Grüne Energieminister aus Österreich und Deutschland, die jetzt mit dem Privatjet nach Katar reisen, das ist schon so etwas wie die „verlorene Unschuld“. Da sage ich nur: „Willkommen in der Realität, liebe Fundis aus der Nicht-Regierungszeit.“ Eine Reise alleine bringt uns aber noch kein Gas, weil wir ja keine Anlandestation für Flüssiggas haben.
Hat Gewessler im Vorjahr übersehen, dass unsere Gasspeicher von der Gazprom nicht mehr befüllt werden?
Österreichs Gasspeicher gehören zu einem guten Teil den Gazprom-Gesellschaften. Ich vermisse Druck und politische Initiativen, dass die Gazprom-Speicher befüllt werden. 13 Prozent – das darf doch nicht wahr sein. Ziel müssen 100 Prozent sein. In Deutschland werden Gazprom-Gesellschaften kommissarisch geführt und quasi enteignet. Da kann und soll Österreich jeden Druck der Welt machen, um für eine Befüllung zu sorgen. Vor allem jetzt, wo der Bedarf bedeutend niedriger ist, als die Menge, die Gazprom nach Baumgarten pumpen kann. Es ist peinlich, wie das Problem zwischen den Ministerien hin und her geschoben wird, und unterm Strich passiert nichts.
Sie haben in Ihrer Zeit als Energieminister die Nabucco-Pipeline stark forciert, die eine Unabhängigkeit von russischem Gas ermöglicht hätte. Das Projekt scheiterte. Welche Kräfte waren da am Werk?
Dieses Projekt ist fahrlässig fallen gelassen worden. Österreich war damals politisch und gesellschaftsrechtlich im Lead. Die Gazprom - namentlich der damalige Gazprom-Auslandschef Alexander Medwedew – hat mit allen Mitteln von Wien bis Baku daran gearbeitet, dass Nabucco nicht zustande kommt und war leider damit erfolgreich. Der Widerstand aus Wien, aber auch aus Baku, war leider nicht sehr groß. Man hätte pro Jahr rund 20 Milliarden Kubikmeter nach Baumgarten fördern können. Das ist ungefähr der zweieinhalbfache Jahresbedarf von Österreich.
Statt Pipelines zu bauen, hätte man die Alternativenergien mehr fördern können ...
Zwei Träume sind durch den Krieg geplatzt. Das ist der Traum vom ewigen Frieden in Europa. Traum Nummer 2 ist der Traum vom kostenlosen Klimaschutz. Von heute auf morgen eine Unabhängigkeit vom russischen Gas zu schaffen, geht nicht. Aber einen langen Weg beginnt man mit dem ersten Schritt, sagen die Chinesen. Wir müssen an allen Rädern drehen – vom Energiesparen bis zur Umstellung auf Alternativenergien. Gewisse Umstellungen gehen nicht sofort. Das zeigen die nackten Zahlen. Denn für einen 100-prozentigen Umstieg auf E-Mobilität hat weder Österreich noch Deutschland den notwendigen Strom. Man muss ehrlich sagen: Wir werden Erdgas aus ziemlich autokratischen und menschrechtsfeindlichen Staaten beziehen müssen. Auch Fracking aus den USA müssen wir künftig pragmatisch beurteilen, weil wir es brauchen werden.
Ziemlich pessimistische Perspektive, die Sie hier skizzieren ...
Eine Idee, die aus Frankreich kommt, gefällt mir und könnte zu einem schnelleren Umstieg führen. Ein zielgerichteter Zoll auf Energieträger aus Russland ließe sich umsetzen und könnte die Verringerung der Abhängigkeit von Europa fördern. Wenn die EU deutlich macht, dass der Zoll Bestand haben wird, solange der russische Angriff auf die Ukraine andauert, wäre das auch für Stromerzeuger ein Anreiz, nicht auf Gas zu setzen, sondern schneller auf Alternativenergien zu setzen.
Durch den Krieg wird Russland über viele Jahre isoliert und von China abhängig sein. Ist Russland dann künftig nur mehr eine Mittel- statt einer Großmacht?
Diesen Fehler hat schon Barack Obama gemacht, der Russland 2014 als eine regionale Macht bezeichnete. Das hat wohl zum Wandel von Putin und seinen Plänen einer Restitution von Großrussland beigetragen. Russland hat zu einer Partnerschaft mit Europa keine Alternative. Die Pipeline-Kapazitäten nach China sind ein Fünftel derer nach Europa. Das lässt sich nicht so leicht kompensieren. Es wird die Zeit nach dem Krieg und die Zeit nach Putin geben. Aber ein Zurück vor den 24. Februar 2022 wird es weder politisch noch wirtschaftlich mehr geben. Und die Wirtschaftssanktionen werden Russland zu einem armen Land machen. Die Vergleiche mit Stalin und Hitler muss sich Putin leider Gottes gefallen lassen.
Es herrscht gerade eine heftige Debatte in Österreich und den EU-Staaten, wie man die Teuerung abfedern soll. Wie beurteilen Sie die Maßnahmen?
Hier haben alle Notenbanker wirklich Mist gebaut und sich auf die Lorbeeren von zwei Jahrzehnten ausgeruht. Sie haben ohne Ende Geld in die Märkte gepumpt. Jetzt hat man den Scherben auf, weil die Pandemie zu einer völligen Irritation der Lieferketten geführt hat. Dass den sozial Schwachen geholfen werden muss, steht außer Frage. Es kann aber nicht sein, dass sich der Staat über die höhere Mehrwertsteuer auf Energie ein Körberlgeld holt. Wir beziehen den größten Teil unseres Stroms aus Wasserkraft. Das sind ungefähr hundertjährige Verträge mit fixen Konditionen. Mir kann niemand erklären, warum man daher nicht dafür sorgen kann, dass die Energiepreissteigerungen im Rahmen bleiben: Es ist jetzt nicht die Zeit, sich auf das Aktiengesetz oder die Leipziger Strommärkte zu berufen. Alle diese Unternehmen sind ja aus gutem Grund öffentlichkeitsnah. Man könnte auch die ungeplanten Gewinne abschöpfen und umverteilen.
Kommentare