Politologe Filzmaier: "Widersprüche" im ÖVP-Ethikrat

Politologe Filzmaier: "Widersprüche" im ÖVP-Ethikrat
Der ÖVP-Ethikrat will Thomas Schmid aus der Partei ausschließen. Peter Filzmaier über die moralische Glaubwürdigkeit der ÖVP.

Die Diskussion um einen möglichen Parteiausschluss Thomas Schmids durch den ÖVP-Ethikrat war auch in der ZiB2 am Donnerstagabend Thema. Politologe Peter Filzmaier zeigte sich im Interview mit Martin Thür erstmals leicht "verwundert", dass der Ethikrat "vor allem auf strafrechtliche Aspekte Bezug nimmt, und nicht auf ethische und moralische Aspekte. Das scheint ein Widerspruch in sich zu sein", so Filzmaier. Und betont: "Immerhin hat man vom Ethikrat, der vor fast zehn Jahren geschaffen wurde, endlich was gehört, zuletzt fiel er eher durch Untätigkeit auf."

Politologe zu möglichem ÖVP-Ausschluss Schmids

Der Politikwissenschafter könne die Argumentationslinie des Rats zwar teilweise verstehen, "unlogisch" erscheine ihm dennoch, dass für jeden anderen die Unschuldsvermutung gelte, "nur für Thomas Schmid nicht." Demnach müsse die ÖVP seinen Aussagen vor der Staatsanwaltschaft also glauben, "parallel dazu sagt die ÖVP aber die ganze Zeit, Thomas Schmid ist der größte Lügner überhaupt. Da sind wir wieder bei neuen Widersprüchen."

Filzmaier generell zur Aufgabe des Ethikrats: "Er müsste eine Meinung haben zu den ethischen Aspekten der ganzen Affäre", meint Filzmaier. Es gäbe genug Inhalt in den Chats, der strafrechtlich nicht relevant sei, ethisch aber bewertet werden könne: "Der Versuch von Sebastian Kurz und dessen Umfeld, den Amtsvorgänger systematisch als Parteichef abzulösen, Postenschacherei, Parteienproporz und fragwürdige Auftragsvergaben", zählt Filzmaier auf. "Egal ob das strafrechtlich relevant ist oder nicht, man könnte es ethisch bewerten. All das hat der Ethikrat aber nicht gemacht."

Moralische Glaubwürdigkeit

Die moralische Glaubwürdigkeit von Parteien hält Filzmaier für wichtig: "Eine Partei ist eine Werte- und Sinnungsgemeinschaft. ,Wir sind nicht kriminell', wäre ein bisschen der Minimalkonsens als Wert", so Filzmaier. "Bei der ÖVP geht es um christliche Werte an sich, und das ist auch Bestand einer Partei, damit sie sich von anderen Parteien unterscheidbar macht."

Die Causa um den ÖVP-Wirtschaftsbund Vorarlberg, der knapp über 770.000 Euro an Steuern für die Jahre 2016 bis 2021 nachzahlen muss, nennt Filzmaier "definitiv noch nicht erledigt": "Wir wissen nur, dass diese Steuer nachbezahlt werden muss. Wir wissen aber zum Beispiel nicht, ob das nur aufgrund einer finanziellen Denkschwäche war oder einer geplanten Steuerhinterziehung." Genauso wenig wisse man, warum das Inseratvolumen vor Wahlen immer mehr wurde, warum mehr Inserate als inhaltliche Texte in der Zeitschrift vorkamen, und was Landeshauptmann Markus Wallner, gegen den die WKStA immer noch ermittle, davon wusste.

"Wenn er tatsächlich davon gewusst haben soll, wäre das Amtsmissbrauch", so Filzmaier. Wallner bestreitet das vehement.

Änderung der EMRK: "Extrem unwahrscheinlich"

Inhaltlich versuche die ÖVP auf Bundeseben wieder mal das Migrationsthema in den Fokus zu setzen, so Thür, etwa mit der aktuellen Debatte über eine Änderung der Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), die Klubobmann August Wöginger angerissen hat. Filzmaier betont, dass es für eine Änderung die Zustimmung fast aller 50 Mitgliedstaaten im Europarat brauche. Dass das geschehe, hält er für extrem unwahrscheinlich.

Kommentare