Experte Steurer: "So wird der Klimaschutz sabotiert"

Experte Steurer: "So wird der Klimaschutz sabotiert"
Die Strompreisbremse konterkariere die türkis-grüne Energiesparkampagne, meint Reinhard Steurer, Experte für Klimapolitik.

Reinhard Steurer, BOKU-Professor für Klimapolitik, glaubt nicht, dass die Sparkampagne ihre volle Wirkung entfalten kann.

KURIER: Finden Sie die Schwerpunkte der Energiesparkampagne richtig?

Reinhard Steurer: Die Kampagne ist umfassend angelegt und spricht auch wirksame Maßnahmen wie zum Beispiel weniger Tempo beim Autofahren oder kürzeres Duschen an. Sie hat somit durchaus das Potenzial, den Energieverbrauch um gut zehn Prozent zu reduzieren. Einzig schade ist, dass die Strompreisbremse den Stromverbrauch von rund der Hälfte der Haushalte zu 100 Prozent deckelt und somit ein starker Anreiz für Einsparungen wegfällt, und zwar deutlich höhere Strompreise. Der Strompreisdeckel läuft der Energiesparkampagne leider zuwider.

Hätten Sie bei der Strompreisbremse ein anderes Modell sinnvoller gefunden?

Der Preisdeckel war aus sozialen Gründen nötig, aber in der derzeitigen Form muss man ihn als neue fossile Subvention bezeichnen. Warum? Derzeit kommen etwa 20 Prozent unseres Stroms aus fossilen Quellen, vor allem aus Erdgas. Der Markt sagt uns mit hohen Strompreisen ganz klar: Erdgas ist knapp, spart Strom, damit möglichst wenig Gas verstromt wird. Dieses Signal wird für viele Haushalte so gut wie abgestellt indem ihr ganzer Verbrauch subventioniert wird. Ich kritisiere das auch deshalb, weil die Regierung eigentlich vorhat, fossile Subventionen abzubauen. Jetzt führt sie de facto eine neue ein. Die Strompreisbremse geht in dieser Hinsicht also in die falsche Richtung. So wird nicht nur die Energiesparkampagne sondern auch Klimaschutz ganz allgemein sabotiert. Fehlende Daten werden als Begründung angeführt. Da die Strompreisbremse bis Mitte 2024 gelten wird, sollte die Datenlücke schnell geschlossen und der Strompreisdeckel reformiert werden.

Der Klimabonus wurde auf 500 Euro angehoben, dazu kommt die Strompreisbremse: Ist der Sparanreiz aktuell überhaupt so groß, dass die Kampagne wirken kann?

Die Kampagne kann und wird wirken, aber ihre Wirkung wird durch die 100-Prozent-Subvention des Strompreises für die Hälfte der Haushalte deutlich reduziert, denn der stärkste Hebel zum Energiesparen ist immer noch der Preis.

Welche Spartipps fehlen der Energiesparkampagne aus Ihrer Sicht?

Was am meisten fehlt ist ein verbindliches Tempolimit 100 auf Autobahnen statt eine Empfehlung dafür. Weil die Emissionen im Verkehr nach wie vor viel zu hoch sind, wäre diese Maßnahme wegen der Klimakrise allein längst überfällig. Jetzt gäbe es einen zweiten guten Grund dafür, aber mit der ÖVP scheint das nicht machbar zu sein.

Österreichs Kampagne startet im EU-Vergleich spät – zu spät?

Leider hat Österreich beim Energiesparen wichtige Monate verschlafen. Hätten wir den Stromverbrauch schon über den Sommer um zehn Prozent oder mehr reduzieren können, dann wäre auch die Gasverstromung zurückgegangen und die Gasspeicher wären noch besser gefüllt. Offenbar war die Notsituation vor Monaten für viele noch nicht so eindeutig wie sie heute ist. Damals floss ja noch ausreichend Gas durch die Pipelines.

Kommentare