Ihr Ziel ist es, dass Führerschein, E-Card und Pass künftig auf dem Handy gespeichert sind. Viele aber haben Vorbehalte oder wollen das schlicht nicht.
Die Vorbehalte, wenn das Handy weg ist, dann ist alles weg, die kann ich nehmen. Die Ausweise sind ja nicht am Handy gespeichert, sondern in der App. Wenn ich heute meinen Führerschein am Handy verliere, dann logge ich mich einfach mit einem neuen Handy ein.
Wie viele digitale Führerscheine oder Personalausweise soll es heuer noch geben?
Darum geht es mir nicht! Jeder, der will, soll die Möglichkeit haben, seine Ausweise nicht nur in der Geldtasche, sondern auch am Handy zu haben. Die Anzahl spielt für mich nur insofern eine Rolle, als dass sie ein Indikator dafür ist, wie einfach und unkompliziert die Anwendung und Handhabung ist.
Die elektronischen Amtswege sind aber nicht frei von Fehlern, zudem haben viele keine Nerven oder Scheu davor, weil sie nicht mit wenigen Klicks zum Ziel führen.
Stimmt, aber wir dürfen uns nicht wundern, denn der durchschnittliche Österreicher hat 1,5 Amtswege pro Jahr zu bewerkstelligen. Wir müssen mit den Bürgern beim e-Government täglich in Interaktion treten, damit der Umgang gelernt und irgendwann selbstverständlich wird. Beim digitalen Führerschein ist uns das schon ganz gut gelungen, denn 340.000 Menschen besitzen ihn bereits.
ID Austria, digitales Amt, e-Card, … man verliert selbst als Interessierter den Überblick. Geht es nicht einfacher?
Ja, genau das ist die Grundidee des Digital Austria Acts mit 117 Maßnahmen und 36 Grundsätzen, die wir vor wenigen Wochen verabschiedet haben. Es ist uns in der Vergangenheit zu wenig gelungen, dass wir gemeinsam in die gleiche Richtung gehen.
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Das eine Ministerium hat das gemacht, das andere Bundesland das. Künftig soll es nur mehr eine Plattform geben, muss die ID Austria alle Behördengänge erledigen können.
Die Digitalisierung führt auch zu Diskriminierung. Menschen, die Erlagscheine auf der Bank oder ihr Ticket am Schalter zahlen wollen, gibt es nicht wenige. Welche Hilfestellung kann der Staat diesen Bevölkerungsgruppen geben?
Eines vorweg: Österreich steht viel besser da, als sich manch einer denkt. Alle Dinge, die der Staat anbietet, soll es auch in Zukunft sowohl digital als auch analog geben. Was der Staat machen kann und versuchen wird, ist, die digitalen Kompetenzen zu heben. Österreichweit wird es Workshops geben, die sich mit E-Government befassen, Online-Banking erklären und die Sicherheit im Netz. Das betrifft aber nicht nur Senioren.
Jugendlichen sind mit dem Handy groß geworden und nicht mit dem Vierteltelefon.
Über das Handy zu wischen, das bedeutet nicht, dass ich digital kompetent bin oder mich mit Cyber Security auskenne oder weiß, was ein sicheres Passwort können muss.
Nach Bitcoin und Co plant die EU den digitalen Euro. Dostojewski sagt: "Bargeld ist geprägte Freiheit“. Verstehen Sie das Beharren auf Bargeld, wie von der FPÖ propagiert?
Das wird jetzt viele überraschen, aber ich bin ein Verfechter des Bargelds. Bargeld darf nie eingeschränkt werden. Die Lösung einer Innovation kann ja nicht sein, dass man anderes deshalb beschränkt oder verbietet. Die Idee des digitalen Euros soll sein, eine Unabhängigkeit von amerikanischen Kreditkartenunternehmen zu erreichen und eine Anonymität im digitalen Zahlungsverkehr zu gewährleisten. Die Diskussion innerhalb der EZB und EU wird aber komplett falsch geführt, über diese potenziellen Vorzüge des digitalen Euro wird nicht gesprochen. Dabei geht es nicht um ein Entweder-Oder.
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Oft, wenn Marc Zuckerberg oder Elon Musk neue Regeln für Facebook oder Twitter beschließen, fragen nicht zuletzt Medien und Politik, wie sie deren Macht kontrollieren können. Können Staaten das überhaupt noch?
Problematisch wird es immer, wenn wir uns in Abhängigkeiten begeben. Wenn beispielsweise die Infrastruktur in einer Hand liegt. Das Gefahrenpotenzial ist gerade bei der Satellitenkommunikation gegeben – und Musk besitzt den Großteil der Satelliten. Dasselbe gilt für Daten. Es gibt wenige große Hyperscaler, also Cloud-Anbieter, die Zugriff auf die meisten Daten weltweit haben. Nicht umsonst heißt es, Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts.
Wie kann der Staat das Daten-Öl-Geschäft reglementieren – es gelingt seit Jahren nicht.
In den 1910er Jahren ist das Öl-Monopol zerschlagen worden, weil alle darauf angewiesen waren. Eine ähnliche Situation haben wir jetzt. Wir beschäftigen uns auf EU-Ebene täglich mit der Regulierung – ich hätte nie gedacht, wie sehr! Nach Digital Service Act und Digital Market Act kommt jetzt noch der Data Act, der Data Governance Act, der Gaia X, eIDAS AI-Act, AID Act und ich habe jetzt sicher noch einige vergessen. All diese Acts beschäftigen sich nur mit Recht und Regulierung.
Welche Erfolge soll dieser Wust an Acts am Ende mit sich bringen?
Die digitale Souveränität Europas und das Ziel, das europäische Wertenbild in die digitale Welt zu übertragen.
Verstehen Sie die Angst vor Künstlicher Intelligenz und ChatGPT?
Die Welt und die Wirtschaft arbeiten seit Jahrzehnten mit Künstlicher Intelligenz. Das ist nichts Neues. Neu ist, dass durch ChatGPT so etwas wie ein Iphone-Effekt eingetreten ist und jeder eine Vorstellung davon hat, was KI ist und kann. Dadurch steigen Ängste, aber auch das Bewusstsein, was dadurch alles künftig möglich sein wird. Aufgabe der Politik ist es nicht die KI, sondern die Anwendungen zu regulieren. Wir sind hier gerade an einem Scheidepunkt.
Definieren Sie bitte den Scheidepunkt?
Es darf kein Social Scoring geben wie in China, keine Massenüberwachung, keine Dinge, die missbräuchlich verwendet werden können wie im HR- oder Versicherungsbereich. Und, es darf nicht erlaubt sein, dass Menschen mit KI interagieren, ohne es zu wissen. Denn über allem steht: Die Akzeptanz gegenüber allem Neuen hängt vom Vertrauen ab.
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Sie haben integrierte Kommunikation an der Donau Universität Krems studiert. Was würden Sie mit Ihrem heutigen Wissenstand lernen wollen?
Ich habe den Master zu Digital Business und Tech-Law kurz bevor ich Staatssekretär wurde leider erst zur Hälfte, was mir leid tut. Ich erachte es als Fehler, dass meine Eltern mich auf ein humanistisches Gymnasium geschickt haben, weil mir Technisches mehr liegt. Heute würde ich ein MINT-Fach studieren. Bei MINT denken alle an Stunden vor dem Computer, um etwas zu programmieren, doch es hat viel mehr mit Kreativität und Design zu tun.
Als Staatssekretär für Digitalisierung wirkt Ihre Mitgliedschaft bei der Teutonia fast anachronistisch. Was hat Ihnen der Cartellverband gebracht?
Das, was für viele Vereine gilt: Ich bekam früh die Möglichkeit, mich zu verwirklichen und später dazu, Verantwortung und Führungspositionen zu übernehmen. Ich möchte die Zeit nicht missen und bin nach wie vor engagiert.
Sie zählen zu den jüngsten Politikern der türkis-grünen Koalition. Warum sollte ein junger Mensch in die Politik gehen?
Das gilt für die Kommunal- wie Bundespolitik: Es ist die Möglichkeit, gestalten zu können. Das Bild, des Politikers in der Öffentlichkeit, das jetzt oft gezeichnet wird, tut weh, denn es kann ein wirklich schöner Beruf sein. Ich selbst halte mich im Amt ganz bewusst aus der Tagespolitik heraus und konzentriere mich auf die Sachpolitik.
Wenn in einem Jahr gewählt wird, was soll in Ihrem Wikipedia-Eintrag stehen?
Ich möchte erreichen, dass die Menschen mit E-Government-Lösungen gerne interagieren, der Breitbandausbau gelungen ist und die Menschen mehr Vertrauen in die Anwendungsmöglichkeiten haben.
Ihre wichtigste App auf Ihrem Handy?
Die Wetter-App. (zeigt seine figurierte Smartwatch am Handgelenk)
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