Experten über Stürmer-Vergleich in ZiB2: "Klarer geht's nicht"
Die Auseinandersetzung zwischen FPÖ und ORF geht in die nächste Runde. Anlass ist das ZiB 2-Interview mit dem blauen Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, Harald Vilimsky. Moderator Armin Wolf stellte dort ein Plakat des RFJ Steiermark (Ring Freiheitlicher Jugend, die Jugendorganisation der FPÖ) einer antisemitischen Darstellung im Nazi-Hetzblatt „Der Stürmer“ gegenüber.
Das Sujet der blauen Jugend, das übrigens bereits im vergangenen Sommer veröffentlicht wurde, ist im Comic-Stil gehalten und stellt Migranten mit übergroßen Nasen und Ohren dar. Für Vilimsky war Wolfs Vergleich „jenseitig“, er kündigte in laufender Sendung „Folgen“ an. Am Mittwoch sprach sich der blaue Vorsitzende des ORF-Stiftungsrats, Norbert Steger, gegen Folgen für Wolf aus. Vilimsky, vom KURIER mit der Steger-Aussage konfrontiert, legt jedoch nach: „Ich bleibe dabei, dass es für Wolf Folgen geben muss, die der Generaldirektor definieren soll. Das sage ich als Interviewter und Gebührenzahler, der es als schier untragbar empfand, wie hier manipuliert wurde.“
Aber wer hat nun recht? Ist der Stürmer-Vergleich passend oder überzogen? Der KURIER befragte dazu Experten.
„Stil für FPÖ nicht neu“
„Als ich das Plakat damals gesehen habe, war meine erste Reaktion auch: ’Das sieht ja aus wie im Stürmer’“, sagt der Politikwissenschafter Reinhold Gärtner von der Universität Innsbruck. Vilimsky hingegen betonte im Interview mehrfach, keine Ähnlichkeit erkennen zu können. „Er hätte die Gelegenheit gehabt, seine Sichtweise zu erklären“, so Gärtner. „Stattdessen hat Vilimsky nur gezeigt, dass er seine Emotionen nicht im Griff hat.“
Laut Gärtner ist der Stil dieses Comic für die FPÖ „nichts Neues“ und „wird auch kaum Auswirkungen auf die EU-Wahl haben“. Der Politikwissenschafter meint, die FPÖ erhalte ihre Stimmen „nicht wegen, sondern trotz solcher Entgleisungen“.
Auch der deutsche Historiker Christian Kuchler von der Technischen Hochschule Aachen erkennt in der Zeichnung „klassische antisemitische Andeutungen“. Kuchler ist Herausgeber eines Buches über den Umgang mit NS-Propaganda im 21. Jahrhundert. Die große Nase, die großen Ohren, der grimmige Blick, „und daneben das strahlende österreichische Paar, das diese Merkmale nicht aufweist – das geht nicht mehr klarer“, so Kuchler. „Diejenigen, die diese Symbolik erkennen sollen, erkennen sie dadurch auch.“
Der Kommunikationsforscher Wolfgang Duchkowitsch vom Publizistikinstitut der Universität Wien sieht den Vergleich mit dem Stürmer hingegen „gewagt“. Die gezeichnete Moschee im Hintergrund mache klar, dass es sich bei den Figuren um Muslime handeln soll. „Das Sujet ist in jedem Fall schwer rassistisch“, sagt der Professor. „Der Zeichenstil könnte aber genauso an katholische Magazine der 20er Jahre erinnern, das lässt sich nicht alleine auf die Nationalsozialisten zurückführen.“
Redakteursprotest
Inzwischen protestiert auch der ORF-Redakteursrat gegen die „verbalen Drohungen“ Vilimskys gegen Wolf. „Dass der Generalsekretär einer Regierungspartei in einem Interview den Moderator bedroht, hat es in dieser Form noch nicht gegeben“, so der Redakteursrat. Das sei „einer liberalen Demokratie mit funktionierender Pressefreiheit unwürdig“.
FPÖ-intern heißt es, die Auseinandersetzung mit dem ORF könnte der FPÖ im EU-Wahlkampf durchaus etwas bringen, wenn schon nicht Stimmen, dann zumindest gute Stimmung unter den eigenen Anhängern. Die Forderung der FPÖ nach Abschaffung der ORF-Gebühren liegt hingegen vorerst auf Eis – und sie wird immer schwieriger politisch umzusetzen, je heftiger die FPÖ den ORF attackiert.
Kommentare