine Klarnamenpflicht geht sicher nicht von heute auf morgen, weil weder die User noch die Plattformen darauf vorbereitet sind.
Derzeit gilt der DSA nur für wenige Internetriesen. Sie wollen den Schwellenwert der User bei der Klarnamenpflicht senken. Wer soll aller von der Neuregelung betroffen sein?
Wir haben drei ganz konkrete Punkte präsentiert. Das ist glaub ich der konkreteste Vorschlag, den es bis jetzt gibt. Nur an einer konkreten Userzahl kann man es nicht festmachen, es braucht weitere Richtwerte. Zum Beispiel, ob es sich um eine Bewertungsplattformen handelt oder ein Unternehmen, das in einem gewissen Gebiet eine gewisse Marktmacht hat. studiVZ oder Xing hatten zum Beispiel eine enorme Marktmacht in einem bestimmten Gebiet. Dann gehören sie, obwohl sie weniger Nutzer haben als große, globale Plattformen, auch dementsprechend reguliert.
Gibt es dennoch eine ungefähre Vorstellung, wie viele Unternehmen Ihr Plan treffen könnte?
Wir haben noch keine Vorstellung, wie viele Unternehmen und Plattformen es treffen könnte. Natürlich braucht es eine praktikable Lösung – sowohl für die Plattformen als auch für die Nutzer.
Ab wann können wir eigentlich mit der EU-Wallet rechnen und wie wird sie funktionieren?
Die EU-Wallet ist nichts anderes als unsere E-Ausweis-App. Wir haben das als erster EU-Staat über die ID Austria umgesetzt. In jedem EU-Staat wird es zukünftig so eine E-Ausweis-App mit bestimmten Funktionen geben. Die müssen grenzüberschreitend funktionieren. Zum Beispiel, um das Alter, die Identität oder den Führerschein nachzuweisen. All das muss bis 2026 in allen Staaten eingeführt werden. Ganz offen gesagt: Ich glaube nicht, dass das alle Staaten schaffen werden. Auch unsere Nachbarstaaten sind noch lange nicht so weit wie wir.
Sie haben gesagt, dass es neben der ID Austria noch andere Möglichkeiten zu Identifikation denkbar seien. Welche?
Ich glaub, es braucht einen breiten Blumenstrauß an Möglichkeiten, um sich im Internet zu identifizieren. Mir ist bewusst, dass das nicht alle Leute mit staatlichen Identitäten machen wollen – auch wenn es zu 100 Prozent sicher ist. Es könnte auch über eine Video-Identifikation möglich sein.
Es gibt derzeit kein Vorzeigebeispiel in einem demokratischen Staat, wo die Klarnamenpflicht funktioniert hätte. Neben datenschutzrechtlichen Bedenken befürchten Kritiker auch eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Warum sind Sie dennoch dafür?
Beide Punkte teile ich überhaupt nicht. Einerseits muss ich logischerweise schauen, wie ich große und auch kleine Plattformen zu Datenschutz verpflichten kann. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten. Etwa, dass ich meine Identität der Plattform gegenüber gar nicht preisgebe, sondern einen Identitätstoken, den nur Sicherheitsbehörden auslesen können. Wir stehen hier am Beginn eines Prozesses, wo es viele Möglichkeiten gibt. Was ich nicht gelten lassen möchte: Dass die freie Meinungsäußerung eingeschränkt wird. In unserem Modell sind Nicknames ja nicht verboten. Es geht nur darum, dass die Identität für Behörden nachvollziehbar ist, wenn man eine strafrechtlich relevante Äußerung trifft. Dass kann der freien Meinungsäußerung nicht widersprechen. Eine freie Meinungsäußerung in der Offline-Welt besteht ja auch nur so weit, dass man sich nicht strafbar macht.
Gibt es ein Vorzeigebeispiel für Identitätstokens, die nur für Sicherheitsbehörden auslesbar sind?
Nein, aber über die digitalen Identitäten wäre das technisch lösbar. Bei meinem digitalen Altersnachweis gebe ich beispielsweise dem Gegenüber auch nur mein Alter weiter, nicht aber meine Identität. Von Sicherheitsbehörden kann man über das bereichsspezifische Personenkennzeichen aber identifiziert werden. Ich glaube aber, dass sich diese Frage anfangs gar nicht stellen wird. Auf Amazon ist fast jeder mit einem Nickname angemeldet, im Hintergrund ist aber klar die Identität erkennbar, sonst könnten sie ja nichts zuschicken. Es gibt ganz viele Plattformen, wo Bezahlsysteme hinterlegt sind, mitsamt der Kartendaten. Bei vielen Login-Prozessen ist der Klarnamen anzugeben. Das wird nur oft missbräuchlich durch Chatbots oder jemanden verwendet, der bewusst seine Identität verschleiern will. Und das würde ein zusätzlicher, digitaler Identitätsnachweis verhindern.
Der Koalitionspartner stimmt dem Drei-Punkte-Plan derzeit nicht zu. Aber wie schnell könnte man ihn theoretisch national umsetzen?
Wir werden natürlich auch Verhandlungen mit den Grünen führen. Ansonsten würden diese Punkte in die nächsten Koalitionsverhandlungen eingebracht und dann umgesetzt. Der Plan des Kanzlers gilt ja klar bis ins Jahr 2030. So lang möchte ich mir da aber nicht Zeit nehmen.
Kommentare