Expertenbericht erwartet: Wird die Impfpflicht verschoben?
Der 8. März ist Tag der Entscheidung: Der Expertenbericht zum Thema Impfpflicht wird vorgelegt. Die vier Experten - zwei Mediziner, zwei Juristen - sollen bewerten, ob die Impfpflicht, wie ursprünglich geplant, wirklich ab 16. März kontrolliert und Verstöße sanktioniert werden sollen.
Am Montag fand eine letzte Sitzung des Expertengremiums statt, wie der KURIER erfuhr, der Bericht soll damit fristgerecht beim Bundeskanzleramt und im Gesundheitsministerium vorliegen. Der Bericht ist aber nur Grundlage - die Entscheidung trifft die Politik, das hat Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) in der Debatte mehrmals betont.
Nehammer hat in der Causa ein neues Gegenüber: Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein hat ja vergangene Woche seinen Rücktritt verkündet, der neue Gesundheitsminister, Johannes Rauch, wird am Dienstag um 11 Uhr vom Bundespräsidenten angelobt. Die Entscheidung über das "Scharfstellen" der Impfpflicht wird damit Rauchs erste große Amtshandlung als Minister.
Offen ist allerdings, ob das Ergebnis auch schon am Dienstag präsentiert wird oder später. Wegen des Wechsels an der Ministeriumsspitze könnte es zu einer Verzögerung kommen.
Debatte unter Experten
Worum geht es in der Debatte? Omikron hat die Voraussetzungen für die Impfpflicht, die zu Zeiten der Delta-Variante konzipiert wurde, verändert: Zwar sind die Infektionszahlen hoch, die Spitäler sind aber nicht überlastet. Damit fällt ein Argument, das bisher für Einschränkungen der persönlichen Freiheit gezogen hat, weg.
Juristen sind allerdings der Meinung, dass die Impfpflicht verfassungsmäßig sei, weil es legitim ist, dass der Staat in Richtung Vorsorge arbeitet: Je mehr Menschen geimpft sind, desto weniger stark belastet ist das Gesundheitssystem (lesen Sie etwa hier). Und tatsächlich zeigte sich auch in jüngster Zeit, dass sich Geimpfte zwar infizieren, aber deutlich seltener im Spital landen.
Fragt sich: Wie gut taugt die Impfpflicht wirklich für die Prävention? Das war dem Vernehmen nach eine der Herausforderungen im Expertengremium. Die Mediziner mussten beurteilen, wie verlässlich die aktuell verfügbaren und angekündigten Impfstoffe auch gegen zukünftige Varianten wirken. Die neue Untervariante etwa soll noch infektiöser sein. Schwer abzuschätzen, wie die Varianten sich weiterentwickeln.
Ausschlaggebend für die Impfpflicht ist zudem, wie gut sie zu exekutieren ist. Die Polizei sollte ab 16. März im Rahmen von beispielsweise Verkehrskontrollen auch das Impfzertifikat kontrollieren und bei Verstößen Strafbescheide ausstellen. Zuständig sind die Bezirksbehörden und in weiterer Folge, bei Beschwerden, die Landesverwaltungsgerichte. Dort wird eine massive Überlastung befürchtet - auch, weil Impfgegner bereits vehementen Widerstand angekündigt hatten.
Was will die Politik?
Die politischen Signale gehen klar in Richtung einer Verschiebung. Schon im Februar zeigten einige Landeshauptleute auf und sprachen sich für ein Aussetzen aus.
Aktuell sagt der Vorarlberger Landeshauptmann und Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, Markus Wallner, es könnte noch zu früh sein, die Impfpflicht scharfzustellen, eine Verschiebung um ein bis zwei Monate wäre möglich. Es gelte jedenfalls, für den Herbst vorbereitet zu sein (siehe unten).
Und was sagt der neue Gesundheitsminister? In seiner neuen Funktion hat sich Johannes Rauch noch nicht geäußert.
Mitte Februar aber schrieb er auf Twitter: Das Impfpflichtgesetz zu behalten, aber die Strafen auszusetzen sei so absurd "wie ein Tempolimit auf der Autobahn ohne Radar und Strafen". Und: "Im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir einen ,Vernunft- und Verantwortungsstaat’ und keinen ,Polizei- und Kontrollstaat’ brauchen."
Eine Million verstößt gegen Gesetz
Derzeit verstößt knapp eine Million Erwachsene gegen die Impfpflicht, die bereits seit Februar in Kraft ist. Fortschritte beim Impfen gibt es seit Anfang Februar kaum.
Zwar ist die Zahl der von der Impfpflicht betroffenen Erwachsenen seit Anfang Februar um mehr als 404.000 gesunken - von 1,3 Millionen auf 972.289. Darunter sind allerdings nur 60.765 Personen, die sich seit Februar zusätzlich haben impfen lassen.
Deutlich mehr Menschen sind seither aus der Impfpflicht herausgefallen, weil sie sich mit dem Coronavirus infiziert haben: 729.000 Menschen gelten derzeit als genesen, müssen sich also vorerst nicht impfen lassen. Der Rückgang ist also fast ausschließlich auf die hohen Infektionszahlen mit der Omikron-Variante zurückzuführen.
Die Zahlen im Detail: Insgesamt verfügen aktuell drei Viertel der erwachsenen Bevölkerung über ein gültiges Impfzertifikat. Das sind 5,69 Millionen Menschen und nur unwesentlich mehr als Anfang Februar (5,63 Millionen). Mehr als verdoppelt hat sich seither die Zahl der Genesenen - von 324.000 auf 729.000. Somit verstoßen aktuell 13 Prozent der erwachsenen Menschen in Österreich gegen die Impfpflicht.
Besonders hoch ist der Anteil in Wien (16 Prozent), Kärnten und Vorarlberg (je 14 Prozent). Oberösterreich liegt mit 13 Prozent im Schnitt, die Steiermark, Salzburg und Niederösterreich mit 12 Prozent etwas darunter. Am wenigsten Verstöße gegen die Impfpflicht gibt es in Tirol und dem Burgenland mit je 11 Prozent.
Ironischerweise verdankt die Hauptstadt Wien ihre Spitzenposition bei den Impfpflicht-Verstößen allerdings ihrer insgesamt erfolgreichen Corona-Bekämpfung. Denn die Durchimpfungsrate in Wien ist mit 77 Prozent höher als in Oberösterreich, Salzburg, Kärnten und auch Vorarlberg.
Dass trotzdem mehr Wienerinnen und Wiener gegen die Impfpflicht verstoßen, liegt an den vergleichsweise niedrigen Infektionszahlen. Somit sind in Wien nur 7,4 Prozent der Bevölkerung mittels Genesungszertifikat von der Impfpflicht befreit. Weniger sind es nur im Burgenland (6,4 Prozent). Zum Vergleich: In Salzburg und Oberösterreich haben 13 Prozent der Bevölkerung im letzten halben Jahr eine Infektion durchgemacht und sind somit vorerst von der Impfpflicht befreit.
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