Faßmann: "Wenn 1,1 Mio. Schüler den Stift fallen lassen, hilft das niemandem"

Faßmann: "Wenn 1,1 Mio. Schüler den Stift fallen lassen, hilft das niemandem"
Der Bildungsminister zur Frage, wann die Schulen wieder aufsperren, ob die Ferien gekürzt werden und ob die Matura stattfindet.

KURIER: Nach welchen Kriterien wird entschieden, wann die Schulen wieder aufsperren können?

Heinz Faßmann: Das ist eine Entscheidung der Bundesregierung und des beratenden Krisenstabes. In diesem sind eine Reihe von Wissenschaftlern, Virologen, Epidemiologien, Statistikern, es ist also eine Entscheidung, die auf Fakten basiert. Der wesentliche Parameter ist dabei die Entwicklung der Neuinfektionen, die Anzahl soll konstant oder besser noch rückläufig sein.

Sie gehen nicht davon aus, dass die Schulen erst wieder im September öffnen werden?

So ist mein Plan und meine Absicht, abhängig von der Gesamtsituation.

Es werden aber nicht alle 1,1 Millionen Schüler auf einmal wieder in die Schule zurückkehren können. Planen sie da einen Stufenplan?

Ein Stufenplan hieße, dass zuerst nur die Schulstufen kommen können, wo es besonders wichtig ist, also 4., 8., und 12. Schulstufe. Ein Teil nur am Vormittag, einer nur am Nachmittag ginge auch, das müssen wir noch durchdenken.  Das würde für die Schule eine Art Entdichtung bedeuten, dass nicht gleich alle in der Schule sind und wir eine Ausdünnung erzielen, damit die Infektionskette nicht sofort wieder anspringt.

Wir sind nun an einem Punkt angelangt, wie das noch nie jemand erlebt hat, dazu kommt eine Rekordarbeitslosigkeit und eine auch für Familien eine unklare Situation, wie es weitergeht. Ist Ihnen und dem Ministerium klar, was das für die Eltern und Kindern eigentlich heißt? Machen Sie alles, was derzeit möglich und nötig ist, um diese Situation bestmöglich zu gestalten?

Das ist unsere Intention, diese Situation wirklich bestmöglich zu gestalten. Auch eine Situation, wo wir keine Masterpläne aus der Tasche ziehen können, weil es in der Geschichte nichts vergleichbares gab. Wir versuchen hier, die Belastung auf viele Schultern zu verteilen. Wenn die Eltern mir rückmelden, dass die Belastung zu groß ist, dann reagieren wir auch und sagen, bitte, liebe Lehrerinnen und Lehrer, weniger Druck ins System hinein. Jetzt ist sicher nicht die Zeit der größten Expansion des Lehrstoffes.

Bei bisher über 200.000 Kündigungen in nur zwei Wochen werden auch viele Eltern andere Sorgen haben, als mit ihren Kindern für die Schule daheim zu üben. Kann auf diese Situation überhaupt ausreichend eingegangen werden?

Wir haben das im Auge, gesamtheitlich, es ist ja ein gesamtgesellschaftliches Problem. Ich kann nur nicht jenen folgen, die deshalb fordern, bei der Schule gar nichts mehr zu machen und den Laden zu schließen. Denn ich sehe auch hier, dass es zur Bewältigung der Situation besonders wichtig ist, so etwas wie eine Tagesstruktur hineinzubekommen. Was wir machen, über das distance learning, wie gut oder mäßig das auch immer funktioniert, bedeutet Tagesstruktur für die Kinder. Das ist noch immer das beste Rezept, um schwierige Situationen zu bewältigen. Da denke ich an Viktor Frankl, der ja immer sagte: Wir brauchen eine Aufgabe. Dann können wir auch mit schwierigen Situationen umgehen.

Also unterm Strich planen sie schon so, dass es in diesem Schulsemester noch Unterricht geben wird?

Ja, denn wenn 1,1 Millionen Schüler den Stift fallen lassen, hilft das niemandem.

Der KURIER hat viele eMails auch von Schülern bekommen. Von den Sängerknaben kam etwa die Forderung zu den ausstehenden Prüfungen: „Wir verstehen, dass die Zentralmatura die Idee einer gleichen Bewertung für alle vertritt. Aber lohnt es sich, damit eine andersartige Ungleichbehandlung, nämlich durch unterschiedliche Familienverhältnisse, soziale Schichten, unterschiedlichen Zugang zu elektronischen Medien und unterschiedlich gebildeten Eltern einzuhandeln?

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