Als in der Corona-Krise viele Unternehmen in finanzielle Nöte kamen, hat man Hilfsleistungen und Förderungen erfunden – niemand hat aufs Geld geschaut. Jetzt, wenn es die Privaten trifft, wollen Sie „die Budgets in Strukturen halten“. Das muss man nicht verstehen, oder?
Der Vergleich ist unrichtig. In den vergangenen zwei Jahren stand unsere Stadt als Gesamtkunstwerk auf dem Prüfstand. Wir haben das gemeistert. Von Wirtschaftshilfen hat auch der Arbeitsmarkt profitiert, wir haben einen Höchststand an unselbstständig Beschäftigten und eine niedrige Arbeitslosenquote. Wir nehmen auch bei der Inflation unsere Verantwortung wahr. Wir haben 50 Millionen Euro für die Energiekostenpauschale von 200 Euro budgetiert, die sozial Schwächere erhalten, ohne einen Antrag stellen zu müssen. Und wir unterstützen Haushalte, die sich wichtige Rechnungen nicht mehr leisten können – bis in den Mittelstand hinein.
Die Richtwertmieten steigen um 6 Prozent, das betrifft auch 80.000 Gemeindewohnungen in Wien. Die Opposition hat angemerkt, dass die Stadt diese Erhöhung im Gemeindebau gar nicht umsetzen müsste. Graz macht es vor und erhöht nicht.
Wien muss sich nicht vor Graz verstecken – und auch nicht vor anderen Metropolen in Europa. Das Wohnen in Wien ist um bis zu 40 Prozent günstiger als anderswo. Aber erneut: Auch das bedarf einer Pflege und Instandhaltung.
Wien will die Energiewende bis 2040 schaffen. Mit Blick auf die Weltenlage: Kommen der Umstieg auf Erneuerbare Energien und der Abschied aus der russischen Abhängigkeit nicht etwas spät?
Ich bin sicher nicht derjenige, der den einstigen Verantwortlichen ausrichtet, dass sie zu langsam waren. Es sind in Wien viele Projekte in Umsetzung – wir planen die größte Wärmepumpe Mitteleuropas, arbeiten an der Geothermie und schicken Wasserstoffbusse durch die Stadt. Den Krieg, der uns alle fassungslos macht, konnte niemand vorhersehen.
Hat man Wladimir Putin zu blind vertraut?
Nein, das nun jemandem vorzuwerfen, wäre überheblich. Auch andere europäische Staaten haben das nicht kommen sehen. Ganz im Gegenteil: North Stream 2 zeigt, dass man sogar noch enger mit der Russischen Föderation arbeiten wollte. Umso erschütterter sind wir, dass wir einen Krieg erleben, den sich diese Generation nicht mehr vorstellen konnte. Das ist ein Erdbeben, auf das wir reagieren müssen. Ich würde mir wünschen, dass sich Wien als Drehscheibe für den Frieden sogar noch stärker einbringt.
Österreich kommt historisch eine internationale Vermittlerrolle zu. Werden wir dem derzeit gerecht?
Nein, dieser Rolle wird Österreich derzeit nicht gerecht. Die Politik auf Bundesebene, die in den vergangenen sieben Jahren von permanenter Veränderung geprägt war, hat uns in diesem Bereich Energie gekostet. Es hat nicht Wien versagt, sondern der Bund hat dafür gesorgt, dass Österreich international in seiner Reputation gelitten hat. Daher schaffen wir es nicht, jetzt Stärke zu zeigen.
Halten Sie es für richtig, dass Bundeskanzler Karl Nehammer in die Ukraine reist?
Es ist gut, zu zeigen, dass wir an der Seite derer stehen, die Opfer von Aggression sind. Bei anderen Maßnahmen hingegen sollten wir sehr vorsichtig sein – etwa dabei, Diplomaten auszuweisen.
War es falsch, vier russische Diplomaten auszuweisen?
Es ist ein Grenzfall, den man sich gut überlegen hätte sollen. Wir haben über Jahrzehnte eine Brückenkopffunktion zu Osteuropa erarbeitet, die wir zur Friedensschaffung einsetzen sollten. Da sollte man nicht vorschnell diplomatische Beziehungen aufs Spiel setzen. Unsere Neutralität zu erhalten, ist essenziell.
Wien übererfüllt im Vergleich zu anderen Bundesländern seine Quote bei der Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge. Ist das auf Dauer leistbar?
Wir brauchen eine klarere Abstimmung zwischen Bund und Ländern. Jetzt geht es darum, dass jene, die kommen, gut integriert werden – durch Deutschkurse und auf dem Arbeitsmarkt. Das macht Wien unter Hochdruck. Aber wir sind da an den Bund gekettet, das geht nur gemeinsam.
Wien hat erstmals seine Ausgaben für Info- und Kommunikationskampagnen offengelegt – 31,8 Millionen Euro waren es 2021. Warum muss man denn etwa die Stadtstraße oder den Lobautunnel um teures Geld bewerben?
Weil es sich um städtische Leistungen handelt, die wir sichtbar machen wollen. Der Bau der Stadtstraße ist essenziell für die Entwicklung dieser Stadt, das sollten die Bürger wissen. Wer mitdiskutieren will, muss informiert sein.
Immer wieder gibt es Kritik, dass Wien mehr Geld für Inserate ausgibt als die gesamte Bundesregierung.
Wir geben weniger aus. Die Ausgaben des Bundes steigen, unsere nicht. Im Übrigen muss man anerkennen, dass alle relevanten Medien in Wien angesiedelt sind. Es ist klar, dass wir als Stadt auch junge Medien unterstützen. Das machen wir transparent. In Vorarlberg gab es zuletzt Rücktritte, weil man dort nicht so sauber gearbeitet hat bei der Inseratenvergabe.
Diese neue Transparenz in Wien, ist die den Neos zu verdanken?
Nein. Daran arbeite ich seit 2018. Aber ich setze es jetzt gemeinsam mit den Neos um.
Die SPÖ hat eine umstrittene Anfrage zum Unfall der mutmaßlich betrunkenen Personenschützer des Kanzlers gestellt. Es gab Kritik am Stil der Anfrage und an den Details, die darin zu lesen waren. Zu Recht?
Über den Stil und den Detaillierungsgrad könnte man sicher streiten, ja.
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