Ex-Ministerin Hartinger-Klein: "Wurmmittel zu empfehlen, ist letztklassig"

Ex-Ministerin Hartinger-Klein: "Wurmmittel zu empfehlen, ist letztklassig"
Die frühere FPÖ-Gesundheitsministerin wirft FPÖ-Chef Kickl und der Regierung gleichermaßen Spaltung vor. Derzeit gebe es "keinen anderen Ausweg mehr als die Impfpflicht".

Die ehemalige FPÖ-Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (2017 bis 2019) sieht in der Pandemie-Bekämpfung Verfehlungen auf beiden Seiten: bei der Regierung und bei FPÖ-Chef Herbert Kickl.

Erstens: "Die Regierung hat den Fehler gemacht, der Bevölkerung zu suggerieren, dass die Impfung eine Immunisierung ist. Als offensichtlich wurde, dass sie das leider nicht ist, hat man zu wenig auf Aufklärung und positive Anreize gesetzt und zugleich zu viel Druck gemacht", erklärt Hartinger-Klein im KURIER-Gespräch.

In der jetzigen Situation gebe es "keinen anderen Ausweg mehr als die Impfpflicht".

Sie selbst sei übrigens zweifach geimpft, der dritte Stich sei bereits geplant. "Ich bin positiv eingestellt zum Impfen. Auch, wenn es nicht immun gegen das Virus macht - es hilft immerhin, schwere Verläufe hintanzustellen."

Selbstbestimmung

Zum zweiten Punkt: Herbert Kickl stehe als FPÖ-Chef für Selbstbestimmung ein - und das sei auch ihre Haltung, betont Hartinger-Klein. Aber: "Wer für Selbstbestimmung eintritt, muss aufklären und Ängste nehmen." Kickl betreibe ebenso Spaltung wie die türkis-grüne Regierung, die er so heftig kritisiert.

Dass Kickl ein Entwurmungsmittel empfohlen hat, findet die Ex-Ministerin "letztklassig und indiskutabel - das entspricht keiner medizinischen Evidenz und steht einem Politiker nicht zu".

Seine Demo-Aufrufe an die Impfgegner sieht sie indes nicht so gravierend: Es sei das gute Recht der Opposition, sich an regierungskritischen Demonstrationen zu beteiligen. "Auch wenn man die diesbezügliche Signalwirkung nicht unterschätzen darf", sagt Hartinger-Klein.

"Nicht konstruktiv"

Im Gesundheitsministerium und im Kanzleramt hat man den FPÖ-Chef zuletzt als "nicht konstruktiv" beurteilt und ihn vom runden Tisch zum Thema Impfpflicht ausgeschlossen. Hartinger-Klein hält das für einen Fehler: "In der Politik muss man sich auch mit Gegenmeinungen auseinandersetzen - das gehört zum Job. Auch wenn der Vorwurf, nicht konstruktiv zu sein, zutreffen mag."

Insgesamt habe es die Regierung verabsäumt, sich um eine gemeinsame Linie - quer durch alle Parteien - zu bemühen. In Staaten, in denen es diese Linie gibt, seien die Maßnahmen von der Bevölkerung deutlich besser aufgenommen worden, merkt die Ex-Ministerin an.

Die Impfpflicht ist für Hartinger-Klein übrigens kein neues Thema: In ihrer Amtszeit sei eine Pflicht für bestimmte Impfungen in Gesundheitsberufen vorgesehen gewesen. Die gesetzliche Grundlage dafür gibt es im Epidemiegesetz. "Ich bin überrascht, dass mein Nachfolger, Herr Mückstein, so lange gewartet hat, die Impfpflicht in diesem Bereich zu verordnen."

Man hätte auch über eine Volksabstimmung, analog zur Schweiz, nachdenken können. Dies hätte möglicherweise auch einen Konsens zur FPÖ eröffnet.

Effizienz

Ob sie manchmal froh ist, in der Pandemie nicht die zuständige Ministerin zu sein? "Ja und nein", sagt Hartinger-Klein. "Einerseits ist es eine spannende Aufgabe und ich glaube, ich hätte manche Dinge effizienter erledigt als meine Nachfolger. Andererseits ist in einer solchen Lage wohl alles, was man macht, falsch."

Derzeit absolviert Hartinger-Klein ein "Studium Generale" an der Uni Wien.

Während der türkis-blauen Regierung von Dezember 2017 bis Mai 2019 war sie Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, zuvor war sie Managerin beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.

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